Die Hoftaferne auf Schloss Neuburg – seit alters der gastronomische Mittelpunkt von Schloss Neuburg am Inn
Die Hoftaferne auf Schloss Neuburg – seit alters der gastronomische Mittelpunkt von Schloss Neuburg am Inn
Die Hoftaferne war 1909 angekauft worden, um die Bewirtung der Gäste im Künstlererholungsheim, das 1922 eröffnet wurde, sicherzustellen. In den Jahren 1910/11 wurde die ehemalige „Hofwirtschaft“ nach Plänen von Karl Kieffer umgebaut und mit einem Zwerchgiebel versehen.
Die Hoftaferne hat eine lange Geschichte. Erdgeschoss und Keller stammen spätestens aus dem 15. Jahrhundert. Graf Sinzendorf ließ ein Stockwerk aufsetzen. Nun hatte die Hoftaferne eine Wirtswohnung, drei Gastzimmer unten, im oberen Stock einen Tanzboden und vier Gastzimmer. Ein Gastzimmer wurde Hochzeitsstube genannt. Die Bezeichnung „Hochzeitsstube“ zeigt schon, dass die Hoftaferne ein ganz besonderes Wirtshaus war.
links die Hoftaferne im Jahr 1676, als die Neuburg Brautquartier war
Die Hoftaferne war von alters her der gastronomische, gesellschaftliche und kommunale Mittelpunkt für die Bewohner der Grafschaft Neuburg. Als am 27. September 1751 Kardinal Graf von Lamberg nach Dommelstadl kam, um die neuerbaute spätbarocke Dreifaltigkeitskirche im Beisein einiger Domherren, Cavalieren und Damen zu konsekrieren, traf sich die Gesellschaft zu einer „offenen Tafel“ im Schloss. Die Mitwirkenden erhielten Geldzuwendungen und wurden in der Hoftaferne und beim Hofbinder verköstigt.
Im Bayerischen Wörterbuch von Johann Andreas Schmeller ist genau beschrieben, was unter einer Hoftaferne zu verstehen ist:
„Es übten in älteren Zeiten die Herren des Landes, Fürsten, Klöster,Edelleute und Städte allein das Recht, an ihre Unterthanen Wein oder Bier uszuschenken, d. h. Tafernen zu halten, die sie entweder durch eigne Diener (Tafernäre, Taferner;) betrieben,oder Andern in Pacht gaben…Die größtentheils landständischen, also mitgesetzgebenden Eigner solcher Wirthschaften
ermangelten nicht, sie durch das sogenannte Tafernrecht, d.h.durch den Zwang zu unterstützen, der den respectiven Untergebenen auferlegt wurde, in keiner andern als eben ihres Herrn Tafern Verlöbnisse, Hochzeiten, Taufen, und Todten-Mahle zu halten.“
Um Gäste bewirten zu dürfen, hatte der Pächter der Hoftaferne also von dem jeweiligen adeligen Besitzer der Neuburg die reale Taferngerechtigkeit bewilligt bekommen, die an das Anwesen gebunden und verschiedene Privilegien beinhaltete. Der Tafernwirt hatte das öffentliche Schank-, Herbergs- und Gastrecht. Er durfte auch Hochzeiten, Taufen, den Leichenschmaus und sonstige Feierlichkeiten ausrichten und dabei Speisen „auftafeln“ lassen. Der Wirt durfte sein Bier selbst brauen (Braurecht), Gäste beherbergen, Speisen verabreichen und neben dem Bier auch Wein und Brantwein ausschenken (Schankrecht). Zum Tafernrecht gehörte auch das Brennrecht und die Backgerechtigkeit, also das Recht, einen Backofen anzulegen und Brot zu backen. Als soziale Verpflichtung musste der Tafernwirt wandernde
Handwerksgesellen beherbergen.
Plan des Architekten Karl Kieffer für die Umgestaltung der Hoftaferne, 1910
Die Hoftaferne nach dem Umbau mit Biergarten, 1930
Gedenktafel für den Architekten Karl Kieffer im Torturm der Neuburg
Als 1908 erste Pläne zur Rekonstruktion der Neuburg von Karl Kieffer angefertigt wurden, war auch die Hoftaferne in dieses Projekt mit eingeschlossen worden. Dort sollten wie in alten Zeiten Feste und Feierlichkeiten stattfinden. Auch die Verköstigung der Gäste im Künstlererholungsheim sollte sichergestellt sein.
Im Oktober 1915 wurde der Pachtvertrag über die Bewirtschaftung der Hoftaferne zwischen dem „Bayerischen Verein und Volkskunst und Volkskunde e.V.“ in München und Frau Maria Taubeneder, geb. Märzendorfer aus Weng in Vertretung ihres im Felde stehenden Gatten Johann Taubeneder aus St. Salvator
geschlossen. Dieser Pachtvertrag zeigt den ganzen Umfang des Besitzes, der von der Hoftaferne zu bewirtschaften war.
Der Pachtvertrag umfasste:
„I. das Wirtshaus mit:
„a) im Erdgeschoss: Bauernstube, Nebenzimmer, Kneipzimmer
und Wintergaststube, dann Küche, sowie drei Wohnzimmern und
Vorratskammer;
- b) Kellerräume mit Eiskeller;
- c) im Obergeschoss: Tanzsaal, Nebenzimmer (Vereinszimmer);
- d) im Dachgeschoss: 4 Zimmer und Bodenraum.
- Nebengebäude: Waschküche, Schlachthaus, Holzlege und
Stallung;
III. Hofraum;
- Wirtschaftsgarten mit Tischen und Bänken, einer alten Linde
und mehreren Bäumen;
- Kegelbahn;
- den oberen Weiher Plan Nr. 9 nächst dem Ökonomiehof zur
Fischzucht und Eisgewinnung, sowie den dort gelegenen Gemüsegarten.“
In diesem Pachtvertag waren alle Verpflichtungen eingeschlossen:
Reinigungen der Öfen, Reparaturen, Instandhaltungen des Inventars, Bereitstellung der Gerätschaften zur Fischzucht, Straßenreinigung, Schnee-räumen. Dazu gehörten auch die Pflicht, die „den gesamten Schlossbesitz betreffenden Einquartierungen zu verpflegen.“ Wichtige Punkte waren auch, dass „auf grösste Reinlichkeit gesehen und tadellose Ordnung und Sauberkeit der Tisch – und Bettwäsche, des Geschirrs, der Bestecke, der Schankgeräte beachtet wird. Der Wirt und dessen Angehörige haben bei Bedienung von Gästen stets sauber gekleidet und die weiblichen Dienstboten mit weissen Schürzen versehen zu sein. Den Gästen des Künstlerheims und von auswärts muss bei Einnahme von Mahlzeiten der Tisch gedeckt und jedem Gast eine weisse Serviette vorgelegt werden.“
Für die Bier-und Limonadenlieferung wurde die Bischöfliche Brauerei Hacklberg als Bezugsquelle bestimmt, schließlich hatte die Neuburg von 1730 bis 1803 dem Passauer Fürstbischof gehört. Dem Pächter wurde aufgetragen „einen ent-sprechenden Eisvorrat zu halten“, wozu ihm „das Recht der Eisgewinnung in
dem oberen Fischweiher eingeräumt“ wurde.
Auf die Einhaltung der Hygienevorschriften wurde ganz besonders
großer Wert gelegt:
„Milch, Kaffee, Tee, Kakao und alle sonstigen Getränke sind ebenfalls in einwandfreier Qualität abzugeben (…). Milch von kranken oder der Tuberkulose verdächtigen Tieren darf im Wirtschaftsbetreib nicht verwendet werden (…). Zu den Speisen darf nur gute, tadellos frische Ware verwendet werden; sie sind in guter, sorgfältiger Zubereitung, wie es in gediegenen bürgerlichen Gasthäusern üblich ist und zu den ortsüblichen Preisen abzugeben. Die Verwendung von Kunstfetten, wie Palmin, Margarine, Pflanzenbutter und dergl. ist verboten“.
Entwurf einer Werbetafel für die Hoftaferne
Gastzimmer der Hoftaferne
Künstlerzimmer, 2018
Schon kurz nach dem Umbau der Hoftaferne fanden Feste und Feierlichkeiten statt, die in der Burg stattfanden und für die die Küche der Hoftaferne die Speisen lieferte. Als am 8. September 1911 eine „Enthüllungsfeier des Bildnisses S.K. des Prinzregenten Luitpold von Bayern“ in den restaurierten Marmorsälen ausgerichtet wurde, lieferte die Hoftaferne eine üppige fünfgängige Speisenfolge für die Festgäste.
Rotmarmorsaal 2018
Bronzetafel des Prinzregenten Luitpold im Rotmarmorsaal, Adolf von Hildebrand (1847-1921)
Als am 18. Juni 1914 König Ludwig III. mit seinen Töchtern die Neuburg besuchte, wurde der König vor dem Platz der Hoftaferne von Veteranen, Feuerwehr und der Schuljugend empfangen. Nach den Feierlichkeiten wurden die Gäste wieder-um von der Hoftaferne verköstigt.
Eine große Herausforderung für die Hoftaferne war die Eröffnung des Künstlererholungsheimes auf Schloss Neuburg im Jahr 1922. Seit dieser Zeit war die Hoftaferne für die Verköstigung der Künstler zuständig.
Die Wirtsleute der Hoftaferne, die Pächterfamilie Wenzl
Der Biergarten der Hoftaferne übte bei schönem Wetter eine ganz besondere Anziehungskraft für Leute aus Nah und Fern aus.
An Regentagen jedoch konnten die Künstler, die im Künstlererholungsheim auf Schloss Neuburg ihren Urlaub verbrachten, sich ihre Zeit auf der Kegelbahn vertreiben. Der Berliner Porträt-, Genre- und Landschaftsmaler Franz Martin Lünstroth (1880–1956) war 1931 zu Besuch auf der Neuburg. Er hat Frauen und Männer beim Kegeln in einem Aquarell festgehalten und in Versen beschrieben, wie vergnüglich und amüsant solch ein Regentag in Gesellschaft der anderen Künstlerkollegen sein konnte.
Alte Kegelbahn, Illustration aus dem Buch „Die Sommerburg“ von Albert Schäfer-Ast, 1934
Einladung zu einem Tanzkränzchen des Sängerbundes Alt-Neuburg in die Hoftaferne am Samstag, 13. Februar 1926 von Horst Eysoldt (1885-1934)
Die Hoftaferne war auch das Vereinswirtshaus des Sängerbundes Alt-Neuburg. Dieser Verein lud am Samstag, den 13. Feburar 1926 zu einem Tanzkränzchen ein. Die Einladungskarte schuf der Maler Horst Eysoldt (1885–1934), der auch die Schützenscheiben für die Dommelstadler Schützengesellschaft entwarf.
Die im Künstlerzimmer der Hoftaferne an den Wänden aufgehängten
Bilder erinnern an die Zeit, als Künstler während ihres Urlaubs im Künstlerholungsheim auch Gäste in der Hoftaferne waren.
Entwurfszeichnungen von Julius Diez (1870-1957) im Künstlerzimmer der Hoftaferne
Von Julius Diez (1870–1957), von dem mehrmals Einträge im Gästebuch des Künstlererholungsheimes zu finden sind, hängen zwei dekorative Entwurfs-zeichnungen im Jugendstil im Künstlerzimmer. Der bekannte Künstler schuf zahlreiche Mosaike, Wandgemälde und Glasfenster für öffentliche Gebäude in zahlreichen deutschen Städten sowie in Privathäusern, illustrierte Bücher, machte Entwürfe für keramische Figuren und Majoliken für Villeroy und Boch Mettlach und Nymphenburg und lieferte Vorlagen für Kupfer-und Zinnarbeiten. Diez war tätig als Bühnenbildner und Kostümentwerfer. In den Zeitschriften „Jugend“ und „Simplicissimus“ sind von ihm zahlreiche Illustrationen zu finden. Julius Diez war von 1924 bis 1957 Professor für Historienmalerei an der Münchener Kunstakademie, deren zweiter Präsident er war. 1948 war er Gründungsmitglied der „Akademie der Schönen Künste.“
Seit 1998 ist die Neuburg im Besitz des Landkreises und betreibt dort seit 2003 eine Landgalerie in den Räumen, wo sich einstmals Zimmer des Künstlererholungsheimes befanden. Die Hoftaferne ist in Privatbesitz und wird von Pächtern bewirtschaftet.
Literatur:
Mitterwieser, Alois: Geschichts- und Kulturbilder aus der alten Grafschaft Neuburg ob Passau, Passau 1930
Hartleb, Wilfried: Die Neuburg. Adelssitz und Künstlerschloss am Inn. Illustrierte Geschichte eines Baudenkmals, Kultur im Landkreis Passau Band 50, Salzweg 2016
Fotos Wolfgang Hartwig, Rotthalmünster