2. Station: Die restaurierte Burgkapelle, geweiht dem „Eisheiligen“ St. Pankratius

2. Station: Die restaurierte Burgkapelle, geweiht dem „Eisheiligen“ St. Pankratius

Über dem Eingangsportal mit Segmentgiebel erhebt sich ein Kreuz von einer Dornenkrone umflochten, Attribut des Königs Ludwig IX, des Heiligen (1214-1270), der im Jahr 1237 die Dornenkrone erworben hat und die seit dem 19. Jahrhundert in Notre Dame verehrt wird.

Links und rechts die Namenspatrone des Grafen Georg Ludwig von Sinzendorf, hl. Georg und hl. Ludwig (König Ludwig IX.,

über der Türe Wappenstein des Passauer Fürstbischofs Kardinal Graf von Lamberg und des Hochstiftes Passau

Herzog Friedrich III. von Österreich (1440-1493), der seit 1440 römisch-deutscher König war, verpfändete und verkaufte 1463 die Grafschaft Neuburg mit den dazu gehörenden Burgen Neuburg, Wernstein, Neuenfels und Frauenhaus für 36.000 Taler an seinen Kammerherrn Hanns von Rohrbach (+1467) und erhob ihn in den Reichsgrafenstand mit dem Titel eines Grafen von Neuburg für seine treuen Dienste. Rohrbach war als persönlicher Berater in der Gestaltung der Politik von Friedrich III. eingebunden und weilte vornehmlich am Hofe Friedrichs in Wiener Neustadt und Graz.

In der kurzen Zeit von Hanns von Rohrbach wurde ab 1463 an die mittelalterliche Wehrburg militärtechnisch umgestaltet. Er ließ die Türme der Vorburg mit Schlüssel-scharten und Klappladen versehen. Damit waren sie den Möglichkeiten der Feuer-schützen angepasst, die mit leichten Handfeuerwaffen den angreifenden Feind fern-halten konnten.

Rekonstruierter Turm mit Schlüsselscharten und Klappladen

Hanns von Rohrbach verbesserte auch den Wohnkomfort der Neuburg, damit sie eines Edel- und Herrschaftssitzes würdig wurde, denn adeliges Wohnen und herr-schaftliche Repräsentation waren Rohrbach so wichtig wie die Verteidigung. So schuf Hanns von Rohrbach in der Hauptburg zahlreiche repräsentative Säle mit differen-zierten Netzrippengewölben der Spätgotik.

Burgkapelle St. Pankratius mit Barockaltar, Zeichnung um 1920

Hanns von Rohrbach erbaute auch die spätgotische Burgkapelle St. Pankratius. Der hohe kreuzgewölbte einschiffige Raum besitzt drei Joche, wobei das dritte Joch erst Ende des 15. Jahrhunderts angefügt worden ist.

Der Chor ist aus fünf Seiten des Achteckes geschlossen (Fünfachtelschluss) und ver-läuft in die Breite des Langhauses und ist drei Stufen über dieses erhöht.

Als Fünfachtelschluss (auch: 5/8-Schluss) bezeichnet man eine Variante des polygonalen Chorschlusses als Abschluss eines Chors in der Kirchenarchitektur. Von der im Grundriss als regelmäßiges Achteck angelegten Form werden fünf Achtel überbaut; die fehlenden drei Seiten des Achtecks bilden die Öffnung in Richtung zu Chorraum und Kirchenschiff.

Um 1960

Das Kreuz- bzw. Kappengewölbe besitzt reichprofilierte Rippen, die auf polygonen Wanddiensten ruhen. Im dreifenstrigen Chor, der über die Ostflucht der anstoßenden Gebäude vorspringt, wachsen die rein profilierten Rippen aus Laubwerkskapitellen hervor.

Laubwerkskapitell im Chorraum der Burgkapelle

Die Rippen der Kreuzgewölbe und des Kappenschlusses sind fein profiliert und werden im Schiff von halbachteckigen Diensten, im Chorpolygon von Blattkonsolen aufgefangen, die sorgfältig skulptiert sind. Die Schlusssteine sind tellerförmig.

fein profilierte Rippen

Schlussstein mit österreichischem Bindenschild vor der Restaurierung

Die Burgkapelle wurde in die Mitte des innseitigen Gebäudekomplexes hineingestellt. Die drei spitz-bogigen Fenster befinden sich im Schluss (Chor).

Die Apsis (Chor) ragt aus dem Baublock der innseitigen Gebäude heraus und ist von Wernstein aus deutlich zu sehen.

Die aus der Apsis herausragende Burgkapelle im Jahr 1676

Die aus der Apsis herausragende Burgkapelle im Jahr 1900

Die aus der Apsis herausragende Burgkapelle im Jahr 1950

Die Neuburger Burgkapelle ist dem „Eisheiligen“ Pankratius von Rom (* um 289 in Phrygien in der heutigen Türkei † um 304 in Rom) geweiht. Der frühchristliche Mär-tyrer gehört zu den 14 Nothelfern und ist Patron der Ritter und des Adels. An Adels-sitzen wurden ihm Kirchen geweiht.

Sein Gedenktag ist der 12. Mai. Durch diesen Termin zählt Pankratius zu den Eisheiligen. Da deren Gedenktage Mitte Mai gefeiert werden, werden sie mit den meist zu dieser Zeit im Mai auftretenden Nachtfrösten in Verbindung gebracht.

Attribute des hl. Pankratius: Herzogshut, Schwert, Palme

Patron von Rom; der Erstkommunikanten und Kinder, der Ritter, der jungen Saat und Blüte; für neue Vorhaben und gute Zukunft; gegen Meineid, falsches Zeugnis, Krämpfe, Hautkrankheiten, Kopfschmerzen

Pankratius und die Bauernregeln
  • Ehe nicht Pankratius, Servatius und Bonifatius vorbei, ist nicht sicher vor Kälte der Mai
  • Wenn’s an St. Pankratius gefriert / wird viel im Garten ruiniert
  • Mamertus, Pankratius, Servatius / stehn für Kälte und Verdruss
  • Pankratz und Servatius sind zwei böse Brüder, / was der Frühling gebracht, zerstören Sie wieder.
  • Pankratius und Servatius sieht man ungern, / denn dies sind zwei gestrenge Herrn!
  • Pankrazi, Servazi, Bonifazi / sind drei frostige Bazi, / und am Schluss fehlt nie / die kalte Sophie.
  • Pankratius hält den Nacken steif, / sein Harnisch klirrt vor Frost und Reif.
  • Georg und Markus ganz ohne Trost, / erschrecken uns sehr oft mit Frost;
  • Philipp und Jakobi / sind dann noch zwei Grobi; Pankraz, Servaz und Bonifazi / das sind erst drei Lumpazi; oft der Urban gar / ist streng fürwahr; und Peter und Paul, / die sind meist nur faul.
  • Pankratz und Urban ohne Regen / versprechen reichen Erntesegen.
  • Pankratz, Servaz, Baonifaz machen erst dem Sommer Platz.
  • Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist.
Das Fresko in der Burgkapelle mit dem Stifterpaar Hanns und Scholastika von Rohrbach

In der Burgkapelle ist rechts vom Eingang her gesehen ein 1,80 Meter hohes Fresko zu sehen, das das kniende Stifterpaar Hanns und Scholastika von Rohrbach mit Schriftbändern zeigt. Es wurde erst im Jahr 1920 freigelegt. Vom Ritter ist nur der unbedeckte Kopf mit Lockenhaar erhalten sowie der Oberkörper bis zur Mitte der Brust. Vor der Frauengestalt lehnt ein Wappenschild.

Links sitzt die heilige Maria mit hoher Bügelkrone auf einem Thron, von einem grünen und roten Baldachin überdacht. Wie sich Maria vorneigt, ist der Kopf mit den in hohen Spitzbögen geschlossenen zierlichen Bügeln der Krone ganz von anmutiger Hoheit beseelt. Dahinter steht der heilige Jakobus Major in grünem Rock, rotem Mantel und Pilgerhut, in der Linken hat er eine Muschel, die Rechte liegt schützend auf der Schulter des Ritters. Hinter der Frau zeigt sich die heilige Dorothea in rotem Kleid und grünem Mantel, in der Rechten hält sie einen Blumenkorb, die Linke be-rührt den Schleier der Frau.

Zwischen Jakobus und Dorothea steht der heilige Philippus in blauem gegürtetem Rock und weißem, über den Kopf geschlagenem Mantel.

Stifterpaar Hanns und Scholastika von Rohrbach, um 1465, Foto von 1920, rechts Foto 2020

Nach der Restaurierung, Aufnahme vom 14. Januar 2020 nach der Restaurierung

In der Linken hält er das Kreuz, auf das er mit der Rechten weist. Hinter Jakobus und Philippus stehen noch zwei Heilige, links ein Ritter mit Plattenharnisch mit der altertümlichen Kugelbrust und Fürstenhut mit rotem, weiß gefüttertem Mantel, in der Rechten hält er ein undeutliches Attribut. Wenn es eine Palme ist, dann ist es der hl. Pankratius. Wenn es Pfeil ist, dann ist es der hl. Sebastian.

Der heilige Johannes Baptista rechts daneben hat ein härenes Gewand aus Ross- und Ziegenhaaren an. Mit der linken Hand hält er ein geschlossenes Buch mit Lamm, auf das er mit der Rechten weist. Im Hintergrund hängt ein Brokatteppich über eine Stange herab, oben von zwei Engeln gehalten.

Das Wappen des Stifters Sigmund von Niederthor und die Fresken (1484) in der Burgkapelle

Kaiser Friedrich III. verkaufte die Neuburg um 1470 an seinen Kämmerer und engsten Vertrauten Sig-mund von Niederthor, Mitglied einer Tiroler Adelsfamilie, der außerdem in den 1490er-Jahren Mitglied des niederösterreichischen Regiments und Hauptmann der Wiener Burg war. Nach seinem Tod wurde Sigmund von Niedertor in der Pfarrkirche von Terlan beigesetzt. Sigmund von Niederthor er-weiterte die Kapelle im Jahr 1584 um das westliche Langhausjoch und stattete die Burgkapelle an der Chor-Südwand mit Fresken aus. Unterhalb der Fresken ist sein Stifterwappen zu sehen,

Wappen des Stifters Sigmund von Niederthor in der Burgkapelle mit einem Tor. Es ist ein redendes (sprechendes) Wappen, weil es auf den Namen des Inhabers anspielt (Niederthor, niederes Tor)

Wappen der Grafen von Niederthor: Zinnenturm mit Tor und offenen Torflügeln, die mit Scharnieren am Tor befestigt sind

Die künstlerisch wertvollen Fresken an der Chor-Südwand der Burgkapelle sind auf trockenem Putz mit nasser Kalktünche ausgeführt wurden (Fresko-Secco). Diese gotischen Wandmalereien wurden im Jahr 1920 von dem Restaurator Professor Joseph Schmuderer (1881-1964) freigelegt.

Die im Jahr 1920 freigelegten Fresken, Foto von 1920

Das große Wandbild zeigt oben zwei mit Alba und Stola bekleidete Engel, die im Spitz-bogenfeld schweben und das Schweißtuch der Veronika halten. Zuoberst im Scheitel des Spitzbogenfeldes kann man die Jahreszahl 1484 lesen.

Nach der Restaurierung, 15.März 2020

Jahreszahl 1484 im Spitzbogenfeld

Hl. Christophorus mit Jesuskind

Der 2,50 Meter große Christophorus ist die Hauptfigur des Freskos auf einem der breiten Schildbogenwände des Langhauses. Da einmal ein Fenster in die Wand einge-brochen wurde, ist die Figur nicht mehr vollständig erhalten. Der Heilige über-schreitet den Fluss, in der Rechten umfassen seine Hände einen Baumstamm als Stütze. Er trägt das Jesuskind, von dem nur der obere Teil noch vorhanden ist, auf der Schulter. Der Mantel flattert gebläht vom Wind.

Links unten kniet die kleine Gestalt eines Einsiedlers, in der Rechten eine Laterne, über die er schützend die Linke hält.

Einsiedler, nach der Restaurierung, Aufnahme vom 14.1.20

Heiliger Georg

Das von Lockenhaar umrahmte Gesicht des hl. Georg ist sorgfältig modelliert, von typischer spät-gotischer Zierlichkeit. Er erscheint völlig vergeistigt. Er trägt einen bläulich gefärbten Plattenharnisch und steigt nach links über den Drachen, mit beiden Händen die Lanze durch Kopf und Hals des Ungeheuers stoßend. Über dem Harnisch trägt er einen grünen, rot gefütterten flatternden Mantel, der die ganze Vorderseite der Figur freilässt. Als Hintergrund dient ein Teppich, der über eine Stange bis zum Boden herabhängt. Der blaue Grund hinter dem Teppich wird ober-halb von Rankenwerk gefüllt, ein Motiv, das an das Sprengwerk über den Heiligen auf gotischen Altarflügeln erinnert.

Heiliger Sebastian

Oben steht Sankt Sebastian, ebenfalls im Lockenhaar und in rotem, grün gefüttertem Mantel, der die nackte Brust sehen lässt, mit beiden Händen einen Pfeil haltend, der rechte Arm ist von einem Pfeil durchbohrt. Im Hintergrund hängt wieder über einer Stange ein Teppich vor blauem Grund, darüber schwache Spuren von Rankenwerk.

Apostelkreuz

Fünf gemalte Apostelkreuze (Weihekreuz, Konsekrationskreuz, lat. crux signata, ein aus gebogenen Linien gebildetes und von einem Kreis umschlossenes Kreuz, sog. Kreuznimbus) sind noch vorhanden, eines im mittleren Chorschluss, vier in je zwei Schildwänden des Landhauses, die Kreuze grün auf rotem Grund, mit roten Streifen und außen mit grünem Steifen rund umrahmt. Die Apostelkreuze markieren zu-sammen mit den Apostelleuchtern die Stellen, an denen die Wände der Kirche bei der Kirchweihe gesalbt wurden. Bemalt sind auch die Rippenkreuzungen und die Schlusssteine, zwei mit Rosetten. Die Rippenkreuzungen mit stilisiertem Blatt-muster, mit breiten Bändern dazwischen, bräunlich und blaugrau.

Nach der Restaurierung im Dez. 2019

Der barocke Hochaltar mit den Gemälden des hl. Blasius und der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm

Die Burgkapelle wird von einem großartigen Altar aus der Barockzeit beherrscht. Der schwarz-goldene Hochaltar wurden Mitte des 19. Jahrhunderts von dem damaligen Besitzer der Neuburg, Georg Wagner, aus der säkularisierten Ursulakirche des Spitals mit Leprosenhaus in Vilshofen erworben. Der Altar trägt die Jahreszahl 1686, das reich geschnitzte Antependium stammt aus dem Jahr 1744.

St. Blasius als Bischof besucht die Gefangenen im Gefängnis

Links Hl. Georg, rechts hl. Florian und hl. Georg beim Restaurieren

Der Altar wird von dem hl. Florian und dem hl. Georg flankiert. Im Giebel befindet ein Ölbild mit der Darstellung der gekrönten Jungfrau Maria mit Szepter und mit dem Jesuskind auf dem Arm, seitlich zwei Putten.

Nach der Restaurierung, 2. April 2020

Das Altarblatt zeigt St. Blasius, der zu den 14 Nothelfern gezählt wird, als Bischof in Pontifikalkleidung mit Bischofsstab. Assistiert von zwei Geistlichen wendet er sich in einem Gefängnis einem Gefangenen zu, den er von seiner Kette an seinem Hals befreit hat.

Der Gefangene deutet auf seinen Hals, der von einem Tuch bedeckt ist. Rechts neben dem Bischof sind zwei weitere Gefangene am Fußeisen festgekettet. Ganz unten be-findet sich ein weiterer Kerker mit Gefangenen.

Die Taufe Jesu, Monumentalgemälde von Carl Johann Becker- Gundahl (1856-1925) in der Burgkapelle

In den Jahren 1920/21 wurde ein monumentales Tafelgemälde von Carl Johann Becker Gundahl (1856-1925) an die linke Wand der Burgkapelle angebracht. Auf dem Gemälde ist die „Taufe Jesu durch Johannes den Täufer im Jordan“ dargestellt, das Becker Gundahl bereits 1913 gemalt hat. Das Bild zeigt Jesus, wie er im seichten Uferbereich des Jordan steht. Er scheint aber eher nicht im, sondern auf dem Wasser zu stehen. Seine Gestalt ist von einem großen weißen Tuch umhüllt, sein langes Haar ist blond und seine Augen sind blau. Rechts spendet ihm Johannes die Taufe, dessen hagerer Oberkörper nackt ist. Sein Rock wird von einem Gürtel gehalten. Johannes steht erhöht auf einem Stein. Sein Blick wendet sich Jesus zu, der die Hände inein-ander verschränkt hat.

Johannes hält in seiner linken Hand ein Kreuz, während er mit der rechten eine Muschelschale mit Wasser über dem Haupt des Heilands ausgießt. Links auf einer zusammengeballten Wolke stehend, wohnen zwei Engel, grün und rot gekleidet, mit feierlichem Ausdruck dem Taufgeschehen bei. Sie halten ein dunkelrot violettes Tuch bereit.

„Taufe“ Jesu von Carl Johann Becker-Gundahl in der Burgkapelle, 1913

Warum das Bild in die Neuburg kam, ist eine spannende Geschichte. Eigentlich war das Bild für die neubarocke Pfarrkirche St. Johannes Baptist in München-Solln vor-gesehen. Doch als der Künstler das Bild der Kirchenverwaltung präsentieren wollte, stellte man fest, dass es zu groß dimensioniert war, weshalb es von den Auftrag-gebern nicht angenommen wurde. Künstler und Kirchenverwaltung gaben sich gegenseitig die Schuld für die fehlerhaften Ausmaße. Der Maler wurde schließlich verpflichtet, das Bild noch einmal, diesmal etwas kleiner, auszuführen. Vertrags-gemäß schuf Becker-Gundahl noch einmal ein Bild zum gleichen Thema in der glei-chen künstlerischen Machart. Es befindet sich am Chorhaupt in der neubarocken Kirche St. Johann Baptist im München Solln, die von Franz Rank geplant und er-richtet wurde. In diesem Stadtteil hatte Becker- Gundahl sein Wohnhaus.

Um den Verdienstausfall für Becker-Gundahl zu kompensieren, erwarb Gustav Frei-herr von Kahr die ursprüngliche Version der Taufe Christi. Kahr war damals im bayerischen Innenministerium für die Denkmalpflege zuständig und Vorstandsmit-glied im 1902 gegründeten Landesverein für Heimatschutz.

Er war es auch, der als Vorstandsmitglied des Landesvereins für Heimatschutz maß-geblich die seit 1908 laufende Restaurierung der Neuburg vorantrieb. So kam auf Geheiß Gustav von Kahrs dieses ursprünglich für München-Solln bestimmte Bild in die Burgkapelle auf Schloss Neuburg.

Carl Johann Becker Gundahl (1856-1925), Dr. Gustav Freiherr von Kahr

Die religiöse Malerei und das monumentale Porträt gehörten zu seinem hauptsäch-lichen Arbeitsfeld.

Becker-Gundahl entwickelte einen Monumentalstil, der ihn zu einem der erfolgreichsten selbständigen Münchner Wandmaler seiner Zeit machte. Becker-Gundahl war bekannt durch seine sakralen Fresken in Kirchenräumen. Er war von 1910 bis 1924 Professor für Maltechnik an der Akademie der Bildenden Künste in München und somit Kollege von Franz von Stuck.B.-Gundahls künstlerische Ent-wicklung führte vom strengen Naturalismus zu einem aufgelockerten Impressionis-mus. In seinen dekorativen Arbeiten verrät sich der Einfluss des Schweizer Malers Ferdinand Hodler (1853-1918).

Eine große Freundschaft verband ihn mit Gustav Ritter von Kahr, weshalb auf Geheiß von Dr. Gustav von Kahr, dem großen Förderer der Restaurierung der Neuburg vor dem Ersten Weltkrieg, dieses Gemälde seinen Platz in der Burgkapelle von Schloss Neuburg gefunden hat.

Das Bildmotiv „Taufe Jesu durch Johannes der Täufer“

Das Bildmotiv „Taufe Jesu durch Johannes der Täufer“ hat Becker-Gundahl aus einer Reihe von Vorentwürfen entwickelt und sogar bereits fertige Ausführungen wieder verworfen.

Carl-Johann Becker-Gundahl , Taufe Jesu durch Johannes im Jordan“, Tempera auf Karton, 38 x 20 cm, oben gerundet, rückseitig Nachlassstempel, unter Glas im originalen Rahmen dieser ebenfalls mit Nachlassstempel, Gesamtgröße: 42,3 x 23,5 cm

Das farbintensive Gemälde in München Solln zeigt Jesus im Jordan stehend: Er hat die Hände vor seiner Körpermitte wie zum Gebet gefaltet. Johannes der Täufer, der auf einem Felsen am Ufer steht, übergießt sein Haupt mit dem reinigenden Wasser. Über ihnen öffnet sich der Himmel. Umgeben von weißem Gewölk, schwebt, von einem gelben Grund hinterfangen, der hl. Geist in Gestalt einer die Taube über den Häuptern von Täufer und Täufling. Engel sind auf einer Wolke vom Himmel herab-gekommen und halten ein Spruchband. Den Hintergrund des in drei Ebenen dargestellten Geschehens bildet eine felsige, bewaldete Flusslandschaft. Die schlan-ken Gestalten und die flächenornamentale bunte Ausgestaltung der Landschaft im Hintergrund verweisen auf den Münchner Jugendstil.

„Taufe Jesu“ von Carl Johann Becker-Gundahl in der neubarocken Pfarrkirche St. Johann in München-Solln (1915), 4 x 2,5 m

Kirche St. Johann Baptist im München Solln mit dem Bild von der Taufe Jesu durch Johannes der Täufer im Jordan, rechts der ursprüngliche neubarocke Hochaltar mit dem Bild bis zur Renovierung im Jahr 1966

Das Passionsgemälde „Stabat Mater“ von Georg Urtlmayr in der Burgkapelle, um 1675

Stabat Mater von Georg Urtlmayr

Georg Urtlmayr (+1689) lieferte in den Jahren 1674 und 1675 im Auftrag des Grafen Georg Ludwig von Sinzendorf neun Passionsbilder und vierzehn Kreuzwegbilder für die Burgkapelle.

Eines dieser Bilder ist noch in der Burgkapelle vorhanden, das von dem Passauer Maler Georg Urtlmayr gemalte „Stabat Mater“. Im rechten Bildrand ist die Mater Dolorosa (lat. schmerzensreiche Mutter“ auch „Schmerzensmutter“), stehend darge-stellt. Sie blickt leidend zum Himmel mit einem Schwert in der Brust. Ihr gegenüber ist der leidende Jesus nach der Geißelung zu sehen. In der Mitte ist das von zwei Putten aufgerichtete Kreuz zu sehen.

In der Mystik haben sich die Gläubigen intensiv in die Leidensgeschichte versenkt. Sie erlebten dabei bis ins Einzelne die Passion Jesu und die Angst und die Schmerzen seiner Mutter, die zum Vorbild des Mit- Erleidens wird. Daraus erwachsen Bilder, bei denen ihr Schmerz eindringlich gemacht wird.

Biblische Grundlage ist vor allem das Seherwort des greisen Simeon an Maria bei der Darstellung des Herrn im Tempel (Mariä Lichtmess): „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,35 EU). Hierauf bezieht sich die christliche Ikono-graphie mit dem Bild der Mater Dolorosa, der als Symbol des Schmerzes ein Schwert in die Brust dringt.

Das Bild der stehenden Mater Dolorosa entwickelte sich schon in der im Mittelalter und bezieht sich direkt auf das aus dem 13.Jahrhundert stammende Gedicht Stabat mater.

Das Stabat mater (nach dem Gedichtanfang Stabat mater dolorosa) ist ein mittelalterliches Gedicht, das die Mutter Jesu in ihrem Schmerz um den gekreuzigten Jesus als zentralen Inhalt hat und die Gottesmutter in ihrem Schmerz um den Gekreuzigten besingt. Der spirituelle Gehalt kreist um die Leidensgeschichte Jesu, an der Maria nach dem Zeugnis der Bibel (Johannes 19,25ff) unter dem Kreuz stehend Anteil nimmt. Sie wird so zum Vorbild in der „compassio“, dem Mitleiden mit ihrem Sohn.

Bilder und Affekte des Gebets sind von großer Eindringlichkeit und Ausdruckskraft, weil das Thema des Leidens Christi in geradezu leidenschaftlicher Weise in Erinnerung gerufen wird und der Beter sich selbst in das Geschehen auf Gologatha hinein meditiert. Am Ende steht die Hoffnung auf Erlösung durch Christi Leiden, Sterben und Auferstehen.

1521 fand das Stabat Mater Eingang in das Missale Romanum, wurde aber wie fast alle Sequenzen nach dem Konzil von Trient im Gottesdienst nicht mehr tradiert. 1727 wurde es bei der Einführung des Festes des Gedächtnisses der Schmerzen Mariens in den Missale und in das Brevier aufgenommen und gehört seither wieder zur katholischen Liturgie.

Einen besonderen Ort hat Stabat Mater am 15. September, dem Gedächtnis der Schmerzen Mariä. Das Stabat Mater ist gleichsam ein poetisch und zudem musika-lisch gestalteter Blick auf die Passion Christi aus der Perspektive seiner Mutter Maria. Die bekannteste deutsche Übertragung des Stabat mater stammt von Heinrich Bone.

Viele Komponisten ließen sich deshalb durch die Worte des Stabat Mater inspirieren und legten häufig auch ihre eigene Marienfrömmigkeit in das Werk hinein: von Palestrina über Scarlatti sowie Joseph Haydn, Gabriel Rheinberger, Antonin Dvorak und Gioacchino Rossini bis zu neueren Werken, etwa von Francis Poulenc, Arvo Pärt oder Wolfgang Rihm und Knut Nystedt.

Das bereits im 18. Jahrhundert berühmteste und bis heute oft aufgeführte Stabat Mater ist jenes von Giovanni Battista Pergolesi (1710–1736), das den Leipziger Thomaskantor Johann Sebastian Bach so überzeugt hat, dass er die gesamte Komposition zu einer deutschen Kirchenkantate mit dem Titel „Tilge, Höchster, meine Sünden“ umgearbeitet hat.

Im 20./21. Jahrhundert finden viele Komponisten neue Ausdrucksformen für die Fülle der Emotionen, die ihnen im Stabat Mater begegnet. Sie nehmen die alten Worte als Grundlage neuer musikalischer Werke, die in ihrer Sinnlichkeit zum Hören, in ihrer Stimmigkeit zum Nachdenken und in ihrer Expressi-vität zum Glauben anregen können.

In deutscher Übertragung finden wir im Gesangbuch „Gotteslob“ unter der Nummer 532 “ das Stabat Mater „als Übersetzung in Reimen von Heinrich Bone, 1847 : Christi Mutter stand mit Schmerzen

Stabat mater dolorosa
Iuxta crucem lacrimosa,
Dum pendebat filius.
Cuius animam gementem,
Contristatam et dolentem
Pertransivit gladius.

Christi Mutter stand mit Schmerzen
bei dem Kreuz und weint von Herzen,
als ihr lieber Sohn da hing.
Durch die Seele voller Trauer,
schneidend unter Todesschauer,
jetzt das Schwert des Leidens ging.
Welch ein Schmerz der Auserkornen,
da sie sah den Eingebornen,
wie er mit dem Tode rang.
Angst und Jammer, Qual und Bangen,
alles Leid hielt sie umfangen,
das nur je ein Herz durchdrang.

Ist ein Mensch auf aller Erden,
der nicht muss erweichet werden,
wenn er Christi Mutter denkt,
wie sie, ganz von Weh zerschlagen,
bleich da steht, ohn alles Klagen,
nur ins Leid des Sohns versenkt?

Ach, für seiner Brüder Schulden
sah sie ihn die Marter dulden,
Geißeln, Dornen, Spott und Hohn;
sah ihn trostlos und verlassen
an dem blutgen Kreuz erblassen,
ihren lieben einzgen Sohn.
O du Mutter, Brunn der Liebe,
mich erfüll mit gleichem Triebe,
dass ich fühl die Schmerzen dein;
dass mein Herz, im Leid entzündet,
sich mit deiner Lieb verbindet,
um zu lieben Gott allein.

Drücke deines Sohnes Wunden,
so wie du sie selbst empfunden,
heilge Mutter, in mein Herz!
Dass ich weiß, was ich verschuldet,
was dein Sohn für mich erduldet,
gib mir Teil an seinem Schmerz!

Lass mich wahrhaft mit dir weinen,
mich mit Christi Leid vereinen,
so lang mir das Leben währt!
An dem Kreuz mit dir zu stehen,
unverwandt hinaufzusehen,
ist’s, wonach mein Herz begehrt.

O du Jungfrau der Jungfrauen,
woll auf mich in Liebe schauen,
dass ich teile deinen Schmerz,
dass ich Christi Tod und Leiden,
Marter, Angst und bittres Scheiden
fühle wie dein Mutterherz!

Alle Wunden, ihm geschlagen,
Schmach und Kreuz mit ihm zu tragen,
das sei fortan mein Gewinn!
Dass mein Herz, von Lieb entzündet,
Gnade im Gerichte findet,
sei du meine Schützerin!

Mach, dass mich sein Kreuz bewache,
dass sein Tod mich selig mache,
mich erwärm sein Gnadenlicht,
dass die Seel sich mög erheben
frei zu Gott in ewgem Leben,
wann mein sterbend Auge bricht!

Nischengehäuse für eine Dornenkrone- Reliquie

Neben dem Altar ist in der Chorwand ein aus verschiedenfarbigem Marmor gefer-tigtes Nischengehäuse für eine Dornenkrone – Reliquie eingelassen (nach 1600).

Verspottung Jesus

Jesus von Nazareth ist sitzend mit verbundenen Augen dargestellt. Seine Hände und Arme sind mit einem Seil gefesselt. Umringt wird er von drei Folterknechten, der eine hat die Faust erhoben, um auf den Gefesselten einzuschlagen. Von rechts tritt ein Mann hinzu, der mit seiner rechten Hand den im Zuschlagen begriffenen Folter-knecht zurückhält

Das Oratorium

Die Restaurierung

Das Oratorium

Fresken um 1480, hl. Christopherus, hl. Sebastian, links Schimmelbildung durch eindringende Nässe im Gewölbe 2016, rechts nach der Restaurierung 2019

Voruntersuchungen zum Bauwerk und zur Raumschale der Schlosskapelle, ein-schließlich der Wandmalereien, stellten eindringende Feuchtigkeit durch die un-dichte Dachhaut und einen lädierten Dachstuhl fest. Risse waren auch in den Ge-wölben und Wänden aufgetreten. Aufsteigende Feuchtigkeit, ein mangelhaftes Fundament und Anobienbefall bei Altar und Gestühl ergänzten das Schadensbild. Auch die Ausstattungsgegenstände waren sehr geschädigt. Die in den Wandputz ein-dringende Feuchtigkeit ließ die gemalte Architekturgliederung nur noch schemen-haft erkennen.

Die Ausführung einer neuen Bodenplatte war vordringlich. In weiten Teilen konnte der Boden aufgenommen und die neue Platte unterhalb der jetzigen Oberfläche aus-geführt werden, im Altarraum jedoch war der schwere Hochaltar abschnittsweise zu unterfangen und die neue Bodenplatte Stück für Stück auszuführen. Auch das Dach-tragwerk musste repariert werden.

Maßnahmen: Sanierung des einsturzgefährdeten Tonnengewölbes unter dem Altarbereich und des Gewölbes im Kirchenraum, Bodenplatte aus Beton (15 cm dick und 26 Tonnen schwer) über dem Tonnengewölbe bis tief in die Mauern, um die Außenwand zu halten, Verankerung des Dachstuhles, Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden, Generalrestaurierung des Altares mit Hochaltarbild St. Blasius, Restaurierung der Wandmalerei und Sanierung der gesamten Raum-schale.

Bauplan für die Arbeiten an der Bodenplatte zur Sicherung des Tonnengewölbe

Statische Sicherungsmaßnahmen, Zugseile zur Sicherung der Kapellenapsis

„Taufe“ Jesu von Carl Johann Becker-Gundahl in der Burgkapelle, 1913

23.Dezember 2020