Die Sprache der Weihnachtskrippe
Die Sprache der Weihnachtskrippe
Der heilige Franz von Assisi (1181-1226) gilt für viele als Wegbereiter der Krippe. Er kam im Jahr 1223 auf die zündende Idee, mit einer Krippenfeier die Weihnachtsliturgie auszuschmücken, um den Menschen das wundervolle Mysterium der Geburt Christi anschaulich nahebringen, wie es von den Evangelisten und in den apokryphen Evangelien erzählt wird. Er entwickelte eine ganz eigene Art, die Verkündigung des Weihnachtsevangeliums neu zu denken und ließ im Wald von Greccio in den Bergen Umbriens den Stall bzw. die Geburtsgrotte von Bethlehem mit Heu, Stroh, Ochs und Esel nachbilden. Diese Szenerie in der Natur sollte den Menschen vor Augen führen, in welcher Armut und Schwachheit der Sohn Gottes in diese Welt gekommen ist.
Die Krippe (chrippa,crippa) ist ein altdeutsches Wort und bezeichnet die Grube, den Futtertrog oder den Korb zur Fütterung der Haustiere. Seit 1625 wurde das Wort Krippe zum Überbegriff der Krippenlandschaft, wo Figuren in ihren Kostümen das weihnachtliche Heilsgeschehen der Gottesgeburt erzählen und auf die Betrachtenden eine große Wirkung erzielen.
Wie in einer szenischen Aufführung eines Bühnenstücks folgen die ausdrucks-starken kostümierten Figuren in ihren Gebärden und Gesten einer Choreografie, die sich in der Frömmigkeitsgeschichte des Abendlandes über Jahrhunderte so entwickelt hat.
Zentrale Figur einer Weihnachtskrippe ist der auf die Erde gekommene Gottes-sohn, der in der Krippe liegt oder von Maria auf ihrem Schoß getragen wird. Mit dem Christuskind bricht „der neue Tag“ an und „die Macht der Finsternis“ wird überwunden. Nachdem das Konzil von Ephesos (431) für Maria die Würde-bezeichnung Gottesgebärerin (Theotokos) formuliert und die Jungfrauengeburt für verbindlich erklärt hat, bekommt die Gottesmutter als Mittlerin und Für-sprecherin der Menschen vor Gott einen festen Platz an der Krippe und rückt immer mehr ins Zentrum.
Wie bei allen Mariendarstellungen üblich ist die Gottesgebärerin in ein blaues Gewand gehüllt. Die Farbe Blau verknüpft als Zeichen des Himmels Göttliches und Irdisches und verkörpert Glauben, Wahrheit, Reinheit und Treue.
Dass Joseph nicht der Vater und das Jesuskind sein „Mantelkind“ (Schutz-befohlener) ist, wird in der Krippe stets durch einen braunen Mantel oder Umhang verdeutlicht, auch ein Zeichen der Demut des „Ziehvaters“. Er steht in allen Krippen auf der Epistelseite, vom Betrachter her gesehen rechts.
Ochs und Esel sind mehr als nur Zubehör und Dekoration einer idyllischen Weih-nachtsszenerie. Sie sind Zeichen der erkennenden, anbetenden und dienenden Gemeinschaft aller Gläubigen. Zu biblischen Zeiten spielten Ochs und Esel eine zentrale Rolle. Die Ochsen wurden zum Pflügen und Ernten eingesetzt und sie waren Opfertiere. Der Esel war Reit- und Arbeitstier, es konnte den Pflug ziehen, den Mühlstein drehen, und in Eselskarawanen wurden Waren transportiert. Doch ist schon in allen mit der Heilsgeschichte zusammenhängenden biblischen Berichten von Mose, Samuel bis zum Jesu Einzug in Jerusalem von einer Eselin die Rede. Auch bei der Flucht nach Ägypten, um das Kind vor den Mordplänen des König Herodes in Sicherheit zu bringen, sitzen Maria und das Jesuskind auf einer Eselin. Alle göttlichen Kinder der mythischen Welt werden von Tierammen behütet wie Romulus und Remus von einer Wölfin. Ochse und Esel blicken zum neugeborenen Jesus in die Krippe und werden zu Zeugen der Geburt des Er-lösers. Typologisch – gleichnishaft stehen sie als erste Zeugen des Weihnachts-geschehens an der Krippe, noch bevor die jüdischen Hirten und die heidnischen Magier das Kind anbeten. Die junge Kirche sieht in Ochs und Esel eine Erfüllung alttestamentlicher Weissagungen des Propheten Jesajas: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.“ (Jes 1,3).
Ochs und Esel sind bedeutungsvolle Akteure der Geburtsgeschichte Jesu, obwohl sie weder bei Lukas (Lk 2,1–20) noch bei Matthäus (1,25) vorkommen. Lukas erwähnt zwar die Futterkrippe, jedoch keine Tiere.
Die frühesten Darstellungen des Weihnachtsgeschehens münden in das nach 600 entstandene Pseudo-Matthäus-Evangelium, eine Ausschmückung der Geburtsgeschichten des Matthäus- und des Lukasevangeliums, das in Kapitel 14 berichtet: „Am dritten Tag nach der Geburt des Herrn verließ Maria die Höhle und ging in einen Stall. Sie legte den Knaben in eine Krippe, und ein Ochse und ein Esel beteten ihn an. Da ging in Erfüllung, was durch den Propheten Jesaja gesagt ist: „Es kennt der Ochse seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.“
Die Kirchenväter Ambrosius, Augustinus und andere haben den Ochsen als Symbol des Judentums, den Esel als Sinnbild des Heidentums gedeutet. Der Ochse ist oftmals mit einem Joch dargestellt, welches das jüdische Gesetz symbolisiert. Das Judentum erkennt zwar seinen Herrn an, erkennt ihn aber nicht in dem Jesuskind, während sich die Heiden dem richtigen Glauben zuwenden.
In der volkstümlichen Krippenkunst kommen die Hirten groß zur Geltung, die in der Nähe Bethlehems auf dem Feld bei ihren Herden übernachten. Sie sind die Lieblinge Gottes. Ihnen verkündet der Erzengel Gabriel, der Thronwächter und Vertraute Gottes, zu dem sich die Menge der himmlischen Heerscharen gesellt, die Geburt des Heilands der Welt. Dieser Engelsjubel, der auf jeder Krippe als Schriftband zu lesen ist, überstrahlt die ganze Weihnachtsgeschichte: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ (Lk.2,8-16).
Die Hirten, die vor der Lichtgestalt des Himmels erschrecken, sind die ersten, die als Vertreter der auf Erlösung wartenden Menschen zu dem in Windeln gewickelten Jesuskind in der Krippe herbeieilen und dieses Erlebnis auch anderen Menschen mitteilen. Dass die Hirten auch Gaben darbringen, zeigt eine besonders gefühlsbetonte Beziehung zum Jesuskind, die der franziskanischen Frömmigkeit entstammt. Manchmal sieht man in einer Krippe Hirten, die die Schalmei, das alte Volksinstrument der Hirten spielen. Auch ist das „Fatschenkind“ (lat. Fascia= Wickel) in den mit roten und blauen Bändern kreuzweise umhüllten weißen Windeln bei Krippen sehr beliebt.
In der von den Krippenbauern wie ein Bühnenraum arrangierten Krippen-landschaft wird das Hirtenfeld, der Wiesengrund am Waldrand, von Menschen und Tieren bevölkert. Die Schafe gehören zur Krippe, wie der Hund als Wächter und treuer Hüter zur Herde.
Als hellfarbiger Hund zeigt er Glück und Gutes an, der hässliche, dunkelfarbige, struppige Köter (Hadeshund) dagegen ist Sinnbild des Heidentums und der unerlösten Welt. Lamm und Schaf sind die Attribute des Johannes der Täufer, der in Christus den von den Propheten des Alten Testaments geweissagten Messias sah und ihn taufte.
Er gab Jesus die Bezeichnung „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg-nimmt“ (Joh.1,29-34). Lamm und Schaf sind so Symbole für Christus den Messias selbst. Der gute Hirte kennt die Schafe und ruft sie einzeln beim Namen. Sogar bis zur Hingabe des eigenen Lebens „gibt der gute Hirte sein Leben hin für die Schafe“ (Joh. 10, 3,11,14). Zur Krippe gehören auch andere Tiere (Ziegen, Steinböcke, Hühner, Rehe, Singvögel), die die belebte Natur in der ländlichen Umgebung bezeugen. Die herrschaftlichen Elefanten, Kamele und Pferde sind zu Lieblingen der Krippenbauer geworden, sie bringen das Exotische, Fremde, Wunderbare, Andere zum Ausdruck.
In keiner Krippe fehlt die rätselhafte Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland, die gehorsam dem Stern folgen, wie der Evangelist Matthäus (2,1-12) berichtet.
Ihre Anzahl wird nicht erwähnt, aber da sie dem Jesuskind in den Gefäßen aus edlem Metall und Edelsteinen drei Geschenke, Gold, Weihrauch und Myrrhe, bringen, sind es drei Männer, eine Dreizahl, die sich in der Dreieinigkeit Gottes manifestiert.
Seit dem 10. Jahrhundert werden sie mit Kronen dargestellt. Nun sind sie die „Heiligen Drei Könige“ und werden Caspar, Melchior und, Balthasar genannt. Mit ihren kostbaren Gewändern in Rot, Blau und Gold, den Farben der Dreifaltigkeit, und den Kamelen und Elefanten bringen die huldigenden Magier orientalische Pracht in jede Krippe, und der Zauber von Fremde und Reichtum breitet sich aus.
Sie stehen dabei stellvertretend für die ganze Menschheit und zeigen die Vermählung der armen mit der reichen, der heidnischen mit der christlichen Welt. Da man sie im Mittelalter mit den damals bekannten drei Erdteilen Europa, Asien und Afrika identifizierte, erscheint einer der drei als dunkelhäutiger König, im Volksmund Mohr genannt.