Fritz Klier – Ich habe meine Vorurteile
Fritz Klier – Ich habe meine Vorurteile
Es ist immer wieder die Kunst, die den Menschen berührt, bewegt, aufschreien oder still werden lässt. Kunst schenkt Augenblicke tiefen Durchatmens, des Sehens, des Ertastens, der Fragestellung und der Besinnung sowohl auf die eigene momentane Verfassung als auch auf die Ausrichtung und Zielsetzung des eigenen Lebens.
Es sind die wahren Künstler, die sich bemühen, ihrer Zeit in ihren Erscheinungen und Äußerungen, ihren Hoffnungen und Sehnsüchten auf die Spur zu kommen, die die Fülle wie auch die Leere des gesellschaftlichen Lebens entdecken. Zeitgenössische Kunst nimmt den Menschen in seiner Zeit- und Lebenssituation in den Blick.
Sie lässt sich auf die Sprache und Verständnismöglichkeit der Gegenwart ein und verliert nie den Bezug zu den Menschen, für die sie geschaffen ist. Der Künstler gräbt nach den Wurzeln seiner Zeit und ihres Geistes bzw. Ungeistes und nach den Wurzeln der Kräfte, die den Menschen in seinen Einstellungen, Entscheidungen und Entwicklungen bestimmen.
Der Künstler betrachtet deren Auswirkungen und übersetzt diese Überlegungen in seine persönliche künstlerische Bildsprache. Künstler wie Fritz Klier, die sich als gereifte Künstlerpersönlichkeiten von jedweder autoritärer Einschüchterung befreit haben, waren nie »Nachäffer« und »Erwartungserfüller« und sind gegenüber Autoritäten noch nie »zu Kreuze gekrochen«.
Wenn Fritz Klier diesem Bilderzyklus den Titel »lch habe meine Vorurteile« gibt, dann steht dahinter die Absicht, sich ohne Clownerie und Possenreißerei mit den Erscheinungsformen der modernen Gesellschaft, ihren großen und kleinen Skandalgeschichten auseinanderzusetzen und sie zu hinterfragen. Damit entlarvt Klier die Effekte der Macht und Ohnmacht, die unsere bürgerliche Welt durchziehen und unsere Gesellschaft mitunter zu einem Tollhaus werden lassen.
Kliers Zeichnungen sind keine Anbiederungs- und Ergebenheitsnummern gegenüber dem Zeitgeist und dessen diffusen Wertvorstellungen. Wenn Klier spießbürgerliche Verhaltensweisen spöttisch parodiert und aufgeblasene wichtigtuerische Scharlatane vergackeiert, dann spricht er nicht aus der Rolle des Besserwissers, der immer auf der Suche nach dem verlorenen Paradies ist und dem der Traum von der heilen Welt abhanden gekommen ist.
Im Gegenteil: sein Rütteln an der kontrollierten Statik der bürgerlichen Gesellschaft und ihren eingerosteten Dogmen sind in ihrer entwaffnenden Selbstironie ein Beispiel eines mutig-satirischen, gesellschafts-politisch engagierten Aufbegehrens gegen das Establishment, das seine Macht und seinen Einfluss auf subtile Weise zu sichern versucht. In ihrer Ernsthaftigkeit und Aktualität sind Kliers Zeichnungen keine risikolosen Augenzwinker-Kunstwerke für den oberflächlichen Event, nein, sie wollen aufrütteln und provozieren und damit nachhaltig auf unser Verhalten im gesellschaftlichen Miteinander Einfluss nehmen. Der Künstler Fritz Klier legt für den Betrachter jedoch auch eine Spur zu eigenen Lebensreflexionen, ohne ihn zu zwingen, dieser Spur zu folgen. Es liegt an uns, diese ausgelegte Spur in Kliers Zeichnungen zu erkennen, sie zu deuten und auf die eigenen Lebensverhältnisse zu beziehen.
ISBN: 978-3-939723-21-9