Garten Kultur Im Passauer Land
Im Reich Der Sinne
Gärten Und Parkanlagen Im Passauer Land Und In Böhmen
Im Passauer Land gibt es zahlreiche historische Gärten, Bauerngärten, spirituelle Gärten, moderne Parkanlagen und liebevoll gestaltete Privatgärten. Als lebendiger und wichtiger Bestandteil der Kultur sind sie Spiegel ihrer Zeit. Als Kunstwerke sind diese Gartenparadiese wahre Schätze für die Sinne.
Der Garten ist Keimzelle jeder Kultur. Alle Schöpfungsgeschichten beginnen damit, dass eine göttliche Kraft eine blühende Oase für den Menschen schafft. In der heutigen Zeit gehören Gärten zu unserem Freizeit-, Bildungs- und Kulturleben. Besonders historische Gärten haben für das Lebensgefühl des modernen Menschen in einer künstlicher werdenden Welt einen hohen Stellenwert. Das Thema Garten entspricht der Sehnsucht des Menschen, sich kleine Paradiese als liebevoll gestaltete Rückzugsorte zu gestalten.
Die Kulturgeschichte des Passauer Landes ist geprägt von Passau als Sitz eines Fürstbischofs und seinem Hochstift, dem Kurfürstentum Bayern, den zahlreichen Klöstern, der evangelisch-lutherischen Reichsgrafschaft Ortenburg, der Grafschaft Neuburg am Inn, die bis 1803 zum Habsburger Herrschaftsbereich gehört hat, sowie den Flüssen Donau und Inn als bedeutende Handelsstraßen. Die Säkularisation im Jahr 1803 bedeutete das Ende der Klöster, des Hochstifts Passau und der beiden Grafschaften Ortenburg und Neuburg am Inn.
Heute umfasst diese Territorien der Großlandkreis Passau, der mit der Gebietsreform von 1972 die Landkreise Passau, Wegscheid, Griesbach und Vilshofen zusammenschloss.
Der Landkreis Passau präsentiert auf der Landesgartenschau 2014 in Deggendorf seine reiche Gartenkultur und sein gartenkünstlerisches Erbe. Stellvertretend für die Gartenkultur im Passauer Land sind der Paradiesgarten mit seinen Gartenfiguren und die farbenprächtige Grotte auf Schloss Neuburg zu Gast auf der Landesgartenschau. Diese bedeutenden Zeugen barocker Gartenkunst sollen auf das reiche gartenkünstlerische Erbe unserer Klöster und Schlösser hinweisen.
Die Gartenkultur hat sich nie von Grenzen aufhalten lassen. Sie ist ein Beispiel für die kulturellen Verbindungen über Ländergrenzen hinweg. Deshalb ist auch der Schlossgarten in Krumau in unserem Nachbarland Tschechien eingebunden. Ziel ist eine nachhaltige kulturtouristische Inwertsetzung und Vernetzung der Gärten und Parkanlagen im Passauer Land und Böhmen.
Franz Meyer,
Landrat des Landkreises Passau
Schloss Neuburg
Paradiesgarten Mit Grotted In Böhmen
Die Neuburg, die sich seit 1998 im Besitz des Landkreises Passau befindet, ist eine der prächtigsten Burganlagen im ostbayerisch oberösterreichischen Grenzraum. Sie wurde im 11. Jahrhundert von der hochadeligen Grafenfamilie der Vornbacher gegründet und entwickelte sich zum Mittelpunkt einer Adelsherrschaft, der Grafschaft Neuburg. Sie erhebt sich über dem Steilufer des Inn, der im Mittelalter eine belebte europäische Wasserstraße war.
Durch den Passauer Friedensschluss von 1310 kam die Grafschaft Neuburg in den Besitz der Habsburger Herzöge. Der kunstsinnige Graf Niklas von Salm (1503-1550), Oberstkämmerer am Hofe König Ferdinands I. (1503-1564) verwandelte um 1530 die mittelalterliche Wehranlage in ein Gartenschloss mit Arkadenhof und Wildbad im Stile der Frührenaissance. Baumeister war Wolf Huber (1485-1553), einer der bedeutendsten europäischen Zeichner.
Graf Georg Ludwig von Sinzendorf (1616-1681), Hofkammerpräsident am Hofe Kaiser Leopolds I. (reg.1658-1705), machte die Neuburg und ihre weitläufigen Gartenanlagen zu einem Abbild seiner barocken Prachtentfaltung, seines Repräsentationsstrebens und seiner Glaubensinszenierung. Die Neuburg wurde zu einem Aufsehen erregenden religiösen Kultort mit einem Kalvarienberg, Kreuzwegstationen und Eremitorien, die sich hangabwärts bis zur Mariensäule bei der Burg Wernstein auf der anderen Innseite erstreckten.
Allein der Paradiesgarten erinnert noch an die Pracht der ehemals weitläufigen barocken Gartenanlagen. Er wirkt mit seiner farbenprächtigen Gartengrotte, die den Triumph der Kunst über die Natur zum Thema hat, wie ein Festsaal unter freiem Himmel.
Callot Figuren
Musikanten Und Komödianten
Im Neuburger Paradiesgarten sind acht sog. Callotfigurenaufgestellt. Es sind zwergenhafte Musikanten und Komödianten männlichen Geschlechts.
Sie gehen auf die Radierfolge der „Gobbi“ des französischen Zeichners und Kupferstechers Jacques Callot (1592-1635) zurück, die er im Jahr 1616 am toskanischen Hof schuf. Die 20 Kupferstiche unter dem Titel„Varie Figure Gobbi“ (Gabbo=Buckel) sind eine Folge von kleinformatigen Radierungen von zwergenhaften Krüppeln, die als Trinker, Duellanten, Bettler, Musikanten, Dickbäuchige und Bucklige dargestellt sind. Zwerge werden in zahlreichen Mythen, Märchen und Legenden in allen Kulturen als Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten und im Besitz großer Schätze dargestellt.
Um 1710 wurden in Lustgärten Gartenskulpturen in Zwergengestalt modern. Bildhauer benutzten aber nicht die originalen Stichvorlagen Callots, sondern nachempfundene Kopien und Interpretationen seiner Figuren, die um 1710 in Augsburg erschienen. Diese Folge von 50
Kupferstichen trug den Titel „Il Callotto resuscitato. oder Neü eingerichtes Zwerchen Cabinet.“
Jeder Schlossbesitzer wollte für seine Parkanlagen solche grotesken Figuren besitzen, die man immer Callotfiguren nannte. Die Neuburger Callotfiguren wurden wahrscheinlich von Sebastian Stumpfegger (1670-1749) geschaffen, der dem Salzburger Bildhauerkollektiv angehörte.
Im Neuburger Paradiesgarten stehen acht Callotfiguren, die der Tittlinger Bildhauer Karl Mader (1926-2004) im Auftrag des Förderkreises Neuburg am Inn e.V. aus Granit nachgeschaffen hat.
Die vier Callotfiguren, die in der Landesgartenschau in Deggendorf 2014 präsentiert werden, sind die Originalfiguren aus der Zeit um 1710.