Maler, Illustrator und Arrangeur

Maler, Illustrator und Arrangeur

Hermann Stockmann zum 80. Todestag – Bruder Konrad zum 200. Geburtstag

Eigentlich sollte dieser Aufsatz nur Hermann Stockmann gelten, der 1867 in Passau geboren wurde, hier seine Kindheit verbracht hat und vor genau 80 Jahren in Dachau gestorben ist. Als Kunstmaler, Zeichner, Grafiker, Museumsmann, Heimatkundler, Naturschützer und Arrangeur von Festzügen hat er nachhaltige Spuren in der Kulturgeschichte Bayerns hinterlassen. Zu seinen Lebzeiten machten Zeitschriften und Bücher sein künstlerisches Wirken einem breiten Publikum bekannt, heute scheint er fast vergessen zu sein.

Stockmann war mit dem Passauer Kunstvereinspräsidenten Dr. Max Heberle (1864–1927) und dessen Frau Irene (1878–1949) eng befreundet, deren Haus in Passau an der Gewerbehalle (Ludwigstraße 1) kultureller und gesellschaftlicher Mittelpunkt von Künstlern, Schriftstellern und Gelehrten war. In diesem Haus wurde auch die Rettung der Neuburg vor dem Abriss in die Wege geleitet und der Kontakt zu dem 1902 gegründeten Münchener Landesverein für Volkskunst und Volkskunde gesucht, in dem Stockmann ein führendes Mitglied war. Er war es auch, der im Juni 1914 den großartigen Festtag für König Ludwig III. auf der Neuburg organisiert hat, die als Künstlererholungsheim wieder auferstehen sollte.

Das Kinderbüchlein „Vom lieben Bruder Konrad“

Bei seinen Literaturrecherchen stieß der Autor auf ein bislang unbekanntes Büchlein aus dem Jahr 1931, das vom Leben Bruder Konrads handelt und von Hermann Stockmann illustriert wurde. So fügt es sich, dass die Würdigung des Künstlers auch den dritten Passauer Diözesanheiligen miteinschließt, den Papst Pius XI. 1934 zur Ehre der Altäre erhoben hat und dessen 200. Geburtstag heuer groß gefeiert wird. Das Werk trägt den Titel „Vom lieben Bruder Konrad, Den Kindern erzählt von Georg Lutz“ und ist 1931 im Literarischen Institut von Haas u. Grabherr in Augsburg erschienen. Im Vorwort schwärmt Lutz, dessen Lebensdaten bislang unbekannt sind, dass „ein bedeutender Kunstmaler eigens für mein Büchlein reizende Bilder gemacht (hat), und zwar hat er dazu geschrieben, daß ihm das eine herzinnige Freude gewesen ist.“

1930, also erst ein Jahr vor dem Erscheinen des Büchleins, war Bruder Konrad seliggesprochen worden, und so fällt dieses Kinderbuch in den Zeitraum, in dem man bestrebt war, für den nunmehr seligen Altöttinger Klosterpförtner die höchste Stufe, die Heiligsprechung, zu erreichen.

Dazu war es auch nötig, Stimmung zu machen und das heiligmäßige Leben Konrads einer breiten Öffentlichkeit kundzutun, den Erwachsenen und eben auch den lesekundigen Kindern. All diese Initiativen gingen von dem Kapuzinerpater Joseph Anton Kessler (1868–1947) aus, der als Vizeapostulator den Selig- und Heiligsprechungsprozess beim Vatikan vorantrieb. Er war Bauherr der Altöttinger Basilika St. Anna, die von 1910 bis 1912 errichtet worden war. Als Quelle und Grundlage für das Kinderbuch nennt Lutz eben das Buch von Pater Joseph Anton, das erst einige Jahre zuvor erschienen war: „Im Dienste Gottes und der Menschen, Ein Lebensbild des Dieners Gottes Konrad Birndorfer von Parzham, Laienbruder aus dem Kapuzinerorden, † 1894 in Altötting im Rufe der Heiligkeit, Verlag Josef Kösel und Friedrich Pustet, München, 1928, 220 Seiten“, das in sieben Auflagen erschienen ist.

In der von Stockmann für Kinder illustrierten Biografie sind nicht nur das Leben Bruder Konrads und der Prozess der Seligsprechung beschrieben, sondern es werden auch die finanziellen Schwierigkeiten beim Bau der Basilika genannt, denn das Bauprojekt drohte im Jahr 1911 zu scheitern. Ein Gebet des Kapuzinerpaters Joseph Anton half: „Bruder Konrad, wenn du ein Heiliger bist, dann schick’ mir heute tausend Mark, denn ich brauche Geld.“ Tatsächlich, so wird den Kindern in anschaulicher Weise erzählt, kam am selben Tag ein Mann an die Pforte und bot die Summe für den Kirchenbau an. „Bruder Konrad, wenn du mir meine Kirche bauen hilfst, werde ich den Prozess zu deiner Seligsprechung einleiten und führen“, versprach Pater Joseph Anton. Bereits ein Jahr später, am 12. Oktober 1912, konnte die große und prachtvolle Basilika eingeweiht werden.

Nachdem Bruder Konrad am Pfingstfest 1930 (13.6.) durch Papst Pius XI. (* 1857, reg. 1922–1939) seliggesprochen worden war, wollte Pater Joseph Anton auch seine baldige Heiligsprechung durchsetzen. Diese Zeit des Wartens auf die Entscheidung des Vatikans nahm Lutz zum Anlass, in einer kindgerechten Sprache das Leben Bruder Konrads zu beschreiben und Hermann Stockmann zu bitten, Illustrationen für das Buch zu entwerfen. Letzterer hatte 1931 bereits zahlreiche Bücher, auch eine beachtliche Anzahl von Kinderbüchern, mit „reizvollem Bildschmuck zwischen Zeilen und Seiten“ versehen, so beschreibt seine vertraute Freundin Irene Heberle, die sich nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1927 in Dachau niedergelassen hatte, im Jahr 1931 seine Zeichenkunst in den „Heimatglocken“.

Kindgemäße Geschichten in großer Fabulierlust

An den schwarz-weißen Illustrationen spürt man, wie Stockmann seinen unwiderstehlichen Drang zu fabulieren auslebt. Das Illustrieren entsprießt seiner Leidenschaft, mit dem Zeichenstift kindgemäße Geschichten zu erzählen, die den inhaltlichen Kontext visuell erläutern und ihn in die Erfahrungswelt der Kinder bringen. Die Illustrationen sind markante Stimulations- und Haltepunkte im Handlungsstrang der Erzählung und laden den vorlesenden Erwachsenen und den kindlichen Betrachter dazu ein, innezuhalten, um an den Details der Zeichnungen eigene Entdeckungen zu machen. Die Illustrationen beginnen mit der Geburt Hans Birndorfers, des späteren Bruder Konrads, „in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember des Jahres 1828 kurz nach 12 Uhr“, wo „in ganz der gleichen Nacht … zu Arnsdorf bei Oberndorf und Laufen der Lehrer Franz Gruber die wundervoll reine und demütige Weise zum Liede von der Stillen Nacht gefunden (hat), zu jenem Liede, das ihm der Priester Joseph Mohr von Oberndorf gedichtet hat und das heutzutage in der ganzen Welt gesungen wird“, schreibt Georg Lutz.

Stockmann lässt einen Engel in die Wiege des Neugeborenen blicken. Den Venushof in Parzham zeichnet er mit einer dicken Schneedecke auf dem Dach. Es ist eine bäuerliche Familienidylle, die er mit dem Zeichenstift ausbreitet, wenn die Mutter an stillen Winterabenden in der Bauernstube der um den Tisch versammelten Kinderschar aus alten Büchern „von Gott und den Heiligen“ erzählt, der Bub Hansl, wie er genannt wird, neben seiner vorlesenden Mutter sitzend, mit gefalteten Händen und schon mit einem Heiligenschein versehen. Die schwierige Zeit des Aufbegehrens in der Pubertät, die leidvolle Zeit, als der 14-jährige Hansl zuerst den Tod seiner Mutter, dann zwei Jahre später den seines Vaters erleben muss, und wie er oft in sich gekehrt betend seinen bäuerlichen Tätigkeiten nachgeht, wird im Text angesprochen. Die Illustration zu diesen Textpassagen zeigt ihn auf der Hausbank sitzen. Er zieht vor einer Frau, die ungutes über andere Leute sagen will, seinen Rosenkranz aus der Tasche und sagt zu ihr: „Beten wir den Rosenkranz, das ist gescheiter als das Leutausrichten.“ Das Kapitel „Wie aus dem Hansl ein Konrad geworden ist“ stellt bildlich die Abschiedsszene im September 1849 dar, als er zu seinen vor dem Hausaltar versammelten Geschwistern „Worte voller Frömmigkeit und brüderlicher Liebe“ spricht. Im Kapitel „Wie Bruder Konrad im Kloster heimisch wurde“ pflegt er einen schwerkranken Pater in einer klösterlichen Zelle. Im Kloster St. Anna zu Altötting, dessen Gotteshaus bildlich dargestellt ist, wird Konrad zum „stillen Helden an der Klosterpforte“. Sein Arbeitsbereich, das karge Pfortenzimmer, in dem er 40 Jahre gewirkt hat, ist mit Kruzifix, Schreibtisch und Lehnstuhl originalgetreu wiedergegeben. Stockmann erzählt in einem Bild von Konrads aufopfernder Tätigkeit „in Sorge für die unzähligen Armen und Kinder“, wie er, von Kindern und Kranken umringt, Brot an sie verteilt.

Eine Illustration zeigt eine Kinderprozession mit Bruder Konrad, denn wenn er bei einem Heimaturlaub zu Hause in Parzham weilte, ging er jeden Morgen zur Heiligen Messe nach Weng und „betete mit den Schulkindern wie in einer Prozession auf dem Wege dorthin“. Das Kapitel „Wie der liebe Gott ihn heimrief“ schildert seine letzten Stunden am 21. April 1894. Stockmann zeigt, wie Bruder Konrad „vor seiner lieben schmerzhaften Mutter“ in der Weihekapelle aufgebahrt ist, „umgeben von den ersten Frühlingsblumen“.

Am 15. Juni um 10 Uhr „verkündete der Domherr von St. Peter Peter Gormier in der wundervoll geschmückten Kirche vor einer Riesenzahl von Gläubigen das päpstliche Urteil von der Seligsprechung, das der Heilige Vater für diesen Tag unterzeichnet hatte. Daran anschließend folgte ein jubelndes Tedeum und gewaltiges Jauchzen, denn hochoben auf dem Altar wurde ein riesiges Bild des neuen Seligen enthüllt. Darauf hielt der Erzbischof Philipp Palica das erste Pontifikalamt zu Ehren des lieben Bruders Konrad.“ Dass der Heilige Vater am Nachmittag selbst in den Petersdom gekommen ist, um vor dem Bild des nun seligen Bruder Konrad zu beten, erzählt Stockmann den Kindern in einem ganzseitigen Bild. Die letzte Illustration führt nach Altötting, wo am selben Tag in einer Prozession „von vier Rottaler Rappen … die Reliquien des seligen Bruders mitgefahren“ wurden.

Familie und Bildungsweg

Als Hermann Stockmann das Kinderbüchlein illustrierte, war er in der Tat bereits ein bedeutender und hochgeachteter Mann der Kunst und der Heimatkultur. Sein Leben und sein künstlerisches Schaffen in der Künstlerkolonie Dachau, wo er 1898 seinen Wohnsitz genommen hatte, wurde letztmalig in einer großen Sonderausstellung im Jahr 1988 sowie in zwei Katalogen zu seinem heimatpflegerischen Wirken und als „Dachauer Impressionist“ dokumentiert und gewürdigt. In Dachau, Haimhausen und München-Solln erinnert jeweils eine Straße an ihn. Sein im Neubarock im Jahre 1899 erbautes Wohnhaus, das sogenannte „Spatzenschlössl“, wird von der Stadt Dachau Künstlern zur Verfügung gestellt.

Seine Heimatstadt war jedoch Passau, wo er am 28. April 1867 in der Grabengasse das Licht der Welt erblickt hatte. Beide Elternteile waren von der Kunst berührt: Sein Vater arbeitete als Porzellanmodelleur in der weltbekannten Passauer Firma Lenk in der Innstadt. Seine Mutter Clara hatte er „viel, ja unendlich viel an künstlerischer Erziehung und Anregung zu danken. Vom Anfang meines Auffassungsvermögens bis in die späten Tage meiner weiteren Entwicklung“, schreibt er später in seinen biografischen Aufzeichnungen. Sie war eine Tochter des in Wien geborenen Bildhauers Fidelis Schönlaub (1805–1883), der ein Schüler Ludwig Schwanthalers in München war. Schönlaub arbeitete später auch in seinem Atelier und vertrat ihn von 1839 bis 1849 als Leiter der Bildhauerklasse an der Münchener Kunstakademie. Im Auftrag des Passauer Bischofs Heinrich von Hofstätter († 1805, reg. 1839–1875) schuf er ab 1860 Werke für die Kirche St. Johann am Rindermarkt, die Votivkirche und für die Domfassade.

Hermann Stockmann verbrachte seine Kinderzeit in der Schmiedgasse in der Innstadt, wo die Eltern eine Wohnung beim Hafnermeister Rehaber gegenüber dem Gasthof „Zum Mondschein“ (heute „Pasta e Vino“) bezogen hatten. Da der Vater seine Tätigkeit in der Firma Lenk aufgab und eine neue Stelle bei der Firma Conta in Pößneck in Thüringen angenommen hatte, musste der 13-jährige Hermann zunächst ins Internat. Mit 14 Jahren kam der Knabe nach München auf die Realschule und durfte bei seinem Onkel wohnen. Drei Jahre lang erhielt er während seiner Lehre bei der Dekorationswerkstatt Hintze und Allwang eine gediegene handwerkliche Ausbildung zur Entfaltung seiner großen dekorativen Begabung. Er besuchte jedoch auch Abendkurse an der Kunstgewerbeschule, die vor allem für junge Handwerker und Gewerbetreibende gedacht waren, um sie in Formen- und Dekorlehre zu schulen. Mit den in seiner Freizeit entworfenen Skizzen suchte er schließlich den Münchener Akademieprofessor Gabriel von Hackl (1843–1926) auf, der ihn ermutigte, die Aufnahmeprüfung zu machen, die er ohne Wissen seines Vaters absolvierte und auch bestand. So öffneten sich ihm die Tore der Kunstakademie, wo er zunächst bei Hackl studierte. Er wurde anschließend Schüler Johann von Herterichs (1843–1905) und des als Lehrer hochberühmten Wilhelm von Diez (1839–1907), der in ihm den geborenen Illustrator erkannte, da er die Fähigkeit besaß, Landschaft, Architektur und Figur aus dem Gedächtnis, also ohne Modell, zu zeichnen. In der Studienzeit hielt er sich in den Sommermonaten öfter in dem Malereldorado Osternberg bei Brauau am Inn im österreichischen Innviertel auf, wo er wie Franz von Stuck (1863–1928), Carl Johann Becker-Gundahl (1856–1925) und Diez’ Schüler Gast des Gutsherrn Hugo von Preen (1854–1941) war. Als Alternative zum akademischen Lehrbetrieb und in Konkurrenz zum Pathos der Historienmalerei arbeitete man, mit Staffeleien und Malutensilien ausgerüstet, vor der Landschaft, studierte die Veränderung des Lichtes und des Objektes unter freiem Himmel und versuchte das Atmosphärische so einzufangen, dass der flüchtige, unwiederbringliche Augenblick nicht verloren geht.

Ein Meister des freien Malens in der Natur

Dieses Malen in leuchtend schönen Farben zeigt sich auch in dem Ölbild „Blick auf Schärding-Neuhaus“ von 1922, für welches Stockmann seine Staffelei auf einer Anhöhe bei Vornbach hinstellte und den Inn, der, eingebettet zwischen den beiden Orten, behäbig in Richtung Passau fließt, mit Blick zu den Höhen der Alpen unter der Wirkung des Naturlichtes gestaltete.

Stockmann war ein Meister des freien Malens in der Natur. Er saß dabei vor der Staffelei auf einem Hocker. In der Linken, aufgestützt auf seinen Oberschenkel, hielt er die Palette mit den Farben, mit der Rechten führte er den Pinsel und trug die Farben direkt auf – ohne Vorzeichnungen und Lasuren.

Angeregt durch seinen Gastgeber Hugo von Preen beschäftigte er sich immer mehr mit handwerklichen Traditionen, dem Volksleben und der allerorts aufblühenden Volkskunde.

Im Sommer 1892 machte er von sich reden, als in der Tagespresse über einen spektakulären Rettungsakt berichtet wurde: „Dem Kunstmaler Hermann Stockmann in München wurde für die am 4. August 1892 unter schwierigen Umständen und mit eigener Lebensgefahr vollzogene Errettung der Bezirksthierarzttochter Julie Hausner von Burghausen vom Tode des Ertrinkens eine Rettungsmedaille verliehen.“

Dachau und München: die beiden Pole

1898 zog Stockmann nach Dachau und heiratete im August 1898 Caroline (Lina) Wocher, Apothekertochter aus Neuburg am Inn. Aus der Ehe ging die Tochter Manta hervor. In Dachau gestaltete er in vielfältiger Weise das kulturelle Leben, weshalb er von den Dachauern sehr verehrt wurde. Sie mochten sein offenes, liebenswürdiges Wesen, schätzten sein Einsatzbereitschaft als Mitbegründer des ersten Dachauer Bezirksmuseums, des Museumsvereins und der Gemäldegalerie. Als Dachaus erster offiziell ernannter „Obmann für Naturpflege“ erstellte er auf Bitten des Marktmagistrats ein mit dem Zeichenstift erstelltes „Verzeichnis der schutzwürdigen Naturgebilde in der Gemeinde Dachau“. Wie schwierig seine Bemühungen um den Naturschutz waren, zeigt ein Vortrag im Jahr 1921 vor den katholischen Vereinen der Stadt, bei dem er seine Zuhörer beschwor, „daß auch der Baum und die Pflanze ein Recht auf Leben, Sonne und Licht haben. Fällt keinen Baum, vernichtet keinen Strauch und keine Blume, wenn es nicht direkt notwendig, erhaltet sie, denn sie sind auch Geschöpfe Gottes“.

Gesellig wie Stockmann war, pflegte er regen Kontakt mit Münchener Künstlerkreisen wie dem Künstler-Sängerverein und der Künstlergesellschaft „Allotria“. Wie sehr er Letztere prägte, wird an einem Gedenkblatt „80 Jahre Allotria 1873–1953“ zum 80. Stiftungstag des Vereins im Jahr 1953 deutlich, das Paul Stollreither (1886–1973), ein Schüler Franz von Stucks, gestaltet hat. Unter den 30 Bildnissen der ehrenvollsten Mitglieder ist auch Stockmann aufgeführt.
1889 erschien seine erste Zeichnung in einem populären Witzblatt, der illustrierten Wochenzeitschrift „Fliegende Blätter“, für welche er 30 Jahre lang eine unüberschaubare Anzahl von Illustrationen schaffen sollte. Bald darauf wurde er Mitarbeiter in der neugegründeten Zeitschrift „Jugend“.
Große Wirkung entfaltete Hermann Stockmann im 1902 gegründeten Bayerischen Landesverein für Volkskunst und Volkskunde, wo er 1907 als Mitglied im Hauptausschuss Ideengeber und Entscheidungsträger war. Im Auftrag des Vereins sammelte er bemaltes Mobiliar, bürgerliche Kleidung, bäuerliche Trachten und Schmuck, deren Erforschung, Dokumentierung und Bereitstellung für Museen man sich in diesen Jahren verstärkt zuwandte. Mit großer Leidenschaft erweckte er vergessenes Brauchtum, wie das Dreikönigssingen und Krippenspiele, für die er Kostüme sowie die Bühnendekoration entwarf und Spielszenen in zeitgemäßer Form dichtete, zu neuem Leben.

Diese Tätigkeiten förderten seine künstlerischen Intentionen als Maler und legitimierten seine volkskundliche Auseinandersetzung mit der dörflichen Umwelt in ihren Lebensformen und Sachgütern, die in vielen heimatkundlichen Studien von Gebäuden, Gerätschaften und Interieurs ihren Niederschlag gefunden haben. Viele seiner Ölbilder sind nicht nur als künstlerisches Produkt, sondern auch als bewusstes Dokument für bäuerliches Wohnen und Arbeiten zu betrachten. Die Ölbilder sind heimatpflegerisch orientiert, doch künstlerisch autonom, und spiegeln in der hellen, leuchtenden Farbgebung den impressionistischen Ansatz Stockmanns wider, wie dies der Kunsthistoriker Horst Ludwig in seinem Katalogtext zur Ausstellung von 1988 trefflich schreibt.

Hermann Stockmann als Arrangeur von Festzügen

Große Anerkennung erwarb sich Stockmann für das Arrangieren mehrerer großer Festzüge, was ein hohes Maß an historischen Kenntnissen auf dem Gebiet der Kostüm- und Waffenkunde erforderte. So zog man ihn bei den Festivitäten zur Grundsteinlegung des Deutschen Museums vom 11. bis 13. November 1906 heran, die in Anwesenheit des Deutschen Kaisers Wilhelm II. und seiner Frau Auguste Victoria begangen wurden. Der Höhepunkt war ein großer Festzug durch die mit Dekorationsbauten festlich geschmückten Straßen Münchens, wobei sich zahlreiche Berufe und Vereinigungen mit ihren Requisiten in lebenden Bildern präsentierten. Stockmann hatte die Aufgabe, drei Gruppen zu gestalten, nämlich die Friseur- und Perückenmacher-, die Buchbinder- sowie die Huf- und Wagenschmied-Innung, wobei deren „malerische, höchst originelle Auf stellung“ besonders vermerkt wurde. Dass diese Festlichkeiten so gut dokumentiert sind und auch dem heutigen Betrachter höchste Bewunderung abverlangen, ist Stockmann zu verdanken, der in zwölf bis aufs Detail arrangierten, sehr dekorativen Bildern diese Szenen festgehalten hat. Er hat diese Aquarelle Prinzregent Luitpold zum Geschenk gemacht, die dann als „farbige Reproduktionen nach den im Besitz Sr. Kgl. Hoheit des Prinzregenten Luitpold von Bayern befindlichen Originalen von Hermann Stockmann“ in der Mappe „München im Festschmuck“ veröffentlicht wurden.

1910 war Stockmann als Vertreter des Vereins für Volkskunst- und Volkskunde bei der 100-Jahr-Feier des Oktoberfestes Mitglied im Festausschuss. Er gestaltete den „Historischen- und Huldigungsfestzug des Bayerischen Landes“ am 25. September 1910, bei dem als Repräsentanten im Zug der Niederbayern, angeführt von Stockmanns Passauer Freunden Dr. Max und Irene Heberle, „Passauer Bürger und Bürgerinnen – diese in reicher goldener Haube über dem gescheitelten Haar – vorausgingen“. Stockmann selbst hatte als künstlerischer Leiter des Festzuges die Ehre, im Königspavillon auf der Theresienwiese dem Prinzregenten die einzelnen Gruppen und Wagen zu erläutern. Der Festzug begann mit der historisch getreuen Nachbildung des festlichen Aufzuges zum ersten Pferderennen, welches das Oktoberfest begründet hatte. Der zweite Teil galt dem Land Bayern und der Landwirtschaft. Den Zug eröffneten Vorreiter mit Wappen und Fahnen, Fahnenschwenker zu Fuß symbolisierten die acht Kreise Bayerns. Es folgte ein Wagen mit einer riesigen Buchsbaumkrone und acht Trachtenpaaren. Die einzelnen Kreise und Städte wurden durch Trachtengruppen und für die Gegend typische landwirtschaftliche Berufe dargestellt. Den letzten Abschnitt des Zuges bildeten Preisfahnenträger und Armbrustschützen in mittelalterlichen Trachten. Als Dank für diese mühevolle Mitarbeit zur künstlerischen Gestaltung des Jubiläumsfestzuges erhielt Stockmann im selben Jahr vom Königshaus den Ehrenprofessorentitel verliehen.
Stockmanns Erfahrung in der Gestaltung von Festen war auch an anderen Orten gefragt, so bei der Jahrhundertfeier der Napoleonischen Befreiungskriege, die zusammen mit dem 50-jährigen Bestehen der Befreiungshalle in der Stadt Kelheim in Anwesenheit des Kaisers Wilhelm II. und König Ludwigs III. am 25. August 1913 begangen wurde.

Einen Monat vor Beginn des Ersten Weltkrieges feierte am 28. Mai 1914 die Stadt Aichach ein großes Jubiläumfest in Gegenwart König Ludwigs III. und seiner Gemahlin Königin Marie, denn das bayerische Herrschergeschlecht hatte 800 Jahre zuvor seinen Stammsitz von Scheyern auf die fortan namensgebende Burg Wittelsbach verlegt.

1934 wurde der prächtige Festzug zur Stadterhebung von Dachau nach detaillierten Entwürfen von Stockmann gestaltet, wobei auf dem ersten Wagen die vier Musen Bildhauerei, Architektur, Malerei und Musik von Künstlern gespielt wurden. 1937 verlieh ihm die Stadt die erste Ehrenbürgerwürde.

Idylle und eine Welt der Vergangenheit

Stockmann lieferte Bilder und Buchschmuck für eine Vielzahl von Kinder- und Märchenbüchern, Gedichtbänden, Romanen und Erzählungen. Hier werden immer wieder genannt: die Märchen von Wilhelm Hauff (1918), das „Hutzelmännleinmärchen“ von Eduard Mörike (1919), „Aus dem Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“ von Johann Peter Hebel oder Gottfried Kellers Novelle „Der schlimme heilige Vitalis“. Stockmann wurde auch selbst zum Dichter, schmiedete kleine Verse und erschuf seine eigene Welt in Bilderbüchern, wobei er in der Darstellung bewusst auf die Vergangenheit und auf das kleinstädtische und bäuerliche Milieu zurückgriff. Er versah die fünfbändige Kulturgeschichte „Kulturbilder aus Alt-München“ (1913–1930) von Karl Trautmann mit Illustrationen. In dem Sammelband „Kleinstadtzauber“ mit seinen besten und bekanntesten Zeichnungen beschreibt er eine Welt der Vergangenheit „mit traulichen Gassen, in denen es abends kein Licht gibt als den etwaigen Mondschein, durch die der brave Bürger mit der Laterne in der Hand vom Wirtshaus heimgeht“, urteilt der Kunstkritiker beim Münchener Merkur Richard Braungart (1872–1963) in der 1956 erschienenen Neuauflage dieses Buches. In gleicher Weise charakterisiert Ursula Katharina Nauderer, die 1987 „das heimatpflegerische Wirken des Künstlers“ in den Dachauer Museumsschriften würdigt, das Weltbild Stockmanns.

Seine Bildergeschichten seien restaurativ, weil er „sehnsüchtig jener altväterlichen, vermeintlich idyllischen Vergangenheit des biedermeierlichen Kleinstädtertums und romantischen Bauernlebens nachhing …“ Es ist „eine scheinbar behagliche, gemütvolle und statische Welt. Enge, romantische Gassen mit hochgiebeligen Häusern, mit Türmen und Brücken, Torbögen und Brunnen, kleine überschaubare Dörfer mit alten niedrigen Bauernhäusern und Dorfkirchen.“ Stockmann, der in Passau aufgewachsen ist, kannte diese Welt von klein auf, diese verwinkelten romantischen Plätze und Gassen, und war ihrem Zauber erlegen. Zeit seines Lebens suchte er Orte wie seine Heimat Passau auf, die ihm diese Welt der behaglichen Biedermeierlichkeit und barocken Lebensform boten. Es ist eine untergegangene Welt, die der moderne Mensch im globalisierten Makrokosmos nach den gesellschaftlichen Umbrüchen und technischen Modernisierungsschüben der letzten Jahrzehnte nur noch erahnen kann. Doch ist heute in vielen Menschen eine Sehnsucht nach einer Welt mit überschaubaren und in ihren Sitten und Traditionen vertrauten Lebensräumen neu erwacht.

Seine Bildergeschichten seien restaurativ, weil er „sehnsüchtig jener altväterlichen, vermeintlich idyllischen Vergangenheit des biedermeierlichen Kleinstädtertums und romantischen Bauernlebens nachhing …“ Es ist „eine scheinbar behagliche, gemütvolle und statische Welt. Enge, romantische Gassen mit hochgiebeligen Häusern, mit Türmen und Brücken, Torbögen und Brunnen, kleine überschaubare Dörfer mit alten niedrigen Bauernhäusern und Dorfkirchen.“ Stockmann, der in Passau aufgewachsen ist, kannte diese Welt von klein auf, diese verwinkelten romantischen Plätze und Gassen, und war ihrem Zauber erlegen. Zeit seines Lebens suchte er Orte wie seine Heimat Passau auf, die ihm diese Welt der behaglichen Biedermeierlichkeit und barocken Lebensform boten. Es ist eine untergegangene Welt, die der moderne Mensch im globalisierten Makrokosmos nach den gesellschaftlichen Umbrüchen und technischen Modernisierungsschüben der letzten Jahrzehnte nur noch erahnen kann. Doch ist heute in vielen Menschen eine Sehnsucht nach einer Welt mit überschaubaren und in ihren Sitten und Traditionen vertrauten Lebensräumen neu erwacht.