Das Passauer Sängerfest von 1851 – vor 170 Jahren
Das Passauer Sängerfest von 1851 - vor 170 Jahren
Passau ist heute eine von kulturellen Höhepunkten reich gesegnete Stadt. Eine der Institutionen, deren Impulse seit über 150 Jahren das kulturelle Erscheinungsbild der Stadt Passau prägen, ist die Gesellschaft der Musik-freunde – Passauer Liedertafel e.V., die 1842 gegründet wurde.
Das Sängerfest von 1851 war eines der ganz großen Kulturereignisse. 72 Gesangsvereine aus Bayern und Österreich mit 1100 Sängern nahmen an dieser dreitägigen Veranstaltung vom 5. bis 7.Juli teil.
Blätter der Erinnerung“- ein kulturelles und zeitgeschicht-liches Dokument von besonderer Bedeutung
Die „Blätter der Erinnerung an das Passauer-Sängerfest 1851“ beschreiben dieses kulturelle Großereignis in Wort und Bild. Sie sind ein Beweis für die großartige Fest- und Feierkultur im 19. Jahrhundert in Passau, als die Stadt für drei Tage im Festgewand erstrahlte.
Im Jahr 1851 gehörte die Stadt Passau noch keine 50 Jahre zu Bayern, die bis 1803 Teil des weltlichen Fürstentums des Passauer Fürstbischofs war. Als Bayern die Stadt Passau in Besitz nahm, wurde Passau den Gesetzen eines zentralistisch-bürokratischen Flächenstaates unterworfen und Grenz- stadt zu Österreich. Da der fürstbischöfliche Hofstaat nicht mehr existierte, entwickelte sich aus dem Bürgertum heraus neues gesellschaftliches Leben.
Das Emanzipationsstreben der sich aus der geburtsständigen Ordnung lösenden Bürger beförderte das Bedürfnis nach neuen gemeinschaftlichen Bindungen. Die in Passau neu eingerichteten staatlichen Unterbehörden des Königreichs Bayern (seit 1806), die neugegründeten Schulen und das könig-lich bayerische Regiment brachten Menschen in die Dreiflüssestadt, die das kulturelle Leben und das Vereinswesen beflügelten.
Das gesellige, künstlerisch-musische und gelehrte Vereinswesen wurde vom höheren Bürgertum getragen, in dem sich Beamte, Lehrer und Militärpersonen, aber auch Vertreter des Bistums und der Priester mit der angestammten Bevölkerung zusammenfanden.
Im Sängerverein institutionalisierte sich die Idealvorstellung einer Gesellschaft von rechtlich gleichgestellten männlichen Staatsbürgern, die keine geburtsständischen Vorrechte gelten ließen. In der Liedertafel erlebten die Mitglieder den gefühlsbetonten Akt des gemeinschaftlichen Singens, Kneipengeselligkeit und männerbündische Freizeitgestaltung.
Regelmäßige Proben, Aufführungen, Bälle, Jubiläumsfeiern und Wohltätig-keitskonzerte für Notleidende bestimmten das Vereinsleben.
Dazu kamen, ermöglicht durch die Dampfschifffahrt über Donau und Inn, Fahrten zu den Sängerfesten, die gesellige und konzertante Höhepunkte waren.
Die Geburtsstunde der deutschen Sängerbewegung fiel in die Napoleonische Besatzungszeit, der Männergesang etablierte sich zu einer stilbildenden Kraft der politischen Kultur und wurde zum Sprachrohr bürgerlicher Geltungsansprüche auf politische Mitwirkung.
Angesichts der ungelösten nationalen Frage und dem deprimierenden Zustand innerer Zerrissenheit gab es für das Nationalempfinden der Männer keinen intimeren Erlebnisraum als das gemeinsame Singen, das bei Sängerfesten ausgiebig gepflegt wurde, denn die politische Gefühlswelt der damaligen Männergeneration drückte sich vor allem im Gesang aus. Männergesang wurde zu einer Art Bürgerbewegung.
Singen war ein politisches Bekenntnis, denn die Sängervereine verstanden sich als Sprachrohr des aufstrebenden Bürgertums.
In den 1840iger Jahren ging über die deutschen Staaten eine zweite Gründungswelle von Turner-, Schützen- und Sängervereinen hinweg, die von der nationalen Aufbruchstimmung herrührte. Das nun aufblühende Vereinswesen erwies sich als Vehikel, die restaurativen Zustände zu überwinden und den nationalen Einigungsbestrebungen neuen Schwung zu verleihen.
Das Einladungsschreiben zur Gründungsversammlung der Passauer Liedertafel am 4. Dezember 1842 stellt die vaterländische Gesinnung der Gründungsväter heraus. „Es möge auch hier ein Verein von Gesangs-freunden erblühen, wie dies in vielen Städten Deutschlands und unseres Vaterlandes der Fall ist.“
1846 wählte sich der Verein einen Wahlspruch:
„Wo Donau, Inn und Ilz vereint sich küsst
Ein deutsches Lied aus deutschem Herzen fließt.“
Das Sängerfest von 1851 zeigt, dass die revolutionären politischen Ereig-nisse des Jahres 1848 noch in frischer Erinnerung waren.
Die Sehnsucht nach einem geeinten deutschen Vaterland mit Einschluss Österreichs durchzog das Passauer Sängerfest.
Doch waren solche Hoffnungen in weite Ferne gerückt, denn die Mehrheit der Frankfurter Nationalversammlung hatte 1849 den kleindeutschen Ver-fassungsentwurf favorisiert, der die bayerischen Staatshoheitsrechte ein-schränkte und ein kleindeutsch-preußisches Erbkaisertum unter Aus-schluss Österreichs und eine Verfassung mit einer relativ starken Reichs-gewalt anstrebte.
Texte von Karl Christoph Freiherr von Wulffen (1822-1882)
Die 192 Seiten umfassende Festschrift „Blätter der Erinnerung…“ ist ein einzigartiges zeitgeschichtliches Dokument von literarischer Qualität. Der Text verfasste Friedrich Karl Christoph Freiherr von Wulffen (1822-1882), der 1847 zum Vorstand der Liedertafel gewählt worden war „und diesen durch seine seltene Rednergabe bei jeder Gelegenheit in imponierender Weise repräsentierte.“ Bis zu seiner Ernennung zum Staatsanwalt in München im Jahr 1852 blieb er Vorstand.
Freiherr Friedrich Karl Christoph von Wulffen (1822-1882), der in Passau als Jurist am Bezirks- und Appellationsgericht tätig war, war ein Sohn des gleichnamigen Friedrich Karl von Wullfen (1790-1858), der von 1843 bis 1849 als Regierungspräsident von Niederbayern in Landshut wirkte, wo er 1845 Gründungsvorstand des Historischen Vereins für Niederbayern wurde. Er gehörte von Mai 1848 bis Mai 1849 zu den 71 Vertretern Bayerns in der Frankfurter Nationalversammlung, die in der Paulskirche tagte.
Als reformkonservativer Abgeordneter favorisierte von Wulffen mit seiner Fraktion die Großdeutsche Lösung und vertrat einen föderalen Staat, wobei die Einzelstaaten Monarchien bleiben und eigenständige Heere behalten sollten. Wullfen (Vater) wurde anschließend Regierungspräsident von Mittel-franken und 1855 Präsident des Oberappellationsgerichts in München. 1858 starb er.
Dekorative Illustrationen des Münchener Zeichners Peter Herwegen (1814-1893)
Die sehr dekorativen und detailreichen Illustrationen lieferte der Maler, Zeichner und Lithograph Peter Herwegen (1814 -1893).
Die Illustrationen von Peter Herwegen machen die „Blätter der Erinnerung“ zu einer bibliophilen Kostbarkeit. Der 1814 in Köln geborene Peter Herwegen kam 1837 nach München. Er schuf Erinnerungs- und Gedenkblätter, Diplome, Geschäftsanzeigen, Adressen und Visitenkarten, die er im Sinne mittelalterlicher Miniaturmalerei auf Pergament ausführte und durch Stein-stich, Radierung und Farbendruck zur Vervielfältigung brachte. Für Kunst-handwerker fertigte er Entwürfe zu Standarten, Pokalen und Prunkgeräten. Er wird als „feuriger Bannerträger der Gotik“ bezeichnet, der aber auch „andere Stilarten“ beherrschte.
Zu seinen besten Arbeiten zählen Zeichnungen und Gedenkblätter für das sog. König-Ludwig-Album, das bei der Enthüllung des monumentalen Bavaria – Standbildes an der Theresienwiese am 9. Oktober 1850 dem nunmehr hoch gefeierten Kunstmäzen übergeben wurde, der erst zwei Jahre zuvor am 20. März 1848, durch die „Lola-Montez Affäre“ angeschlagen, zugunsten seines Sohnes Max II. auf die Königskrone verzichtet hatte.
Schon seit der Gründung der Passauer Liedertafel gab es freundschaftliche Verbindungen zu österreichischen Sängergruppen, vor allem zu den Linzer Sängern.
Im Juli 1847 bestieg der Passauer Sängerverein mit Mitgliedern des Linzer Sängervereins das Dampfschiff „Königin Therese“, um am Sängerfest in Regensburg teilzunehmen. Der ergreifende Höhepunkt des Festes war der Gemeinschaftschor mit 1200 Sängern. Man sang das viel gesungene Nationallied der deutschen Einheitsbewegung bis zur Reichsgründung 1871: “Was ist des Deutschen Vaterland?“ Der Text stammt von Ernst Moritz Arndt (1769-1860), einem heißblütigen antinapoleonischen Propagandisten und Dichter deutschpatriotischer Lieder.
Dieses Lied aus der Zeit der Befreiungskriege (1813) wurde 1825 kongenial von Gustav Reichard (1797-1884 vertont). Von hunderten Männern ge-sungen wirkte dieses Lied wie ein aufrüttelndes vaterländisches Gelöbnis-ritual gegen die Vielstaaterei. In der vorletzten Strophe heißt es:
„Was ist des Deutschen Vaterland?“
So nenne endlich mir dies Land!
So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt!
Das soll es sein!
Das, wack´rer Deutscher, nenne dein.“
Bei diesem Sängerfest in Regensburg 1847 wurde beschlossen, „als bei den Augustinern Regensburger und Passauer zusammengefunden“, ein Sängerfest in Passau auszurichten. Im Jahr 1848, als die bürgerlich-liberale Revolutionsbewegung in einem großen Teil der Staaten des Deutschen Bundes um sich griff, waren nur die neubayerischen Gebiete und die Landeshauptstadt München betroffen.
Passau blieb von den Unruhen unberührt. Im Juli 1848 besuchte König Max II.(1811-1864) auf seiner Reise durch Nieder- und Oberbayern auch Passau, wobei die Passauer Liedertafel mit ihrem Vorstand Freiherr von Wullfen dem Monarchen mit mehreren musikalischen Auftritten huldigte.
Der Besuch der Passauer Liedertafel im Mai 1849 beim Fahnen- und Sängerfest in Salzburg gab dem in Regensburg gefassten Plan, ein Sängerfest in Passau zu veranstalten neuen Schwung. Dies wurde beim Hirschen, dem Vereinslokal der Salzburger Liedertafel, endgültig beschlossen.
Doch sollten noch mehr als zwei Jahre vergehen. “Nicht nur der politische Himmel gestaltete sich so finster als je, sondern auch andere Verhältnisse, denen Rechnungen getragen werden musste, dass selbst Mitglieder des Ausschusses über den vielen Hindernissen zu zweifeln begannen.“
Freiherr von Wullfen spielt hier auf den zunehmenden österreichisch-preußischen Dualismus an, der 1866 schließlich in den Krieg zwischen Preußen und Österreich mit Bayern als Verbündeten mündete. Von Wulffen beschreibt, wie dramatisch sich 1849/50 die politische Situation zugespitzt hatte. „Endlich beim Beginne des Jahres 1851 waren die unseligen „Missver-ständnisse,“ die zwei Heere von Brüdern, den Tod in Aug´ und Geschoß gegenüber gestellt hatten, die ein Erndtefest des Todes, ein Freudenfest unserer Feinde statt eines deutschen Sängerfestes erwarten ließen, glücklich gehoben; und nun ging es rüstig an die Ausführung des lang gehegten, Allen liebgewonnenen Planes.“
Großes Freundschaftsfest bayerischer und österreichischer Sängervereine
Vor dem Hintergrund der Kriegsgefahr und der ungelösten nationalen Frage muss das Passauer Sängerfest von 1851 gesehen werden, das zu einem großen Freundschaftsfest bayerischer und österreichischer Sängervereine und zu einem feurigen Bekenntnis für die großdeutsche Lösung werden sollte. Die große Verbundenheit mit Österreich zeigt sich an der großen Zahl österreichischer Sängervereine. Von den 72 Vereinen kamen 20 aus Öster-reich, wobei die Liedertafel aus Linz mit über 70 Mann und der Männer-gesangsverein aus Wien mit 40 Mann dem Sängerfest die Ehre gaben. In den „Blättern der Erinnerung…“ werden sämtliche Vereine und die Namen aller Teilnehmer mit den Berufsbezeichnungen aufgelistet.
Die Passauer Liedertafel hatte zur Vorbereitung des Festes sechs Aus-schüsse gebildet, die unter der Gesamtleitung des Vorstandes Freiherr von Wulffen mit jeweils mit 10 bis 20 Männern besetzt waren und alle Aufgaben-bereiche abdeckten. „Zur Einquartierung“, „Für Hallbau und Dekorationen“, „Für Kassa-Angelegenheiten“, „Für Verpflegung und Aufsicht auf die Bewirtung der Sänger-gäste“, „Für Festordnung“, „Für Empfang“
Architekt Anton Harrer (1817-1885) und Maurermeister Andreas Schwarzenberger, die Erbauer der festlichen Kulissenarchitektur
Eine besondere Aufgabe wurde dem Ehrenmitglied der Passauer Liedertafel, Architekt Anton Harrer (1817-1885), zuteil. Zusammen mit dem Maurer-meister Andreas Schwarzenberger errichtete Harrer die prachtvolle Sänger-halle auf der Festwiese (Exerzierplatz), eine epheme festliche Kulissen-architektur, die nach dem Sängerfest wieder abgerissen wurde. Harrer war es auch, der von 1849-1851 das Hauptzollamtsgebäude in Passau erbaute. Auf ihn gehen mehrere Großbauten in den Stilen der Neuromantik, der Neugotik und der Neorenaissance in Süddeutschland zurück. In jungen Jahren war er unter Friedrich von Gärtner (1792-1847) als Zeichner und Bauführer beim Bau der Bayerischen Staatsbibliothek und dem Wittels-bacher Palais tätig.
Die Sängerhalle bildete im Grundriss ein Trapez, dessen vordere Seite ca. 25 m, die rückwärts liegende ca. 20 m maß. Die Tiefe der Halle betrug ca. 15 m und die Höhe bis zur Giebelspitze ca. 30 m. Die Schaufront bestand aus drei überhöhten Halbkreisbögen. An den Bögen waren die Wappen der Orte angebracht, aus denen die Sänger kamen.
Der mittlere Bogen ging in einen Giebel über, in dessen Feld das Bild eines „Aeltervaters (Urahn) des deutschen Liedes, eines Skalden, angebracht war.“ Der Harfe spielende Barde im mittelalterlichen Gewand verkörpert die aus Skandinavien stammende Jahrhunderte alte Tradition des höfischen Singens von Liedern an Fürstenhöfen.
„Drüber an der Spitze des Giebels wehte lustig die deutsche Flagge und rechts und links daneben gar friedlich die österreichische und die bayerische,“ so schreibt von Wulffen.
In den Füllungen zu beiden Seiten war der Festspruch zu lesen: „Lied wird That, fruh oder spat“
Dieser Festspruch zeigt, dass es nicht um gesangsportliches Kräftemessen ging, sondern Gemeinschaftsgeist sollte die Festatmosphäre bestimmen: “Wie aber in Allen das Gefühl lebendig war, daß sie Brüder seien, zusammengehörig in Freud und Leid, so ward dankbar der einigenden, sittlichenden Macht des Liedes gedacht, das siegreich gegen die Selbstsucht ankämpfe, Haß und Zwietracht verscheuche… Begeistert erklang im feierlichen Choral der Festspruch: Lied wird That, fruh und spat.“
Da die Freundschaft zwischen Bayern und Österreich die festlichen Tage durchzog, so war denn einer der schönsten Momente die Überreichung eines über 50 cm hohen Weinpokals durch den Vorstand der Linzer- Liedertafel Frohsinn im Namen aller österreichischen Vereine. Dieses Festgeschenk wurde „mit warmen Worten kredenzt als ein Denkmal deutscher Bruderliebe“.
Der aus einem Stück Buchsbaum mit kunstreichen Arabesken geschnitzte Deckelpokal zeigt vier mythologische Szenen: Eros und Psyche, Selene und Endymion, Ares und Aphrodite, Hermes und Aphrodite. Das Prunkstück befindet sich heute in der Sammlung des Oberhausmuseums Passau.
Geschaffen hat dieses Festgeschenk der aus Kukus in Böhmen stammende Bildhauer Johann Rint (1814-1900), der seit 1848 in Linz wirkte und mit dem Schriftsteller Adalbert Stifter (1805-1868) eng befreundet war.
Stifter vermittelte ihm auch ein Stipendium an der Akademie der Bildenden Künste in München. Zusammen mit Adalbert Stifter, der 1853 Konservator für Oberöstereich wurde, war Johann Rint für die Restaurierung der gotischen Flügelaltäre von Kefermarkt und St. Wolfgang verantwortlich.
Als am Samstag, den 5. Juli 1851, die Festlichkeiten begannen, war „alles zum Empfange bereit, Hunderte von Kränzen, Flaggen und Gewinden grüßten freundlich hernieder von Giebeln und Fenstern, und Hunderte von fröhlichen Menschen zogen mit auf die Berge, um auszuschauen, ob sich noch nichts erspähen lasse von den anrückenden Fähnlein fröhlicher Festgenossen.“ Bis um 12 Uhr sollten die Vereine eintreffen.
Die ankommenden Sängervereine wurden jeweils von den Geschützen der Landwehr-Artillerie mit Salutschüssen begrüßt, die auf dem Mariahilfberg postiert waren, „von wo aus man jeden Zuzug zur Stadt wahrnehmen konnte.“
Die Ankunftsplätze waren die Donau- und Innlände, der Anger, und das Ludwigs- und Neuthor. Auf dem Ludwigtor prangte das Begrüßungswort „Salve“.
Die Gruppen begaben sich, geleitet von berittenen Festordnern, zum Rathaus, wo alle Teilnehmer ein Festzeichen erhielten, „ein weißseiden Bändchen, geschmückt mit silbernen Fransen und dem rothen Passauer-Wolf, darunter zu lesen war: Sängerfest 1851.“
Alle Teilnehmer mussten sich in das aufliegende Gedenkbuch eintragen. Danach wurden die Beherbergungskarten für die insgesamt 14 Gasthäuser und Privatunterkünfte verteilt. Alle Gasthäuser waren mit Begrüßungs-inschriften geschmückt. Die Fahnen wurden „mit schönen Bändern in Stoff und Farbe gleich den Festzeichen versehen“ und im großen Rathaussaal aufgestellt.
Die Gruppen aus Schärding, Ried, Obernberg, Braunau, Laufen, Gern, Burghausen, Tittmoning, von Pfarrkirchen, Triftern, Wasserburg, Haag, Kraiburg, Trostberg und die Münchener Vereine entstiegen festlich geschmückten Innschiffen. Die Deggendorfer „kamen auf neuem, ge-schmackvoll verziertem Ruderschiffe die Donau herab.“ Die Sängergruppen aus Friedberg, Ingolstadt, Neuburg an der Donau und Regensburg ließen sich „auf dem Regensburger Dienstschiffe“ in die Dreiflüssestadt bringen.
In blumigen Worten beschreibt von Wullfen diese Begrüßungszeremonie: „Wie nun so die kräftigen Mannen mit fliegenden Fahnen von allen Seiten heranzogen und Schuß und Schuß aus den Geschützen auf dem Mariahilfberg krachte, rings in der Umgebung die Flintenschüsse knallten, und die Zugbrücken in der Festung Oberhaus aufgezogen wurden, da war es bei Gott! als sollte die Stadt gestürmt und genommen werden; und sie wurde auch an selbigem Abende noch eingenommen; das Lied zog siegreich ein in die Herzen und stolz wehte das deutsche Banner auf dem höchsten Punkte der Stadt, über den Resten des alten Römer-Kastells.“
Ein Höhepunkt war die Ankunft des österreichischen Dampfschiffes „Wien“ mit zwei Begleitschiffen, die die Gruppen aus Wien, Linz, Eferding, Freistadt, Grein, Ischl, Schwanenstadt, Krems, Steyr, Lambach, Stein, Perg, Wels, Obernzell, Vöcklabruck, Waidhofen und Ybbs an Bord hatten. „Mit dem schwarzen Qualme des Dampfers mischte sich weißlicher Rauch der Schiffskanonen, ein herrliches Schiff von gigantischen Formen und doch leichtem Bau, überdeckt mit Flaggen und Wimpeln vom Maste bis zum Bug des Schiffes und geziert mit den Wappen aller auf demselben vertretenen Orte in Kränzen von Tannenreisig rings um den Bord, überragt von der riesigen Flagge des Wiener Männergesangsvereines in den Farben der Stimmen des Männerchores (weiß, grün, roth und blau) deren Mitte eine Lyra schmückt.“ „Hunderte von Sängern, die Kopf an Kopf das Verdeck besetzt hielten“, zogen die Hüte, „um zu den Klängen des bayerischen Nationalliedes der Stadt ihren Festgruß zu bringen.“
Abends um neun Uhr versammelten sich alle Sänger auf dem Exerzierplatz. Die Passauer Liedertafel brachte in der Sängerhalle, „die im hellen Lichte ihrer riesigen Kronleuchter glänzte, den dicht geschaarten Festgenossen ihren Willkommensgruß.“ Der Abend fand ein Ende mit dem gemeinsam gesungenen „bayerischen Zapfenstreich“. Als „die Letzten lang nach Mitternacht heimkehrten, rauschte der Regen in Strömen nieder auf die ohnehin schon überreich bedachte Flur.“
Am nächsten Tag, dem 6.Juli, regnete es in Strömen, als das Musikcorps um 6 Uhr anhob den Morgengruß durch die Straßen zu blasen.
Um 9 Uhr begannen die Proben für den 114. Psalm von Johann, Georg Mettenleiter (1812-1858) unter der Leitung des Komponisten aus Regensburg. „Da begab es sich mitten unter dem nachdrücklichen Kampf gegen falsche Töne und Zeitmaaße, dass „Jupiter pluvius“ den Festplatz zu besuchen kam, und die Sänger in der Halle so inbrünstig in seine nassen Arme schloß, dass der Festplatz sich in ein Klein-Venedig verwandelte.“
So wurden die Proben auf den Nachmittag in den großen Saal des ehemaligen Jesuitenkollegs (Leopoldinum) verlegt und alle Klassenzimmer und Gänge für die vielen hundert Sänger und die Zuhörer geöffnet. Bis zum Abend „hatte der Sänger Wettkampf den Jupiter Pluvius vertrieben und die Sonne sendete erquickend ihre Strahlen auf die Sänger herab und lockte die meisten auf die benachbarten Keller.“ Viele Zuhörer lauschten den Regensburgern und den Wienern zu, die sich im „Fladkeller“ (Innstadtbrauereikeller) niedergelassen hatten und „durch ihr schönes, freudiges Singen die Anwesenden entzückten.“
Am 7. Juli, dem zweiten Festtag, war der Vormittag Ausflügen vorbehalten. Auf Schiffen und Booten, voraus ein Musikschiff, ging es zum „Zusammen-schluß von Donau, Inn und Ilz, dann wurde die Höhe des Nonnengütchen erklommen und von dort zog die Sängerschaar nach Hals, dem eigentlichen Zielpunkt des Ausfluges. “ Dort stand die Besichtigung der Triftsperre mit dem Durchbruch auf dem Programm. Viele Sänger „nahmen den Rückweg über die Ries und erfreuten sich der herrlichen Rundsicht auf die ganze Kette des bayerischen Waldes, in das Donau- und Innthal und auf die mächtigen Alpen.“ Eine Gruppe ging zur Festung Oberhaus und begrüßte den „commandirenden Hauptmann und die bayerischen Schützen mit einem Hoch und Gesang.“
Nach dem Mittagsmahl begann der Festzug, der vom Paradeplatz des Militärs (Domplatz) zum Festplatz führen sollte. Die Bannerträger aller Vereine holten sich am Rathaus die Fahnen, Standarten und Pokale ab, die „im festlich prangenden Saale zwischen grünen Gewinden aufgestellt an beiden Tagen des Festes Gegenstand der Bewunderung zahlreicher Besucher gewesen waren.“ Die Fahnen wurden mit frischen Eichenkränzen ge-schmückt und „unter den fröhlichen Klängen der Musik langte der Zug auf dem Domplatze an.“ Von Festordnern wurden die Sängervereine um das Denkmal von König Maximilian I. Joseph. gruppiert.
Dieses Denkmal war im Jahr 1828 zum 25. Regierungsjubiläum des Churfürsten und späteren Königs aufgestellt worden und zeigt den Regenten im königlichen Ornat, der seine flache linke Hand schützend über seine Untertanen hält. Den lithografischen Entwurf lieferte der Kupferstecher Karl Gottfried Eichler(+1845), das Modell fertigte Christian Jorhan der Jüngere (1773-1844) und den Bronzeguss besorgten der Passauer Glockengießer Georg Samasa (1770-1845) und sein Sohn Karl (1801-1859).
In seiner Festrede hob der Vorstand der Passauer Liedertafel, Freiherr von Wulffen, die Verdienste des „Fürsten“ für den Frieden hervor, „denn ohne sein Festhalten am Rechte würde heute die Kriegsfurie einherziehen über die Städte und Gauen, die vereint mit uns das Friedenswerk schaffen!.. Daß wir als deutsche Männer eine heilige Pflicht der Dankbarkeit erfüllen, wenn wir hier unter dem Denkmale eines väterlichen Herrschers aus dem Hause Wittelsbach rufen: Heil dem Fürsten, der die Geschichte Bayerns leitet! Es lebe der König!“
Für den Festredner besteht „des Liedes Zaubermacht“ darin,“ die Gemüther in Liebe zu einigen, Haß und Zwietracht zu verscheuchen und das Bewußtsein zu erhalten, daß wir Kinder eines Stammes sind, zusammengehörig in Freud´ und Leid, das ist die Aufgabe des Liedes.“
Beim Festzug zum Festplatz, der von einem Festordner zu Pferde angeführt und von berittenen Bürgern eskortiert wurde, gaben Bläser den 1100 Sängern den Takt vor. Dem Baumeister der Festhalle, Anton Harrer, wurde das Modell der Sängerhalle vorausgetragen, und „vier rüstige Zimmerleute mit Beil und Schurzfell folgten.“ „Mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel, dazu die Geschütze den Grundbaß donnerten“ zogen die festlich mit Bändern in den Farben ihrer Heimatorte, mit Kränzen und Sträußen geschmückten Sänger zum Festplatz. Die Straßen waren festlich geschmückt und von den Häusern erscholl „freudiger Zuruf, aus den Fenstern wehten die Tücher zum Gruße, Blumen und Kränze fielen, … Fahnen wurden geschwungen, … die Hüte und die Pokale geschwenkt.“ Als sich die Sänger im Gegenzug einander begegneten, „da steigerte sich der Jubel zum Enthusiasmus und der Hochrufe, des Grüßens und des Winkens war kein Ende.“
Durch das Ludwigstor ging es dem Festplatz entgegen, wo „ein Zug Grenadiere von der Landwehr im vollen Waffenschmuck mit den stattlichen Bärenmützen“ Spalier vor dem großen Eingangsportal bildete.
Alle Lieder, die während der Festaufführung gesungen wurden, sind als Text in „den Blättern der Erinnerung“ abgedruckt. Der erste Gemeinschaftschor war der 114. Psalm, den der Komponist Johann, Georg Mettenleiter (1812-1858) selbst dirigierte. Der 35 Minuten dauernde Gesang war für die Sänger „mit nahezu unlösbaren Schwierigkeiten verbunden“ und führte zu Kritik und Unbehagen bei den Zuhörern.
Neben einigen Chören aus Opern und Oratorien wie das „Halleluja“ von Händel wurden auch patriotische Lieder gesungen. Sie waren vom Geiste der Eintracht im Kampf durchdrungen und verherrlichten trotzig Krieg und Kampf als höchste Tugend: „Deutscher Gruß“ komponiert von Joseph Hartmann Struntz (1793-1859), Münchener Hofkapellmeister, der als Begründer des Männergesangswesens in München gilt, und „Kriegerlied“ von Joseph Panny (1794-1838), der ein österreichisch-böhmischer Komponist, Geiger und ein Freund von Nicolo Paganini war.
Das „altdeutsche Schlachtenlied“ von Julius Rietz (1812-1877), der Kompo-nist und Hofkapellmeister in Dresden war, preist den Schlachtentod: “Kein sel´ger Tod ist in der Welt, als wer vom Feind erschlagen…“
Viele Chorsätze, die an diesem Abend gesungen wurden, kamen aus der Feder von Konrad Max Kunz (1812-1875). Kunz war Chordirektor am könig-lichen Hof- und Nationaltheater in München und gilt mit seinen zahlreichen Kompositionen für Männerchöre als einer der „Väter des Männergesanges“. Er komponierte die Melodie der späteren Bayernhymne. Ihm zu Ehren hat Schwandorf im Jahr 2010 mit den „Konrad-Max-Kunz-Tagen“ ein neues Musikfestival ins Leben gerufen.
Am Abend kam das „Skladenlied aus der Oper „Hermannschlacht“ des französischen Komponisten Andre´ Chelard (1789-1861) ,arrangiert von K.M. Kunz, zur Aufführung. Chelard hatte 1835 in München diese Oper mit Erfolg herausgebracht. Robert Schumann (1810-1856) schrieb 1835 in seiner Rezension über diese Oper in der „Neuen Zeitschrift für Musik“, dass das Skladenlied seiner wunderschönen Melodie wegen zu den vorzüglichsten Stücken der Oper gehört.“ Dieses Lied, so notiert von Wulffen, war „der Verherrlichung der Tapferen geweiht, die im Kampfe gegen die römischen Legionen für die höchsten Güter des Lebens, für Weib und Kind, für Freiheit und Vaterland den Heldentod gefunden.“ Und zum Schluss ertönte der Schwur: „So laßt uns für die Freiheit denn kämpfen ohne Rast, Daß wir uns Alle finden in Odins Siegpalast.“
Der von Jung und Alt erwartete Höhepunkt der musikalischen Darbietungen war die Volksweise „Prinz Eugenius der edle Ritter“ in einer Vertonung von Konrad Max Kunz. Zum Abschluss des Festes „schwirrten die Raketen, es donnerten die Geschützstücke, magische Flammen warfen ihren Schein über die dichtgedrängte jubelnde Menge,… und die Sänger drinnen schwangen die Hüte und stimmten ein in den allgemeinen Freudenruf; es war ein unvergesslicher Moment glühender Begeisterung. … Nur zögernd verließen die Meisten den Festplatz.“
In den „Blättern der Erinnerung…“ hebt der Verfasser von Wulffen als Vorstand der Liedertafel besonders die Gastfreundschaft der Passauer hervor, die die Sängergäste auf das Herzlichste aufnahmen und sie wie Angehörige ihrer Familie behandelten „wie allenthalben der beste Theil des Hauses für die erwarteten Gäste geräumt wurde.“
Aus diesen Begegnungen entstanden viele Freundschaften, die noch lange hielten. Bei der Nachfeier am 14. Juli wurden, „als die Festhalle noch nicht den Streichen der Axt erlegen war“, die drei Komponisten Johann, Georg Mettenleiter, Chordirektor aus Regensburg, Conrad Max Kunz, Chordirektor aus München und Joseph Hartmann Struntz, Hofkapellmeister in München zu Ehrenmitgliedern ernannt und ihnen ein Diplom verliehen. Ehren-mitglieder wurden auch Anton Harrer, der Architekt der Festhalle, Leopold Lenz, Hofoperndirektor in München, Gustav Barth, Komponist und Vorstand des Wiener Männergesangsvereines und der Wiener Chormeister Anton Storch.
Literatur
Brunner, Max, Gruber, Petra, Sutter Christiane (Hg.): Neue Herren-Neue Zeiten. Passau und das 19. Jahrhundert. Passau 2014.
Friedrich, Brigitte: Das Max I. Joseph-Denkmal am Domplatz 1824-1828. In: Möseneder, Karl (Hg.). Denkmäler. Passau und das Königreich Bayern. Passau 1996, S. 11-61.
Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute. Regensburg 2004/2.
Holland, Hyacinth: Herwegen, Peter: In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 50, Duncker& Humblot, Leipzig 1905, S. 263-265.
Klenke, Dietmar: Der Singende „Deutsche Mann“. Gesangsvereine und Deutsches Nationalbewusstsein von Napoleon bis Hitler. Münster 1998.
Körner, Hans-Michael (Hg.): Große Bayerische Biographische Enzyklopädie, München 2005.
Liesecke, Albrecht: Gedenk-Buch der Passauer Liedertafel 1842-1892. Zur Feier des 50jährigen Bestandes. Passau 1892.
Mader, Franz: Tausend Passauer. Biographisches Lexikon zu Passaus Stadtgeschichte. Passau 1995.
Mayer, Emil: Das deutsche Sängerfest in Passau am 5.,6., und 7. Juli 1851. Ein Erinnerungsblatt, allen deutschen Sangesbrüdern gewidmet. Linz, J. Feichtingers Erben, 1851.
Johann und Josef Rint: Die Bildschnitzer Adalbert Stifters. Zur Ausstellung im Linzer Schlossmuseum Linz; 26. Juni-6. Oktober 1968. Vierteljahrsschrift, Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich; Jahrgang 17, Folge 3.
Stifter, Adalbert: Johann Rint, Geschnitzer Becher, In: Möseneder8
Österreichisches Biographisches Lexikon und biographische Dokumentation, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Wulffen, Friedrich: Blätter der Erinnerung an das Passauer – Sängerfest 1851, mit Illustrationen von Herwegen, Peter. Passau 1851.
150 Jahre Gesellschaft der Musikfreunde- Passauer Liedertafel e.V. 1842-1992. Ein Almanach. Passau 1992.