Die historische Innschiffahrt – Naufahrt und Gegenfahrt

Die historische Innschiffahrt – Naufahrt und Gegenfahrt

Ursprünglich wurden die Schiffe stromaufwärts mit Menschenkraft gezogen, von eigenen mit „Schiffslehen“ ausgestatteten Schiffsziehern. Der Übergang von Menschenkraft zum Pferdezug ist um die Mitte des 14. Jahrhunderts belegbar. Die ersten Nachrichten über „Rosszillen“ auf Inn und Donau stammen aus den Jahren 1364 und 1374. Doch erst allmählich setzen sich die Pferdeschiffszüge durch. Noch bis ins 16. Jahrhundert gab es neben dem Rosszug immer auch weiter den Menschenzug, die „Tretler“.

Der Übergang zu mit Pferden betriebenen Schiffszügen erforderte kostspielige Investitionen, die An-lage von Treppelwegen, die Bereitstellung von Pferden, die schweren Zugseile und teuren Pferdege-schirre.

Auszug aus der Federzeichnung „Prospect eines kompletten kurpfälzisch-bayerischen Salzschiffzuges“ 1777/1806,
Oberhausmuseum Passau, Inv.-Nr. 33

Diese Schiffsverbände, bestehend aus bis zu vier aneinander gehängten Lastkähnen, die von 30 bis 50 Pferden gezogen und von 60 Menschen begleitet wurden, bestanden aus drei großen, festgefügten Zillen und vielen Nebenschiffen und konnten bis zu 500 Tonnen Nutzlast flussaufwärts befördern.
Solche Schiffszüge erreichten inklusive der Pferde Gesamtlängen von 400 bis 500 Metern. Voran die Hohenau, dahinter Nebenbei, Schwemmer, dazu einige Begleitboote und „Plätten“, die das Seil über Wasser zu halten, Pferde und Mannschaften bei einmündenden Flüssen oder unpassierbaren Ufer-hindernissen überzusetzen und sie dann auch wieder talwärts zu transportieren hatten.

Mitgeführt werden mussten auch sog. Mutzen zum Transport der mehrere Tonnen schweren, bis zu 700 Meter langen und 8 bis 9 cm starken Seile, ein „Kuchlschiff“ (Küchenschiff für die Lebensmittel), einige Plätten für die persönliche Habe der Mannschaft, für Futter der Tiere und sonstigen Bedarf und eine „Waidzille“ als Rettungsboot.

Die Rollen auf diesen Schiffszügen waren genau verteilt.

Der Vorreiter ritt voraus. Er führte eine lange Stange, die Standschallen genannt wurde, in der Hand. An dieser Stange war eine Markierung befestigt, woran er erkennen konnte, wie tief das Wasser min-destens sein musste, damit die Schiffe nicht aufsetzten. Er erkundete das Wasser und warnte die Schiffe vor Sandbänken und Steinen. An Land beaufsichtigte er den Schiffsweg und kommandierte die Reitbuben.

Auf dem ersten Schiff, der Hohenau, führte der „Sößstaller“ das Kommando über den ganzen Zug und kümmerte sich um alles, was den Zug betraf. Auch er hatte eine lange Stange (=Standschallen) in der Hand, mit der er die Wassertiefe kontrollierte. Der Seilträger hatte die Aufsicht über das Seilzeug. Sein Gehilfe war der „Bruckknecht“. Der „Stoirer“ war der Steuermann der Hohenau, seine Helfer waren die Hilfsruderer, der Reserveschiffmann oder Bursch und schließlich der Koch. Auf dem zweiten und dritten Schiff befanden sich in der Regel vier Mann, auf dem vierten zwei.

Der Kuchelbub ging gewöhnlich voraus und musste an jedem Ort den Mautschein unterschreiben lassen. Er musste Besorgungen für den Schiffszug machen (z. B. Verpflegung) und Botengänge unter-nehmen.

Das Teuerste war das Hauptseil, auch Busen genannt. Die Nebenbei und der Schwemmer hingen an jeweils eigenen Seilen am Hauptschiff. Mit mehreren Seilen wurde die Steuerung erleichtert. Die Beschirrung der Pferde bestand aus Riemenzeug, Kummet und Sielen. Die Pferde waren teils paar-weise, teils einzeln eingespannt. Die meisten waren beritten. An der Spitze des Zuges ritt der Vorreiter. Für einen Zug mit 31 Pferden rechnete man 21 Reiter.

Die Sättel waren einfach und gewöhnlich aus Holz gefertigt. Die Pferde erhielten als Futter G´hack und Hafer. Mit den Pferden wurde hart umgegangen. Die Pferde waren kräftig, ihr Schweif kurz am Körper abgehackt, die Hufe mit schweren Hufeisen beschlagen. Ihre Arbeit war hart, auf dem teils sumpfigen, teils felsigen, sehr unebenen Uferland, das durch Gebüsch, Gestrüpp und Wurzelwerk überwachsen war. Immer wieder mussten querende Flussarme und Zuflüsse durchschwommen werden.

Die Treppelwege mussten ständig erhalten werden, wurden bei jedem Hochwasser zerstört und waren hernach oft kaum mehr zu finden. Die Schiffe waren im Eigentum der Schiffsmeister. Die Pferde und Rossleute wurden von Bauern gestellt.

„Auf überall in Gottes Nam“ war das Kommando zum Start. Mit „Gwan di! Hab über! Hab´n in Gotts Nam!“ setzte sich der Zug in Bewegung, mit mörderischem, ununterbrochenem, ohrenzerreißendem Geschrei. „Hoa“ war das Kommando zum Stillstand.

Die Treiber nächtigten in Zelten in den Auen, die Schiffsleute auf dem Schiff. Gekocht wurde auf der Hohenau, mittags und abends: Suppe, Knödel, Rindfleisch, Semmelkren, an Fasttagen nur Knödel. Zum Frühstück und nachmittags gab es Trunk und Brot.

In wochenlanger, mühsamer Reise kämpften sich Mensch und Tier flussaufwärts gegen Wasser und Wind und beförderten Getreide, Wein und Schlachtvieh über Innsbruck und die Brennerstraße bis nach Oberitalien.

Auf der Naufahrt, stromabwärts also, wurden in großen Schiffszügen Holz und Erz verfrachtet, vor allem das kostbare Salz aus den Lagerstätten im Alpenraum. Auf den „Goldenen Steigen“ gelangte die Ware mit Saumtieren und auf dem Rücken der Säumer auch ins Böhmische bis nach Polen.

Auf dem Marktplatz ist noch das Schiffmeisterhaus des Schiffmeisters Nikolaus Oberndorfner mit dem Rokoko-Stuck von Joh. Baptist Modler mit Darstellungen der Innschifffahrt zu sehen.

Zwei Schiffsmeister und die Schifferkirche „St. Nikolaus“

„Die Obernpergerin“

Die historische Innschifffahrt war von den Innschiffern geprägt. Diese Schiffsleute, auch Strumer und Treidlreiter genannt, überdauerten den Winter mit Arbeiten im Schopperstadel, wo sie die Planken, Seile und Rossgeschirre ausbesserten. Im Frühling begann die „Naufahrt“ den Fluss hinunter auf den flachen, schnell gebauten Plätten.

Der „Naufürg“ kommandierte die „Ruederer“ und „Stoirer“, die sich an den langen Ruderbäumen mühten. Wenn alles gut ging, haben sie zehn Tage nach dem Start in Hall die Stadt Wien erreicht. Mit einer anderen Plätte, beladen zum Beispiel mit Weizen oder Wachauer Wein, begann die mehrere Wochen dauernde „Gegenfahrt“.

Das Hauptschiff, an das mehrere Nebenschiffe und Beiboote angebunden waren, wurde an Seilen von Rössern gezogen, die Kommandos kamen vom Schiff aus an die etwa zwanzig Reiterbuben, die oft aus dem Rottal stammten und sich häufig gleich für mehrere Fahrten beim Schiffsmeister verdingt hatten. Sie erhielten für ihre Dienste ein festes Tagesgeld, dazu Rindfleisch, Brot, Bier und Hafer für die Pferde.

Kommandant des Reitertrosses war der Stangenreiter, dessen Pferd nicht angeschirrt war wie die übrigen. Der Stangenreiter hatte seinen Namen von der quer über die Schenkel gelegten Messstange, mit der er von Zeit zu Zeit, dem Tross vorausreitend, die Wassertiefe maß. Übernachtet wurde währ-end der Gegenfahrt in mitgeführten Zelten, die Verpflegung geschah auf den Trossschiffen.

Bei der Gegenfahrt war oft der Schiffsmeister selbst an Bord, der zu den wohlhabendsten Bürgern ge-hörte, da er sich in der Regel auch als Händler und Gasthausbesitzer betätigte. Bis ins 19. Jahrhundert prägten diese Schiffsmeisterfamilien wesentlich die Städte am Fluss. Die Schiffsmeister sind reich geworden, denn meist sind sie auch Ankäufer des Getreides, Weinhändler oder Wirte. So sitzen die Schiffsmeister bis zum Ende der Innschifffahrt im 19. Jahrhundert in den Städten und Märkten als stolze Familien, die alle untereinander verwandt waren.

Die Fahrten waren nicht ungefährlich. Brücken, Felsen, Stromengen und Strudel konnten der Reise ein jähes Ende bereiten, vor allem, wenn die Steuerleute nicht aufpassten. Die Vornbacher Innenge war eine gefürchtete Strecke für die Schiffer, die „Nauflezer“.

Treidelweg (Treppelweg österreichisch) auf österreichischer Seite, der in den Jahren 1824-1827 aus den Uferfelsen gesprengt worden ist, wo schwere Rösser die Schiffe stromauf zogen

So sah die Vornbacher Innenge vor dem Stauwerksbau in Ingling im Jahr 1963 aus

Mitten im Fluss ein Felsen

Daher sprach der Schiffsführer bei der Abfahrt den alten Wassersegen:

„Laß rinna und fahr! Und gedenk unsan Herrn, sein bitteres Leiden und Sterben, damit uns Gott der Herr a nöt vergißt. Sprecht das Gebet Gott zu Lobes und Erhn, damit uns Gott der Herr diese Fahrt und manche Fahrt mit Grund und Freudn wieda hoamschickt.“

Im Bittseufzer von 1771 heißt es:

„Gesetzt das Schiff zerbricht, uns selbst verlaß doch nicht; auch Petrus fing schon an zu sinken, doch ließest Du ihn nicht ertrinken. Auch unser Leben, Hab und Gut ist, Herr, in deiner Hut.“

Vor dem endgültigen Niedergang der Innschifffahrt wurde versucht, den Inn mit Dampfschiffen zu be-fahren. Dazu erteilte am 18. Oktober 1853 König Maximilian II. von Bayern dem Fabrikbesitzer Josef von Maffei und der Miesbacher Steinkohlegewerkschaft die Erlaubnis zum Betrieb einer Dampfschiff-fahrt auf dem Inn und Donau. Am 4. September 1854 machte das Dampfschiff „Vorwärts“ eine Probe-fahrt von Passau nach Braunau, wozu es acht Stunden und 42 Minuten benötigte.

Es zeigte sich, dass vor Aufnahme des fahrplanmässigen Verkehrs erhebliche Baumassnahmen durch-geführt werden mussten, weil rasch wechselnde Untiefen und Brückendurchfahrten, die bei höherem Wasserstand zu niedrig waren, die Schifffahrt behinderten. So konnte der reguläre Betrieb zwischen Passau und Braunau erst im September 1855, bis Rosenheim sogar erst am 17. Mai 1857 mit dem 1856 erbauten Dampfschiff Stadt Wasserburg aufgenommen werden. Im Jahr 1857 kamen mit der „Stadt Rosenheim“ und der „Neu Ötting“ sowie am 6. Mai 1858 mit der „Stadt Simbach“ drei weitere Dampf-schiffe dazu.

Wegen der starken Strömung und wegen des stark wechselnden Wasserstandes war der Betrieb jährlich nur an rund 100 Tagen möglich. Auch für eine lukrative Schleppschifffahrt mit grösseren Güter-kähnen fehlten die Voraussetzungen. Dementsprechend waren die wirtschaftlichen Ergebnisse unzu-länglich. Es entstanden hohe Betriebsverluste. Deshalb beantragte die Firma Maffei für 1858 die Auf-lösung der Gesellschaft. Das im gleichen Jahr gelieferte Dampfschiff Hirschau kam nicht mehr zum Ein-satz.

Also wurde die Fahrgastschifffahrt auf dem Inn im 19. Jahrhundert schon nach drei Jahren eingestellt. Die sechs hier eingesetzten von Maffei gebauten Dampfschiffe wurden verkauft. Zwischen 1870 und 1880 lebte dann die Dampfschifffahrt auf dem Inn kurz wieder auf: Die bayerische Staatsregierung und die „k.u.k.private Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft“ schlossen dafür einen Vertrag. und 42 Minuten benötigte.

„Tristan“ mit Ludwig II. vor Schloss Berg, gemalt von Erich Correns, 1867

Die Tristan, einstmals Chiemseejacht des „Märchenkönigs“ Ludwig II., wurde 1890 den Inn hinunter-gefahren und war damit lange Zeit das letzte größere Schiff auf dem Inn. 1911 befuhr das Motorschiff Linz probeweise die Strecke von Passau nach Schärding. Mit dem Bau der Eisenbahn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Bedeutung der Inn-Schifffahrt immer mehr zurück. Nur Holz wurde noch bis in die 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts in Form von Flössen am Fluss transportiert.

Von 1930 bis in die 1950iger Jahre wurde der Inn von Dampfschiffen befahren, welche Schleppkähne zogen, auf denen die graniternen Bruchsteine zur Uferverbauung befördert wurden.

Richard Pietzsch, Schleppkahn, Kloster Vornbach, 1929

Richard Pietzsch, Kahn für die Uferverbauung, 1929

Schleppkahn bei der Alten Brücke Schärding-Neuhaus

Nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte die Stadt Schärding im Jahr 1949 von der „Schiffahrt AG Bayer-ischer Lloyd“, Agentie Passau, die Einrichtung eines regelmäßigen Motorbootverkehrs von Passau nach Schärding-Neuhaus. Ab dem 1. Mai 1951 wurde die Route bis Obernberg am Inn ausgedehnt, jedoch wegen Unwirtschaftlichkeit bereits 1952 wiedereingestellt. Das Jahr 1953 bedeutete das Aus für alle Fahrten nach Schärding-Neuhaus. Der Bau der Innkraftwerke machte das durchgehende Befahren des Inn mit Schiffen schließlich unmöglich, da die Schleusenanlagen in den einzelnen Staustufen fehlten.

1987 begann jedoch der frühere Schärdinger Speditionskaufmann Manfred Schaurecker mit dem Aus-flugsschiff Schärding zwischen den beiden letzten Kraftwerken Schärding-Neuhaus und Passau-Ingling wieder einen Schiffsverkehr auf dem Inn.

Ausflugsschiff Schärding

1992 nahm Schaurecker die einem historischen Salzfürstenschiff nachempfundene Gerda in Betrieb. 2013 folgte von Neuhaus am Inn aus die hölzerne Plätte Neuhaus, die der Donauschifffahrt Wurm + Köck gehört.

Innplätte Neuhaus