Die lutherischen Schmelzinger – Verwalter der Grafschaft Neuburg

Die lutherischen Schmelzinger - Verwalter der Grafschaft Neuburg

Zu den führenden Vertretern der lutherischen Gemeinde in der Grafschaft Neuburg zählte Leonhard Schmelzing, der von 1560 bis 1584 Verwalter der Grafschaft Neu-burg und Mautner in Wernstein war. Er war ein Bruder des Passauer Bürgers Bern-hard Schmelzing. Beiden gehörte der Edel- und Freisitz Zwickledt in der Herrschaft Wernstein, der ihnen von Graf Julius I. von Salm im Jahr 1567 verliehen worden war.

der Edel- und Freisitz Zwickledt

Leonhard Schmelzing hatte unter Kaiser Karl V. an dessen Krieg gegen Frankreich teilgenommen und gehörte später zur Leibgarde König Philipps II. von Spanien. Für seine treuen Dienste wurde Leonhard Schmelzing im Jahr 1567 von Kaiser Maxi-milian II. (1537-reg. 1564 – 1576) in den Adelsstand erhoben.

Darüber hinaus besaß Leonhard in der Grafschaft Neuburg einen Hof in Fürstdobl, den sog. Schmelzinger Hof, aus dem die Familie Schmelzing hervorging. Aus dem landwirtschaftlichen Betrieb hat sich in den letzten Jahrzehnten ein großes Logistik-unternehmen entwickelt (Brummer Logistik und Brummer Thermologistik).

Schmelzingerhof und Brummer Logistik im Jahr 2019

Joachim und Bernhard Schmelzing versuchten sich ein Familiengrab zu sichern, indem sie auf ihre Kosten die St. Georgs-Kapelle in Wernstein ausmalen und mit Er-laubnis des Passauer Dekans einen Grabstein aufstellen ließen. Dort wurde dann später der Sohn von Bernhard Schmelzing beigesetzt.

Als Bernhard Schmelzing 1565 starb, wurde ihm in Passau das Begräbnis verweigert, weil er seit 22 Jahren nicht den schuldigen christlichen Gehorsam geleistet habe und der Stadtpfarrer ihn für lutherisch hielt. Daraufhin veranlasste sein Bruder Leon-hard Schmelzing, dass sein Leichnam nach Neuburg gebracht und im Schloss aufbe-wahrt wurde. An Anwesenheit vieler Passauer Bürger hielt der Prädikant David Pflacher die Leichenpredigt, anschließend wurde der Tote mit vielen „deutschen luth-erischen und sektischen“ Gesängen zur St. Georgs-Kapelle in Wernstein geleitet und vor den Stufen des Altars beigesetzt.

Bischof Urban von Trenbach (1561-1598)

Bischof Urban von Trennbach verhängte daraufhin das Interdikt über Wernstein, ließ den Leichnam entfernen und außerhalb der Kirche begraben.

1584 hatte Joachim von Schmelzing (1564-1620) von seinem Vater Bernhard von Schmelzing das Amt des Verwalters der Grafschaft Neuburg und des Mautners zu Wernstein übernommen, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1620 ausübte. Joachim bekannte sich ganz offen zur lutherischen Lehre und unterschrieb zusammen mit seinem Bruder Ludwig von Schmelzing im Jahr 1608 auf Wildenhaag (Straß im Atter-gau, Bezirk Vöcklabruck, Oberösterreich) die große Konföderation der protestan-tischen Stände von Oberösterreich.

Schloss Wildenhag nach einem Stich von Georg Matthäus Vischer von 1674
aus der Topographia Austriae superioris modernae

Das Wappen der Schmelzinger in den Kirchen von Wernstein und Neu-kirchen am Inn

In den Kirchen von Wernstein und Neukirchen am Inn bezeugen Epitaphe mit reformatorischem Inhalt, dass Joachim Schmelzing dem lutherischen Glauben an-hing.

Epitaph des Joachim von Schmelzing und seiner Frau Renate von Schwartzdorff

Das linke Wappen oben am Gesims ist Bestandteil des Wappens der Gemeinde Wernstein geworden.

Auf dem Epitaph in Wernstein sieht man Joachim von Schmelzing mit seiner Frau Renate von Schwartzdorff unter dem Kruzifix knieend, darunter eine ovale In-schriftentafel: Omnia sunt hominum tenui pendentia filio et subito casu quae volvere ruunt (Distochon aus Ovid, Ex Ponto): „Alles Menschliche hängt an einem seidenen Faden. Und im plötzlichen Fall stürzt, was vorher noch galt.“

Seitlich des Reliefs sind Voluten, darüber unverkröpftes Gesims, über welchem zwei Wappen mit einem Cherubskopf in der Mitte angebracht sind.

Das linke Wappen oben am Gesims ist Bestandteil des Wappens der Gemeinde Wernstein geworden.

In Neukirchen am Inn ist ein Bibelwort aus Römer 14 in der Übersetzung Martin Luthers beigefügt: „Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“

DEO OPTIMO MAXIMO
Allhie ligt begraben weillendt der Edl vund Gestreng/
here Joachim Schmeltzing zum Fürstabel verwalter/
der Graffchafft Neuburg vnd Mauth wernstain/
so gestorben den 23. Augusty Anno Christi 1620/
seines Alters 55 Jahr dem Gott genadt/
wier leben oder sterbe(n), so sindt wier des herren ROM(ANOS) XIII

Wappengrabplatte für den neuburgischen Verwalter und Mautner von
Wernstein Joachim Schmelzing zu Fürstdobl (1565-1620), und Maria, geb.
Scharffseder von und zu Ruckering, Pfarrkirche in Neukirchen am Inn.

Wappen Schmelzing: Zwei St. Markus Löwen und Mannesrumpf in eingebogener Spitze. Wappen Scharffsed: mit dem aus Baumstumpf über einem Dreiberg und zwei gekörnten Schlangen gevierten Wappen. Die Platte nennt das Bibelwort aus Römer 14 in der Übersetzung Martin Luthers: „Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“

Allhie liegt begraben auch die Edle Frau Frau/ Maria schmeltzingin göborne SCharffsederin von/ Kicherding welche in christi seliglichen eingeschlaffen/den Anno CHRISTI (—)Ihres Alters deren Gott genedig/ sey

Hochrechteckige Platte, in drei Felder unterteilt, oben breites Feld mit gerundeten Seiten in Lorbeerrahmen, darin Grabinschrift für Joachim Schmelzing, in den Ecken oben Blattwerk, unten Rosetten, in der Mitte zwei verschmelzende hochelliptische Medaillons mit Relief je eines Vollwappens, in den Zwickeln um die Medaillons Blattwerk; darunter breites Feld mit gerundeten Seiten in Lorbeerrahmen, darin Grabinschrift für Maria Schmelzing, in den Zwickeln Blattwerk. Kalkstein

Nicolaas Schmelzing (1561-1629) – ausgewandert in die Niederlande- und die Winterkönigin Elisabeth Stuart

Porträt von Nicolaas Schmelzing ( 1561-1629) von Jan van Ravesteyn und Werkstatt
National Militair Museum MH419

Leonhards Schmelzing in Zwickledt geborener Sohn Niklas (1561-1629), der Bruder von Joachim vom Schmelzing, war ebenfalls lutherisch gesinnt, weshalb er zu Beginn der 1590er Jahre in die niederländischen Provinzen emigrierte.

Als Nicolaas Schmelzing ist er dort als Höfling und Kriegsbefehlshaber aber auch durch seine brieflichen Korrespondenzen und seine Gemäldesammlung in die Ge-schichte eingegangen. Er trat in den Dienst des Herzogs von Nassau.

1593 erhielt er auf besonderer Empfehlung des Grafen Philipp von Nassau und des Prinzen Moritz von Oranien und auf Vorschlag der Provinz Utrecht von den Generalstaaten ein Patent als Rittmeister der Staaten der Niederlande. So nahm Nicolaas Schmelzing an der Kavallerie-Schlacht bei Lippe teil. 1616 wurde er zum Vizegouverneur der Provinz Overijssel ernannt und 1625 zum Präsidenten des Exekutivkriegsrats gewählt.

Nicolaas Schmelzing, der unvermählt war, verkehrte in Rhenen am Hof der dort im Exil lebenden böhmischen Königin Elisabeth Stuart (1596-1662), der Enkelin von Maria Stuart. Elisabeth Stuart wurde schon zu Lebzeiten als Winterkönigin be-kannt. Sie war Stammmutter sämtlicher Monarchen Großbritanniens.

Nicolaas Schmelzing am Hofe der Winterkönigin Elisabeth

Elisabeths Hof war der geistige Mittelpunkt der protestantischen Gesellschaft. Sie entsprach dem Schönheitsideal der damaligen Zeit. So wurde sie anerkennend „Pearl of Britain“ (deutsch: Perle Britanniens), Englands Rose und nicht zuletzt aufgrund ihres Charmes „Queen of Hearts“ (deutsch: Königin der Herzen) genannt.

Elisabeth erhielt fast kultische Verehrung durch viele Bewunderer, so auch durch Nicolaas Schmelzing, mit dem sie einen Briefwechsel führte. Der Dichter, Komponist und Diplomat Constantijn Huygens (1596 – 1687), der für ein gebildetes Publikum mora-lische und fromme Gedichte schrieb, widmete im Jahr 1628 Nicolaas Schmelzing und Elisabeth Stuart ein Gedicht.

Elisabeth Stuart war Prinzessin von England und Schottland und durch ihre Heirat mit Friedrich V. von der Pfalz, dem Winterkönig, von 1613 bis 1623 Kurfürstin von der Pfalz sowie von 1619 bis 1620 Königin von Böhmen.

Das reichbestickte Gewand, die exquisiten Spitzenmanschetten und Perlenschnüre um Hals und Armgelenke künden von hoher Stellung; das aufgelöste Haar und der träumerische Blick aber zeigen die private Seite einer Frau, die zu den romantischen Figuren des 17. Jahr-hunderts gehört: So malte der Flame Michael van Mierevelt 1622 die „Winterkönigin“.

Als moderne Helena, die den 30jährigen Krieg entfesselte, attackierten sie ihre Feinde. Ihr Charme und ihre Furchtlosigkeit aber fanden viele Bewunderer. Und ihr wechselhaftes Schicksal machte sie zur tragisch umflorten Heroine.

Links: Die Winterkönigin Elisabeth Stuart (um 1623), Werkstatt von Michiel van Mierevelt

Rechts ¨Elisabeth Stuart (Gemälde von Gerrit van Honthorst, 1642), als trauernde Witwe. Sie trägt schwarz mit sehr wenigen Schmuckstücken, vor allem die Ohrringe, die ihr ihr Mann geschenkt hatte. Sie hält einen Zweig in der Hand, mit zwei Rosen, eine gesunde und eine verwelkte; dies ist zusammen mit dem schwarzen Band am Arm ein Symbol für ihren verwitweten Zustand. Der Hund ist das Symbol der Treue

Friedrich V.in Harnisch und Kurmantel mit der böhmischen Wenzelskrone, Reichsapfel und Zepter in den Händen, Kurschwert und Kurhut neben ihm; als Zeichen der Verbundenheit mit dem englischen König trägt er die Ordenskette des Hosenbandordens, Gemälde von Gerrit van Honthorst, dem Hofmaler Friedrichs V., posthum 1634 vollendet, Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg

Reiterbildnis des Königs Friedrich im Harnisch, im Hintergrund die Stadt Prag, 1619/20

Krönung Friedrichs V. zum böhmischen König in Prag im Jahr 1619, Wolfenbüttel,
Herzog August Bibliothek, Inv.Nr. IH 526

Die Schlacht am Weißen Berg von Pieter Snayers, Bayerische
Staatsgemäldesammlungen München -Leihgabe Armeemuseum Ingolstadt-

Flugblatt über den Winterkönig

Gegen den katholischen Kaiser Ferdinand II. war Friedrich in Prag als Führer der protestantischen Union zum böhmischen König gewählt worden. Doch diese könig-liche Rolle spielte er nur einen Winter lang. Friedrich wurde am 8.

November 1620 in der Schlacht am Weißen Berg von den Truppen der katholischen Fürsten unter Tilly entscheidend geschlagen.

Dank seiner nahen Verwandtschaft zu den Statthaltern der Niederlande – Friedrichs Mutter Louise Juliane war die Schwester des Statthalters Maurits von Oranien – sowie der konfessionellen und politischen Verbindungen fand der geächtete „Winter-könig“ mit seiner Familie im Jahr 1621 Aufnahme in den Niederlanden.
Finanziell unterstützt von den Niederlanden und dem englischen Königshaus führten Friedrich und Elisabeth dort schon bald einen eindrucksvollen „Böhmischen Hof“ und errichteten in Rhenen in der Provinz Utrecht eine stattliche Sommerresidenz.

Palais des Winterkönigs Friedrich V. in Rhenen (Niederlande), erbaut von Bartholomeus van Bassen, vollendet 1631

Palast des Winterkönigs in Rhenen, Provinz Utrecht

Als „Winterkönigin“ wurde Elisabeth bereits zu Lebzeiten bekannt. 1632 Witwe geworden, bemühte sie sich um die Rückgabe der Kurpfalz an ihren ältesten Sohn Karl Ludwig; erst 1648 erhielt er die Kurpfalz in verkleinertem Umfang zurück.

Nach der Restauration des Hauses Stuart konnte Elisabeth Stuart im Jahr 1661 in ihre Heimat zurück-kehren, wo sie im folgenden Jahr starb.

Aufgrund des 1701 vom englischen Parlament erlassenen Act of Settlement wurde Elisabeths jüngste Tochter Sophie, als einzige zu diesem Zeitpunkt protestantische Nachfahrin der Könige von England und Schottland nach der Thronfolgerin Anne Stuart, zur Thronerbin dieser Länder bestimmt. Sophias Sohn Kurfürst Georg I. von Hannover bestieg daraufhin im Jahr 1714 den britischen Thron. Elisabeth Stuart wurde dadurch zur Stammmutter sämtlicher Monarchen Großbritanniens.

Nicolaas Schmelzing starb am 8. September 1629 während der Belagerung von ’s-Hertogenbosch, als eine niederländische und englische Armee die zu den spanischen Niederlanden und dem spanischen König treu gebliebene Stadt eroberten. Schmelzing wurde in Heusden stattlich beerdigt.