17. Station: Am Mariensteg auf österreichischer Seite, Künstler und die Neuburg: Alfred Kubin, Julius Hüther, Richard Pietzsch, Conrad Felix-müller
17. Station: Am Mariensteg auf österreichischer Seite, Künstler und die Neuburg: Alfred Kubin, Julius Hüther, Richard Pietzsch, Conrad Felix-müller
Katalog zur Ausstellung in der Landkreisgalerie im Jahr 2006
Alfred Kubin, Blick von Wernstein aus auf die Neuburg und der Ortschaft „In der Leithen“, mit Fähre – Beilage zur Donauzeitung, Passau 1931, Heft 5, 76
1906 verließ der 29-jährige Zeichner München und nahm seinen Wohnsitz im ober-österreichischen Zwickledt. Dieses Schlösschen, das zu „seiner Arche“ werden sollte, gehörte bis 1803 zur Grafschaft Neuburg. Von dort aus hatte er einen direkten Blick zur Neuburg, die auf gleicher Höhe auf der gegenüberliegenden Seite des Inns zu sehen war. Hier entstand auch 1909 in einem Schaffensrausch der Roman „Die andere Seite“. Als dann im Jahre 1908 die Restaurierung der Neuburg begann, konnte Kubin ihre Wiedererweckung aus der Ferne miterleben.
Alfred Kubin (1877-1959) wohnte von 1906 bis zu seinem Tod im Jahr 1959 in Zwickledt auf der gegenüberliegenden Innseite mit Blick auf die Neuburg.
Kubinhaus in Zwickledt,
Dr. Kurt Otte und Alfred Kubin, 1954
Da es in Wernstein kein adäquates Hotel gab, nahmen die Persönlichkeiten im Künst-lererholungsheim auf Schloss Neuburg Quartier. Mit der Fähre setzten sie über den Inn, und konnten so Alfred Kubin (1877-1959) in seinem Haus in Zwickledt be-suchen.
Der Name des Hamburger Apothekers Dr. Kurt Otte ist oftmals im Gästebuch des Künstlererholungsheimes aufgeführt. Alles was über Alfred Kubin seit den 1920iger Jahren publiziert wurde, hat er archiviert. Aus dieser Sammlung entstand das große Alfred Kubin Archiv in Hamburg, das 1971 in das Lenbachhaus in München über-nommen wurde.
In mehreren Blättern hat sich Kubin mit der Neuburg beschäftigt, allerdings erst in 1940er Jahren. Kubin war mit dem Initiator der Rettung der Neuburg, Dr. Max Heberle, und seiner Frau Irene in Freundschaft verbunden, die in häufigen Besuchen und einem intensiven Briefwechsel Ausdruck fand. Für Kubin war der Inn keine Grenze, sondern eine kulturelle Lebensader. Trotz der Abgeschiedenheit in der ländlichen Idylle von Zwickledt suchte er den Kontakt und die Freundschaft zu zahl-reichen Malern, Bildhauern, Dichtern, Schriftstellern, Illustratoren und Verlegern. Oftmals ließ er sich mit der Fähre von Wernstein nach Neuburg übersetzen oder fuhr mit dem Zug nach Passau, um dort Besuche zu machen.
Kubin hat die mächtige Burganlage der Neuburg in mehreren Zeichnungen festgehalten.
Die Neuburg am Inn, Krippendarstellung, 1949, Feder, Tusche auf Papier, 26,7×40,4 cm
Aus dem Jahr 1949 gibt es eine hochinteressante, virtuos gezeichnete Neuburg-darstellung. Kubin verbindet die Abbildung der Neuburg, von der Innseite her topographisch ziemlich genau gezeichnet, mit einer Krippenszene.
Zu den Füßen der Neuburg spielt sich auf einem Plateau eine weihnachtliche Szene ab. Es sind vier Hirten zu sehen. Einer davon hält einen Hirtenstab in der Hand, ein Hirte im linksunteren Bildrand trägt ein Schaf auf seinen Schultern.
Auf der Weide liegt eine Kuh, mehrere Schafe grasen. Die Hirten gehen zum Stall, der eine Bretterhütte ist. Vor dem Stall sitzt eine Mutter mit ihrem kleinen Kind, daneben steht ein Mann. Neben der Hütte sind ein stehender Esel und ein liegender Ochs er-kennbar, hinter der Hütte sieht man eine dichte Baumgruppe.
Alfred Kubin, Die Neuburg am Inn, um 1940, Feder, Tusche auf gelblichem Papier, 38,7 x 19
Schaurig und Furcht erregend wie ein Gespensterschloss wirkt die Neuburg hoch über den abfallenden Felsen auf dieser Zeichnung von 1940. Von der linken Seite schreitet ein Jäger mit umgehängtem Gewehr talwärts, vor ihm sitzt eine Frau mit einem kleinen Kind. Im Gewirr dichter Tuschestriche ist Wernstein am Inn erkennbar, darüber brauen sich dunkle Gewitterwolken zusammen.
Der Wein ist fort, das Glas ist leer, um 1945, Feder, Tusche auf Papier, 39,8×31,5 cm
Mit dieser Zeichnung von 1945 – betitelt mit „Der Wein ist fort, das Glas ist leer“ – spielt Kubin auf die triste Situation nach dem Zweiten Weltkrieg an. Die Vorliebe Kubins für das Grotestke kommt in dieser Tuschzeichnung bestens zum Ausdruck. Links sieht man sehr detailgetreu das Schlösschen Zwickledt, das Wohnhaus von Alfred Kubin und seiner Gattin Hedwig seit 1906.
Rechts auf gleicher Bildhöhe ist die Neuburg zu erkennen, die seit 1922 ein Künstler-erholungsheim war. Rechts unten am Bildrand steht ein Bildstock mit einem Kreuz. Die Inschrift lautet „Achtung blind.“ Dem Bildstock strebt humpelnd ein Einbeiniger mit seinem Stock zu. Rechts eine armselige Kreatur, ein knieender blinder Bettler, der um eine Gabe bittet, die er dann in seinem Korb verstauen wird.
Auf der linken Seite sammelt eine Frau Holz. In der Bildmitte wird die groteske Szene von einem Zecher beherrscht, der breitbeinig dasteht und sich einen großen Humpen über den Kopf ausgießen will, der aber leer ist. Neben dem Zecher stehen zwei leere Flaschen. Zwischen Zwickledt und der Neuburg fließt der Inn im Tal. Weinranken am linken Bildrand verweisen in eine bessere Zukunft.
Julius Hüther (1881-1954)
Ein Freund von Alfred Kubin war Julius Hüther (1881-1954)
Julius Hüther, ein Freund von Alfred Kubin, Katalog zur Ausstellung in der Landkreisgalerie im Jahr 2013
links Julius Hüther, Alfred Kubin vor Zwickledt, 1944, Pastell auf Papier, rechts Julius Hüther: Karl Valentin als Musiker, 1940, Öl und Kreide auf Papier, signiert und datiert, Stadtmuseum München
Julius Hüther, Die Neuburg, Ölbild, 1944, Landkreisgalerie
Julius Hüther (1881-1954), ein Freund von Berthold Brecht, Marta und Lion Feuchtwanger, Karl Valentin und Alfred Kubin, hat im Jahr 1944 die Neuburg in einem Ölbild festgehalten. Der Berg mit seinen abfallenden Schluchten, steilen Graten und tiefen Tälern ist in dunklem Farbkanon gehalten. In der verzerrten und deutlich überhöhten Ansicht von Schloss Neuburg spiegelt sich seine melan-cholische Gemütsverfassung, nachdem er vor den Bombenangriffen mit seiner Familie aus München geflohen ist. Bei seinen Besuchen auf der Neuburg hat er auch Alfred Kubin auf der gegenüberliegenden Innseite besucht.
Julius Hüther, Blick auf Wernstein, Ölbild, 1944, Privatbesitz