Das gräfliche Brauhaus auf Schloss Neuburg

Das gräfliche Brauhaus auf Schloss Neuburg

Eingang zur Schlossbrauerei Neuburg am Inn

Eine kolorierte Postkarte aus dem Jahr 1900 zeigt den „Eingang zur Schloßbrauerei Neuburg am Inn“. Für den heutigen Betrachter sieht dieses Entree zur Bräustätte der Neuburg sehr attraktiv aus. Auf der Mauer des Paradiesgartens sind Skulpturen aufgestellt, die typisch sind für Barockgärten. Links am Eck begrüßt eine Eva die Besucher, dann folgen drei zwergenhafte Callotfiguren und wiederum eine weibliche Gartenskulptur. Die gleiche Figurenfolge gibt es rechts vom Eingangsportal zu sehen.

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Mauer des Paradiesgartens mit Gartenfiguren um 1900
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Die Neuburg als beliebtes Ausflugsziel Foto von Franz Weismann im Winter 1901

Die Neuburg, Wernstein auf der anderen Innseite und die Landschaft am Unteren Inn waren damals nämlich beliebte Ausflugsorte für die Passauer. Wernstein besaß eine Bahnstation. Von dort führte ein kurzer Weg zur berühmten Mariensäule, die neben der Ruine der Mantelmauerburg Wernstein zu sehen war, und bestieg die Seilfähre, die von der Wernstein Seite auf die  andere Innseite hinüberwechselte.

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Seilfähre von Wernstein nach Neuburg, 1950

Wenn man den Burgberg erklommen hatte, kehrte der Gast zu Speis und Trank in die Hoftaferne ein. Bei schönem Wetter lockte der Biergarten, wo man sich an dem schmackhaften Bier aus der Schlossbrauerei Neuburg laben konnte, das von alters her einen guten Ruf besaß, denn Schlossbrauerei und Hoftaferne hatten eine jahrhundertelange Tradition und waren zwei Seiten der gleichen Medaille. In der Brauerei wurde das Bier hergestellt und in der benachbarten Hoftaferne wurde es getrunken. Aus der Zeit um 1900 finden sich einige Exponate in der Sammlung Melnikow: ein Bügel einer Bierflasche mit dem Namen des Brauereibesitzers Hans Roas, ein Bierkrug der Schlossbrauerei Mühlberger und der Deckel eines Bierkruges von der Hoftaferne mit dem Bild des Kaisers Wilhelm I..

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Bügel einer Bierflasche mit dem Namen des Besitzers der Schlossbrauerei Hans Roas, Sammlung Melnikow
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Bierkrug der Schlossbrauerei Mühldorfer, Neuburg am Inn, Sammlung Melnikow
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Deckel eines Bierkruges von der Hoftaferne mit dem Bild des Kaisers Wilhelm I., Sammlung Melnikow
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Gastgarten der Hoftaferne mit Gästen um 1900

Wenn sich der Besucher dem Torturm näherte, sah er oberhalb des Einfahrtstores den Namen des damaligen Brauereibesitzers Hans Roas, der seinen Namen dort hatte eingravieren lassen. Wenn der Besucher aber in die Höhe schaute und das fehlende Dach bemerkte, konnte er schon sehen, dass sich die gesamte Burganlage in einem ruinösen Zustand befand.

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Der Namenszug Hans Roas am Torturm, seit 1895 Besitzer der Brauerei auf Schloss Neuburg
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Ruine der Neuburg mit Mariensäule von Wernstein aus, Tuschaquarell von 1818

Man fragt sich, wie ist es dazu gekommen, dass die Neuburg, die schon um 1530 in ein prächtiges Renaissanceschloss verwandelt worden war, zur Ruine verkommen war. Bis 1803 war die Neuburg von ihren jeweiligen adeligen Besitzern immer in einem guten baulichen Zustand versetzt worden. Seit dem Jahre 1803, als das Hochstift Passau als der letzte Besitzer der Grafschaft Neuburg aufgehört hatte zu existieren, war die Neuburg kein Verwaltungssitz einer Grafschaft mehr. Mit einem Schlag stand die Neuburg ohne Besitzer da und hatte auch keinen Nutzen mehr. Ein am 24. Mai 1810 in der Hoftaferne während einer Hochzeit ausgebrochenes Feuer hatte nämlich die Neuburg so zugrunde gerichtet, dass die zum Inn gelegenen Südtrakte mit den großartigen Altanen, dem grandiosen Arkadenhof aus Terrakotta und dem loggienartigen Galeriebau und Teile des Westtraktes der Hauptburg abgerissen werden mussten. Zudem wurden einige Jahre später drei der fünf Türme ihrer Dächer beraubt, so dass seit dem 19. Jahrhundert der hochaufragende Bergfried der Hauptburg, der markante innseitige Ostturm der Vorburg und die rauchenden Schornsteine der Brauerei die Silhouette der ruinösen Neuburg prägten.

Einzig die Brauerei, die wiederhergestellt wurde, und die Hoftaferne hatten einen wirtschaftlichen Nutzen, so dass sie neue bürgerliche Besitzer fanden und weiterbetrieben wurden. Die Keller wurden als Eiskeller für die Brauerei verwendet. Dort lagerten vier umliegende Wirtshäuser ihr Eis dort ein.

Der Schriftsteller Adalbert Müller (1821-1879) berichtet 1870 in der Leipziger „Illustrierten Zeitung“ von dem „gewaltigen Trümmerbau“ der Neuburg, die nur noch als Brauerei ihr Dasein fristete.

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Die Neuburg als Schlossbrauerei mit den drei Turmstümpfen, mit Ostturm und Bergfried und zwei rauchenden Schornsteinen der Brauerei, um 1900
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Ruine der Neuburg am Inn im Jahr 1870, nach einer Zeichnung von Adalbert Müller
Die Geschichte der gräflichen Brauerei bis 1803

Adalbert Müller nannte die Neuburg eine der „imposantesten“ Burganlagen ihrer Art in Deutschland, wegen ihrer „wunderherrlichen Lage und der Großartigkeit ihrer baulichen Anlage, dann zufolge ihres ehrwürdigen Alters und der Bedeutsamkeit ihrer Geschichte.“

Die hoch über dem Inn gelegene Neuburg war Herrschaftssitz und Verwaltungsmittelpunkt der Grafschaft Neuburg, die von 1310 bis 1803 zum Habsburger Herrschaftsgebiet gehört hat, und im wechselnden Besitz von Hofadeligen in Wien war.  Die Grafschaft lag zwischen Inn und Donau wie ein Riegel vor der Bischofsstadt Passau und erzielte wegen des großen Schiffsverkehrs auf dem Inn gute Erträge aus der Wassermaut. Wegen ihrer Insellage hatte die Grafschaft Neuburg eine territorial-politische Sonderstellung, denn sie war rings umschlossen von den bayerischen Landgerichten Schärding, Griesbach und Vilshofen. Zudem reichten die Besitztümer der bayerischen Klöster Fürstenzell, St. Nikola  und Vornbach an die Grafschaft heran. Für den Nah- und Fernhandel und den Personenverkehr waren die europäischen Wasserstraßen Donau und Inn von ganz besonderer Bedeutung.

Auch die Handelsgüter aus der Grafschaft gingen den Wasserweg.  Auch die Brauerei brauchte den kostengünstigen Wasserweg, wenn es um die Beschaffung des Getreides und den Handel mit Bier ging. Besonders für die Hofhaltung der Hofadeligen in Wien, die Besitzer der Grafschaft Neuburg waren, bot der Wasserweg über Inn und Donau die Möglichkeit, sich mit Gütern aus der Grafschaft zu versorgen. Graf Georg Ludwig von Sinzendorf belieferte sein Wiener Palais mit Bier aus seiner gräflichen Brauerei. Vier- bis achtmal im Jahr schwamm zu Wasser eine Ladung Bier nach Wien.

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Die Grafschaft Neuburg am Inn zwischen Donau und Inn
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Die FREYE GRAFSCHAFT NEVBURG AM IHNN, Georg Matthäus Vischer 1667, kolorierter Kupferstich von 1674
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Eingang zur Mälzerei

Wer heute durch den Torturm der Vorburg betritt, sieht linker Hand den Eingang zur Mälzerei. Das Gebäude mit dem Vordach über dem Eingang trägt die Aufschrift „Mälzerei“ und erinnert an die Zeit, als auf der Neuburg einmal Bier gebraut wurde

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Mälzerei mit dem sog. Bräumeisterhaus zwischen Torturm und Ostturm von der Landkreisgalerie gesehen

Zu den Brauereigebäuden gehörte die Mälzerei. Weitere Gebäude wie das Kühlhaus lagen vor der Vorburg, zwischen Torturm und Ostturm neben dem Paradiesgarten. Sie wurden 1911 abgerissen. Über den verfüllten Kellern wurde dann auf zwei Ebenen ein sog. Hofgarten errichtet. Es existieren aber noch Fotografien und Postkarten aus der Zeit um 1900, wo das Kühlhaus und weitere Brauereigebäude noch zu sehen sind.

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Neuburg am Inn um 1900 mit dem Kühlhaus zwischen Vorburg mit Ostturm und Torturm, rechts der Paradiesgarten mit Grotte
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Die Neuburg um 1900 mit den Brauereigebäuden
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Blick von oben auf die Neuburg mit Brauereigebäuden, gezeichnete Postkarte um 1900

Auf der obenstehenden Postkarte von 1900 sind deutlich die langgestreckten dreiteiligen Braugebäude zwischen Vorburg und Paradiesgarten zu sehen.

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Der Lageplan aus den 1920iger Jahren zeigt, dass die Brauereigebäude abgerissen worden sind.
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Der Gesamtlageplan zeigt die Grundmauern der 1911 abgerissenen Brauereigebäude (Kühlhaus), links neben dem Ostturm
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Paradiesgarten und neugestaltete Gartenanlage, 2016

Das Areal der 1910 abgerissenen Brauereigebäude, die sich links neben dem Paradiesgarten befanden, ist jetzt als terrassenförmige Gartenanlage mit Pavillon gestaltet (ehemals Hofgarten).

Die Geschichte des gräflichen Bräuhauses beginnt im 16. Jahrhundert und ist von Dr. Alois Mitterwieser schon in den 1920iger Jahren akribisch erforscht worden. Aus dem Jahr 1593 sind Materialrechnungen erhalten, die auf die Existenz eines schon lange bestehenden Bräuhauses schließen lassen. 1593 werden fünf Zentner Hopfen um 82 Gulden in Steyregg und Grafenau eingekauft. Zu 23 „Bräu“ hat der Müller 92 Sack Malz gebrochen, dann noch einmal 32 Sack zum gemeinen und 32 Sack zum Märzenbier. In der Getreiderechnung stehen dann noch 196 Sack Gerste, die ans Bräuhaus abgegeben wurden; die Materialrechnung enthält für den Rechnungsabschluss 265 Sack Gerste und 296 Sack Malz als Vorräte. Damals war Graf Julius von Salm (1531 – 1595) Inhaber der Grafschaft Neuburg. Wie die meisten Beisitzer der Grafschaft Neuburg stand auch er im Dienste des Kaisers in Wien. Von der Grafschaft Neuburg aus wurde per Schiff lebhafter Handel betrieben, was ein einträgliches Geschäft für den Besitzer der Grafschaft darstellte. Die gräflichen Wirtshäuser hatten lebhaften Zuspruch von bayerischen Untertanen, weil dort Wein und Bier zu weit billigeren Preisen ausgeschenkt wurde als in den Schenken, die auf bayerischem Territorium lagen.  Darüber hörte man immer wieder die Landrichter klagen. Einen Streitpunkt bildeten die Wirtshäuser an der Grafschaftsgrenze. In der Taferne in Seestetten an der Donau, die auf Neuburger Grafschaftsgebiet lag, aber auch in den Wirtshäusern in Bibersbach, in Ainöde, am Marterberg bei Sandbach, an der Gaisbruck und am Mahd in Flor wurde Bier aus der dem gräflichen Bräuhaus ausgeschenkt zum Schaden der bayerischen Wirtshäuser, deren Bier teurer war.

Das, das damals in Neuburg gebraut wurde, war das untergärige Braunbier, dessen Herstellung nur in den Wintermonaten zwischen Michaeli, (29. September) und Georgi (23. April) möglich war. Nachdem in Böhmen eine neue Brautechnologie entwickelt worden war, die das aus Gerste zubereitete Malz durch Weizenmalz ersetzte, konnte das Weißbier auch bei höheren Außentemperaturen hergestellt werden als das Braunbier. Der Wettbewerbsvorteil lag auch darin, dass Weißbierbrauen ganzjährig erlaubt war. So wurde auch in Neuburg Ende des 16. Jahrhunderts damit begonnen, Weißbier herzustellen. Doch trat man damit in Konkurrenz zum Weißbiermonopol, das Maximilian I. von Bayern (1597 – 1651) erlassen hatte. Maximilian hatte die in dem neuen Nahrungs- und Genussmittel liegenden Möglichkeiten der landesherrlichen Gewinnbeteiligung erkannt und das Weißbiermonopol geschaffen, was eine sichere Einnahmequelle der Wittelsbacher bedeutete. Überall entstanden kurfürstliche Brauhäuser, um die desolate Finanzsituation des Herzogtums zu sanieren und sein Land wirtschaftlich leistungsfähig zu machen. Graf Weikard von Salm (1575 – 1615) schrieb im Jahr 1612 persönlich an Kurfürst Maximilian (1597-1651)und ersuchte ihn, dass die an die Grafschaft angrenzenden bayerischen Untertanen Bier aus dem Neuburger Bräuhaus beziehen dürften. Als Graf Weikard versuchte, das Weißbier aus seinem Neuburger Bräuhaus bei den nächsten bayerischen Wirten in Vilshofen und Hals anzubringen, wurde dies von den bayerischen Beamten unterbunden.

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Georg Ludwig von Sinzendorf, Kupferstich von Fr. van der Stehen, um 1670

Als Graf Georg Ludwig von Sinzendorf (1616 – 1681) im Jahr 1664 die Grafschaft Neuburg erwarb, brachte er das Bräuhaus immer mehr zu Blüte und verdoppelte die Bierproduktion. Dieser Umstand hatte damit zu tun, dass Sinzendorf, der als Hofkammerpräsident bei Kaiser Leopold I. (reg. 1658 – 1705) für die Finanzen im Habsburger Reich zuständig war, ein Anhänger des Kameralisten Johann Joachim Becher (1635 – 1682) war. Becher war einer der originellsten und bedeutendsten Merkantilisten und Wirtschaftstheoretiker des 17. Jahrhunderts. Becher bot Lösungsvorschläge an, wie die Produktivität des Handwerks und der Wohlstand der Untertanen gesteigert und für die Fürstenhöfe nutzbar gemacht werden könnte. Sinzendorf griff Bechers merkantilistische Visionen auf, und so wurden die Grafschaft Neuburg und seine anderen Besitzungen zum Experimentierfeld für die Ideen Bechers. Es entstanden in der Grafschaft Neuburg neue Erwerbszweige und industrielle Produktionsstätten: Gold- und Silberdrahtfabrikation, Salpetergewinnung, Kalk- und Ziegelbrennerei, Papier- und Pulvermühle, Ölfabrikation, Bergwerk und Glasfabrik.

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Der Kameralist Johann Joachim Becher (1635-1682)

Die Grafschaft Neuburg lag verkehrsmäßig günstig. Die Gerste lieferten zwar die Bauern aus der Grafschaft, doch musste der Weizen auf den Schrannen in der Straubinger- und Regensburger Gegend eingekauft werden, weil auf den kargen Böden der Grafschaft kein Weizen angebaut wurde. Per Schiff wurde das Getreide über Donau und Inn nach Neuburg verfrachtet, wo es von den Untertanen als Scharwerkdienst den steilen Burgberg hinaufgebracht wurde.  Der Hopfen, der aus Glattau und Postlberg in Böhmen, einer anderen Besitzung des Grafen, stammte, wurde in Passau und Waldkirchen eingekauft. Es wurde mit Weizen- und Gerstenmalz gebraut. Gleichzeitig wurde auch Branntwein aus der Weinhefe hergestellt. 1667 wurde der Anbau, wo der Branntwein hergestellt wurde, neu eingedeckt.

Der Hopfenpreis schwankte stark, so dass der Bierpreis jedes Jahr neu festgesetzt wurde. Die Rechnungen aus den Jahren 1660 bis 1677 verzeichnen Preise von 25 bis 45 Gulden pro Zentner. Die Bierproduktion stieg in den Jahren von 1659 bis 1679 auf das doppelte. In den fünf Monaten Juni, Juli, August und Oktober und November wurde fast immer über die Hälfte des ganzen Bedarfs gebraut. Dem Neuburger Getreidemaß gemäß entsprach 1 Sack 4 Kübel. Das Fass war in 2 Halbfass und 4 ganze und 8 halbe „Spitzl“ eingeteilt. Zu jedem Bräu waren 7 Sack und 3 Kübel Malz erforderlich und etwas über 11 Pfund Hopfen.

Im Jahr 1665 wurde eine neue Bräupfanne bei einem Passauer Kupferschmied gekauft, die 100 Gulden kostete. Die Bierfässer fertigte der Hofbinder aus Fichtenholz aus den reichen Waldbeständen des Neuburger Wald es. Seit 1660 war eine Roßmühle zum Getreidemahlen vorhanden, die immer mit blinden Pferden betrieben wurde. Als Personal finden sich in den Quellen: Bräumeister, Bräuknecht, Bierführer, Hofbinder und der Neufilser Müller für die Roßmühle. Für die Angestellten der Brauerei war Bier ein Teil ihrer Besoldung. Besoldungsbier erhielten auch der der Pfleger, der Mautner und der Gerichtsschreiber der Brauerei.  Auch die Passauer Kapuziner, mit denen Graf Sinzendorf ein freundschaftliches Verhältnis unterhielt und die auch häufig auf der Neuburg zu Besuch waren, bekamen regelmäßig Bier von den einzelnen Suden geliefert. Auch nach dem Tode Sinzendorfs wurde dieser Brauch fortgeführt, besonders zu Ordensfesten.

Das meiste Bier brauchte Graf Sinzendorf  selbst für seine Hofhaltung in Wien. Vier bis achtmal im Jahr ging eine Ladung Bier per Schiff nach Wien. Auch in die kaiserliche Hofstatt in Linz wurde Bier geliefert.

Den größten Bierumsatz machten die Hoftafernen in Neuburg und Wernstein. Die Hoftafernen waren mit der „realen Taferngerechtigkeit“ ausgestattet und von alters her gastronomische und gesellschaftliche Mittelpunkte für die Bewohner der Grafschaft Neuburg.

Die Wirtshäuser in Galla und Seestetten waren gewöhnliche Trinkstuben, deren Wirte das Bier billiger erhielten, weil sie das Bier selbst abholen mussten.

Aus den Archivalien geht hervor, dass im Jahr 1717 insgesamt 27 Wirte ihr Bier aus der gräflichen Schlossbrauerei Neuburg bezogen und der jährliche Ertrag rund 5 000 Gulden betrug.

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Das meiste Bier wurde 1676 mit 107 Bräu gebraut. In diesem Jahr fand auf der Neuburg ein Jahrhundertereignis statt, das mit einem pompösen Feuerwerk gefeiert wurde. Im Dezember 1676 war die prächtig herausgeputzte Neuburg Empfangsschloss und Brautquartier, als Kaiser Leopold I. (1640-1705) hier seine Braut Eleonore von Pfalz Neuburg (1678-1741) zum ersten Mal traf. Dabei wurden auch die Untertanen eingebunden. Für das Salveschießen, für das Wachehalten und Spalierstehen erhielten sie ein halbes Fass Bier, die kaiserlichen Soldaten nur die Hälfte, nämlich ein Spitzl.

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Kolorierte Schießscheibe, 1983, von Kirchenmaler Josef Weilhammer, Ganghofen, auf Anregung des Bezirksheimatpfleger Dr. Hans Bleibrunner gestaltet. Nach einem Stich von Johann Martin Lerch nach einem Bild von Clemens Beutler. Der durchläuchtigsten kaiserlichen Braut Eleonore froher Einzug in Neuburg am Inn am 11. Dezember 1676

Nachdem der kaiserliche Kämmerer und Reichsgraf Johann Jakob Hamilton (+1716)  im Jahre 1698 die Grafschaft Neuburg erworben hatte, wurde die Binderei im Jahr 1706 unterhalb der Neuburg neu erbaut. Dass dieses Gebäude (Gasthaus Ritzer) ehemals die Binderei beherbergte, erkennt man noch heute an dem Fass oberhalb der Eingangstür.

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Wegen der Konkurrenz mit Bayern musste das Bräuhaus immer auf der Höhe der Zeit sein. Als im Jahr 1730 der Passauer Fürstbischof Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (1723 – 1761) für das Hochstift die Grafschaft Neuburg erwarb, wurde das Kühlhaus neu gebaut. In den Schlossinventaren werden folgende Räume aufgeführt: Bräuhaus, Kühlhaus, Malztenne, Malzmühle,  Branntweinhaus, Bierkeller, Binderei, Dörr- und Treberkammerl, Bräumeister- und Bräuknechtswohlung, Binderstube.  Es gab einen Maischstock, zwei 1726 gebaute 22 Schuh lange und 12 Schuh breite Kühlen und eine Transportvorrichtung mit 12 Eisenstangen, um das Bier aus der Kühle in den Keller zu befördern.

An die Zeit des Fürstbischofs Graf von Lamberg erinnert das Lambergwappen am oberen Stock des Bräuhauses auf Schloss Neuburg.  Lamberg liess 1737/38 dieses Gebäude um ein Geschoss aufstocken, um den Bierausstoß zu erhöhen.

Denn der Bräumeister hat gesagt, dass er mit dem Bierabsatz zufrieden sei, doch wünschte er sich, dass das Gebäude etwas größer wäre und er noch eine Hilfe bekommen würde. So wurde auf seinen Vorschlag hin das Gebäude zwischen Torturm und Ostturm um einen Stock erhöht. Eine Relation an den Fürstbischof von 1762 sagt denn auch zufrieden: „Das herrschaftliche Bräuhaus ist in allem wohl gehalten und wird das erzeugte Bier von jedermann gelobt.“  .

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Wappen des Fürstbischofs Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (1723 – 1761) am oberen Stockwerk der Mälzerei
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Mälzerei mit Lambergwappen und Bräumeisterhaus, Postkarte von 1930

Ein der letzten Nachrichten aus der fürstbischöflichen Zeit stammt aus dem Jahr 1783. Im Oktober 1783 fragt der Pfleger an, „ob nicht wie sonst an 24 bis 30 Suden“ Märzenbier für die Grafschaftswirte eingesotten und der dazu nötige Saazer Hopfer eingekauft werden solle, „indem de Einsiedung derlei Bieres die mit Bayeren umgebene Lage dasiger Wirthe erfordert, weil solchen im Sommer, alwo im Lande Bayern nichts als Märzen Bier um dasige Grafschaft ausgegeben wird, ihre Wirthschaft fast gänzlich die Ermangelung gleichen Bieres einstellen würde.“

Mälzerei und Bräumeisterhaus bestehen heute noch als Gebäude, während das Kühlhaus und andere zur Brauerei gehörende Gebäude, die vor der Vorburg standen, 1911 abgerissen wurden. Pläne aus dem Jahr 1868 zeigen, welche Bauten der historische Braukomplex umfasste: Mälzerei, Bräumeisterhaus, Kühlhaus, Sudhaus, Bier-und Gärkeller, Holzremisen, Branntweinbrennerei.

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Grundriss des gesamten Brauereiareals
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Bauplan des Architekten Karl Kieffer zur Umgestaltung der Mälzerei und und des Bräumeisterhauses, 1909

Als im Jahr 1803 das Ende der Grafschaft Neuburg kam, wurde die Grafschaft Neuburg dem bayerischen Territorium einverleibt und an verschiedene Besitzer versteigert. Georg Wagner, herrschaftlicher Bräumeister zu Adeldorf kaufte das Bräuhaus, die Maierei und die Hoftaferne. Die Brauerei wurde wieder instandgesetzt, deren wechselnde Besitzer schließlich das ganze Burgenareal unter ihren Besitz brachten. Der Brauereibetrieb in der Vorburg ging bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weiter.

Der letzte Brauer auf der Neuburg war Hans Roas, der sich aber mit seiner Frau Franziska nach Kochel am See als Privatier zurückzog. Im Frühjahr 1908 hatte Hans Roas die Neuburg öffentlich „zum Abbruch“ ausschreiben lassen, denn der Bauunterhalt war ihm zu kostspielig geworden. Die Neuburg sollte als Steinbruch ausgeschlachtet werden.

Dank einer Initiative des Passauer Kunstvereins wurde die Neuburg durch den Landesverein für Heimatschutz vor dem endgültigen Abriss bewahrt und unter Wahrung der historischen Bausubstanz als „Künstlererholungsheim“ wieder aufgebaut.

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Hans Roas mit seiner Familie vor der Ecce Homo Statue um 1900
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Aufruf des Passauer Kunstvereins und der Vereins Bayerwald aus dem Jahr 1908 zur Rettung der Neuburg
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Literatur:

Mitterwieser, Alois: Geschichts- und Kulturbilder aus der alten Grafschaft Neuburg ob Passau, Passau 1930

Hartleb, Wilfried: Die Neuburg. Adelssitz und Künstlerschloss am Inn. Illustrierte Geschichte eines Baudenkmals, Kultur im Landkreis Passau Band 50, Salzweg 2016

Fotos Wolfgang Hartwig, Rotthalmünster