Die Passauer Kaiserhochzeit von 1676, ein Medienereignis von europäischer Dimension
Die Passauer Kaiserhochzeit von 1676, ein Medienereignis von europäischer Dimension
Noch heute, ein Jahrhundert nachdem die Monarchie als Staatsform in weiten Teilen Europas von demokratischen Systemen abgelöst wurde, faszinieren die Berichte und Bilder über Hochzeiten der verbliebenen Königshäuser.
So wird in Passau bei jeder Stadtführung im Großen Rathaussaal an die im Jahr 1676 geschlossene Hochzeit des Kaisers Leopolds I. (1640-1705) mit Eleonora Magdalena Theresia (1655-1720), der 21 jährigen Tochter des Pfalzgrafen und Herzogs von Pfalz- Neuburg, einer Wittelsbacherin, erinnert.
Das prachtvolle Historienbild von 1893 stammt von Ferdinand Wagner (1847-1927), der, so lautete der Auftrag des Passauer Magistrats für die beiden Rathaussäle, sie mit großformatigen Bildern „mit allen wichtigen geschichtlichen Momenten der hiesigen Stadt“ ausschmücken sollte.
Kaiserhochzeit 1676, gemalt von Ferdinand Wagner 1893, Rathaussaal Passau
Das Großgemälde bezieht sich auf Alexander Erhards „Geschichte der Stadt Passau“ von 1862. Bei diesem feierlichen Akt der kirchlichen Trauung in der Hofkapelle reicht der Fürstbischof Sebastian Graf von Pötting (1673-1689) dem Brautpaar ein kostbares Kruzifix mit dem Bildnis des Erlösers zum Kuss, eine zeremonielle Handlung von großer Symbolik. Mit dieser sichtbaren Geste der Huldigung, Verehrung und Anbetung legte das kaiserliche Brautpaar sein Eheglück quasi in die Hände Gottes. Kaiser Leopold ist mit einer langlockigen Allongeperücke dargestellt, die über die Schulter bis etwa zur Brust geht und als zeremonielles Zeichen den gesellschaftlichen Rang und die Würde des Kaisers definierte.
Die Kaiserhochzeit, die vor 345 Jahren in den Tagen um den 14. Dezember 1676 öffentlichkeitswirksam in der fürstbischöflichen Residenzstadt Passau, auf Schloss Neuburg und auf dem Jagdschloss Thyrnau prachtvoll inszeniert wurde, war ein barockes Gesamtkunstwerk der Repräsentation, bei dem verschiedene Künste ihren Beitrag leisteten.
Die aus Wien angereiste Hofkapelle umrahmte das Hochzeitsmahl und die festlichen Gottesdienste mit ihren prächtigen Zeremonien. Zusammen mit dem Fürstbischöflichen Theater wurde ein Singspiel mit Ballett aufgeführt, dazu kam ein Schauspiel auf der Jesuitenbühne.
Auch ein Roßballett als musikalisch-dramatische Form gehörte zum Festprogramm, gestaltet durch „60 Cavaliere“ beim Hacklberger Schloss. Durch den feierlichen Einzug des Kaisers in die Residenzstadt und durch den grandiosen Brautzug wurde die noch vom großen Stadtbrand des Jahres 1662 gezeichnete fürstbischöfliche Residenzstadt Passau zur öffentlichen Bühne und zum höfischen Repräsentationsraum.
Ein kunstvoll gestaltetes Freudenfeuerwerk beim Empfang der Braut auf Schloss Neuburg und eine Jagd auf Schloss Thyrnau waren ebenfalls als deutliche Demonstration fürstlicher Herrschaft und Kultur charakteristische Elemente dieser dynastischen Hochzeitsfeierlichkeiten. Sie waren ein multimediales Ereignis, bei dessen Planung und Durchführung eine Vielzahl von Personen in unterschiedlichen Funktionen einbezogen waren: Kaiserliche und fürstbischöfliche Beamte, Geistliche, Gelehrte, Künstler und Handwerker. Bei diesem Festgeschehen wollte man auf gar keinen Fall auf das städtische Bürgertum als Publikum und Akteur verzichten, das beim Spalierbilden, Salutschießen, Ehrengeleit, Tragen des Baldachins und bei der Errichtung der drei Ehrenpforten beteiligt war.
Trauungszeremonie aus: Johann Martin LERCH: Die Glückliche Vermählung der beyden Durchleüchtigsten Häusser Oesterreich und Newburg…Linz 1677
Die Habsburger Dynastie in höchster Not
Den Habsburgern dienten Hochzeiten immer dazu, ihrem exklusiven Rang gemäß Macht, Reichtum und kulturellen Vorrang standesgemäß zu demonstrieren, denn Prachtentfaltung galt als Fürstentugend. Die Kaiserhochzeit im Dezember 1676 zog die Blicke der Herrscherhäuser Europas auf sich, denn diesmal ging es ums Überleben der österreichischen Hauptlinie der Habsburger Dynastie. Kaiser Leopold I., Erzherzog zu Österreich und König von Böhmen und Ungarn, war schon zweimal Witwer geworden. 1673 waren seine erste Gemahlin, Margarita Theresa, im Alter von 22 Jahren und im April 1676 seine zweite Frau, Claudia Felicitas, die 23 Jahre alt war, gestorben. Das Haus Habsburg, das durch ein System von Verwandtschaftsheiraten innerhalb der Großfamilie bestimmt war, war in höchster Not, denn nach zwei Ehen war dem damals 36jährigen Herrscher noch kein Sohn als Nachfolger geboren worden.
In der letzten Zeile eines Kupferstichs von Johann Martin Lerch, der den „Einzug der kayserlichen Gesponß“ in die Bischöfliche Residenzstadt Passau am Hochzeitstag beschreibt, ist die ganze Dramatik des Jahres 1676 enthalten: die Hoffnung auf Sicherung der Dynastie durch männliche Nachkommenshaft.
Freudenvolles Glück und Segen, höchster thu´von oben geben
Damit unser Leopoldus mit Eleonora leben
Mög lang in Freud und Friden laß es großer Gott geschehen
Daß wir bald durch sie beglücket mögen Kaisers Erben sehn.
Johann Martin Lerch: Einzug der Kayserlichen Gesponß Eleonae Magdalenae Theresiae, Kupferstich 1676, Germanisches Nationalmuseum
In den Habsburger Territorien, die das „Allerhöchste Erzhaus“ durch Kriege, Erbschaften und Heiraten gesammelt hatte, bestimmte das Primogeniturgesetz jeweils den ältesten Sohn zum Nachfolger, um Landesteilung, Zersplitterung und Erbfolgekriege zu vermeiden. Das Römische König- bzw. Kaisertum jedoch beruhte auf dem Prinzip der freien Wahl eines Kaisers durch die Kurfürsten, die seit dem Jahr 1438 immer einen Kandidaten aus dem Haus Habsburg, den Sohn, Enkel oder Bruder des Kaisers, zum neuen Oberhaupt des Reiches gewählt hatten.
Der „römische Kaiser“, seit Jahrhunderten mit dem Titel des „deutschen Königs“ verknüpft, war die höchste weltliche Würde, die das Abendland zu vergeben hatte. Die Kaiserwürde erschien wie ein selbstverständliches Attribut des Hauses Habsburg. Dazu kamen die Kronen von Böhmen und Ungarn. Jahrhundertelang war der Kaiserhof in Wien, der höchstrangige Hof der Christenheit, mit dem Hof des Erzhauses identisch. Das ganze dynastisch-genealogische System der Habsburger, das auf den erstgeborenen männlichen Nachfolger zugeschnitten war, und der Fortbestand der Habsburgermonarchie schienen ins Wanken zu geraten, da die legitime Erbfolge nicht gesichert war.
Unvorhersehbar wären die Folgen für die Herrschaft über die zahlreichen Erbländer, für die Kronen von Böhmen und Ungarn und für das Heilige Römisch-Deutsche Reich. In einer Zeit, als Dynastie und Land noch gleichsam identisch waren, konnte dieser Notstand der Dynastie sich zu einer Krise des Staates auswachsen. Nun war für andere katholische Fürsten des Reiches die Möglichkeit zum Greifen nahe, ihre eigene Dynastie als kaiserliche Familie ins Spiel zu bringen. Die beiden Kurfürstentümer Sachsen und Bayern erträumten sich solch eine Rangerhöhung.
Kaiser Leopold: aus Merian, Matthäus, Theatrum Europaeum
LEOPOLD I., Kaiser (1640 – 1705). „Leopoldus I. Romanorum Imperator Semper Augustus“. Brustbild nach halbrechts im Lorbeeroval des Kaisers, im Harnisch mit Orden vom Goldenen Vlies, rechts die Krone, unten rechts Emblemmedaillon mit Devise, links mit kaiserlichem Adler und Wappen, unten Inschrift, Bernigeroth Martin, 1690
Kaiser Leopold I.: Portraitsammlung der Staatsbibliothek Trier (Tripota): Signatur 935 b
Kilian, Philipp: Kaiser Leopold I. von Österreich, König von Ungarn, mit Stephanskrone in allegorischem Figurinenrahmen, Brustbild in Halbprofil , Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, M 703 R1809N1
Leopold (1640 -1705) wurde schon mit vierzehn Jahren als zweitgeborener Sohn des Kaisers Ferdinand III. (1608-1657) alleiniger Erbe der Habsburger Erblande, nachdem sein älterer Bruder Ferdinand (1633-1654) im Jahr 1654 überraschend an den Pocken gestorben war. Leopold, der von den Jesuiten für die geistliche Laufbahn erzogen worden war, wurde 1655 im Martinsdom zu Preßburg zum Apostolischen König von Ungarn und 1656 im Veitsdom zu Prag zum König von Böhmen gekrönt.
Die Nachfolge im Reich als Kaiser nach dem Tode seines Vaters Kaiser Ferdinand III. im Jahr 1657 gestaltete sich äußerst schwierig. Der französische König Ludwig XIV., der die Sonne als Symbol seiner zentralen Stellung im absolutistischen Staat zu seinem offiziellen Emblem gemacht hatte, brachte sich und andere ihm genehme Kandidaten ins Spiel. Erst nach langwierigen Verhandlungen mit den Kurfürsten konnte sich der 18 jährige Leopold im Jahr 1658 bei der Kaiserwahl in Frankfurt durchsetzen.
Kaiserkrönung von Leopold I. in Frankfurt, Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Staatsbibliothek Berlin Der Bildtext lautet, „Leopoldus König in Hung: und Böhm., wird allhie zum Römischen König erklärt”. Die Szene rechts zeigt die eigentliche Krönung. Der Bildtext lautet, „Abbildung wie Ihro Kaijserliche Maij: gecrönt worden”. Das Bild zeigt die Festlichkeiten anlässlich der Kaiserkrönung in und um den Frankfurter Römer. Frankfurt war seit 1147 Schauplatz der Krönungsbankette deutscher Könige gewesen. Seit 1562 wurden auch die Krönungsbankette der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches dort abge-halten. Die beiden Szenen finden im Römer statt, dem historischen Frankfurter Rathaus. Die Szene links zeigt die Kaiserproklamation.
Kaiserkrönung von Leopold I. in Frankfurt, Kupferstich aus Bd. 8 des Theatrum Europaeum, herausgegeben von dem Schweizer Künstler Matthäus (Mathias) Merian dem Älteren (1593-1650) und dem Jüngeren (1621-87), ca. 1693, Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Staatsbibliothek Berlin Die Bild-überschrift lautet, „Römer Platz, Allwo nach geschehener Krönungs Procession. Die He. Churfürsten Ihro Erb Äempter verrichten”. Der Römer, ein Komplex aus drei gotischen Gebäuden mit Stufen-giebeln, ist im Hintergrund (Mitte) zu sehen. Die untere Hälfte des Stichs zeigt den Römerplatz nach der Prozession und vor dem begleitenden Fest-mahl, wo ein großer Ochsen am Spieß in der Küchenhütte im Vordergrund zu sehen ist.
Warum Passau als Trauungsort?
Es ist immer gerätselt worden, warum die von der großen Brandkatastrophe 1662 noch immer gezeichnete „Hochfürstliche Haupt- und Residenzstadt Passau“ als Trauungsort ausgewählt wurde. So wird geschrieben, die Hochzeit hätte für Leopold mehr einen privaten Charakter gehabt oder Passau läge genau auf der halben Wegstrecke zwischen Neuburg an der Donau und Wien oder der Passauer Fürstbischof Sebastian von Pötting (1673-1689) sei ein besonderer Günstling des Kaisers gewesen.
Doch wenn man die Notsituation betrachtet, in der sich der Kaiser ohne Erben befand, erscheint die Hochzeit vom Ablauf her wie eine Bittwallfahrt zu der von ihm hochverehrten Muttergottes in Mariahilf. Bereits 1667 hatte Leopold „Maria Hülff ob Passau,- die immerscheinende Gnaden-Sonn“ besucht. Dort befand sich in der 1627 neuerbauten Wallfahrtskirche „Mariahilf ob Passau“ eine der drei wichtigsten Kopien des in Mitteleuropa meistverehrten „Mariahilf“ Gnadenbildes, das Lucas Cranach d. Ä. 1537 auf Anregung Martin Luthers geschaffen hatte.
Klostergebäude der Kapuziner nach Lukas Kilian
Maria Hilf und das Passauer Kapuzinerkloster
Der tiefgläubige Leopold legte die Hochzeit ganz unter den Schutz und Fürsprache der Gottesmutter, denn der erste zeremonielle Akt der Hochzeitsfeierlichkeiten bei seiner Ankunft in Passau am 7. Dezember war die festlich geschmückte Mariahilfkirche.
Dorthin wurde der Kaiser von acht Ratsbürgern unter einem prachtvollen Baldachin feierlich geleitet, der als hierarchisches Zeichen die Würde des Kaisers demonstrierte. Leopold verneigte sich ehrerbietig vor dem Gnadenbild und ließ sich auf einem kostbaren Betschemel zum stillen Gebet nieder.
Schon am nächsten Tag, den 8. Dezember, dem Festtag „Mariae Empfängnis“, verweilte Leopold zu Messe und Hochamt in Mariahilf. Der kaiserliche Bräutigam besuchte insgesamt fünfmal Mariahilf und stiftete die kostbare, vom Augsburger Lukas Lang geschaffene Kaiserampel. Leopold war ein großer Marienverehrer, der schon bei seiner Geburt von seiner Mutter der Jungfrau Maria geweiht wurde.
Als neugekrönter Kaiser liess sich Leopold auf der Heimreise von Frankfurt nach Wien im September 1658 unter feierlichen Zeremonien sowohl seine kaiserliche Würde als auch die Herrschaft über seine Erbländer von Maria bestätigen und stellte alle seine Länder und Untertanen unter den Schutz der Muttergottes. Das Haus Habsburg war ein besonderer Förderer der Mariahilf-Verehrung, weil die österreichischen Armeen mit dem Ruf „Maria-Hilf“ in die Schlachten zogen.
Zeremonien bestimmen die Hochzeitsfeierlichkeiten
Die Inszenierung der Passauer Vermählungsfeierlichkeiten war von ritualisierten und symbolischen Handlungen geprägt, die in Zeremonialprotokollen schriftlich festgehalten wurden. Als höchster Beamter war der Obersthofmeister Fürst von Dietrichstein für die Einhaltung der zeremoniellen Vorschriften verantwortlich.
Josef Oswald hat 1977 erstmals diese Protokolle für die Passauer Kaiserhochzeit und die Hochzeitszeremonien, die jeden Schritt des Brautpaares, die Festzüge und die Tischordnung festlegten, quellengetreu beschrieben. Im Zeremonialzeitalter des 16. bis 18. Jahrhunderts waren jede Geste, jedes Requisit Zeichen, an denen sich Rang und Status manifestierten. Das gesamte herrscherliche Daseins war haarklein einer strengen Etikette und einem System standardisierter Vorschriften unterworfen.
Im Rahmen des Spanischen Hofzeremoniells war eine totale Überhöhung des Kaisers und seiner Familie geschaffen worden, die dazu diente, die gesellschaftliche Ordnung und das Erscheinungsbild der kaiserlichen Familie äußerlich sichtbar zu machen. Kein Bereich des Alltags blieb von dem Verlangen nach Repräsentation ausgespart. Denn der Kaiser, seine Gattin und deren Nachkommen waren von der Wiege bis zur Bahre ein totales Objekt der dynastischen Repräsentation.
Deshalb durchwaltete die Zeremonie das Leben am Kaiserhof und sollte auch die Passauer Hochzeitsfeierlichkeiten bestimmen. Der Vater Leopolds, Kaiser Ferdinand III., hatte im Jahr 1652 angeordnet, über alles, was tagtäglich geschah, bis in die kleinsten zeremoniellen Details genauestens Buch zu führen. Das Zeremoniell als ausgeklügeltes höfisches Kommunikations- und Zeichensystem war auf die Adelsgesellschaft bezogen, die durch ihre Sozialisation in der Lage war, diese Zeichen zu verstehen. Es diente der Selbstdarstellung und der öffentlichen Wahrnehmung der Dynastie. Diese Zeremonien waren der jüdisch-christlichen Tradition entlehnt.
So konnte das, was als Abglanz der „Herrlichkeit Gottes“ die christlichen Kulträume und Kulturformen seit der Spätantike geprägt hatte, auch zur Sicherung weltlicher Macht und Herrschaft eingesetzt werden. Wie der „Glanz“ und die „Herrlichkeit“ Gottes seine absolute Stellung vor den Augen aller Gläubigen deutlich machte, so wirkten diese höfischen Rituale und Herrschaftsinszenierungen, deren sich der Kaiser als weltlicher Stellvertreter Gottes bediente, auf die Menschen.
Die Passauer Hochzeit in gedruckten Medien
In wohl keiner anderen Epoche hat man sich vorrangig mit Hilfe von Bildern verständigt und so bildhaft gesprochen wie im 17. Jahrhundert. Deshalb wurde auch diese dynastische Hochzeit publizistisch aufbereitet und zu einem besonderen Medienereignis.
Dass die Passauer Kaiserhochzeit von europäischer Bedeutung war, zeigt ein in Kopenhagen erschienenen Zeitungsbericht vom 16. Dezember 1676, wo der Verlauf der Passauer Kaiserhochzeit in aller Kürze festgehalten ist.
Extraordinaire Relationen anzeigende in denen aus allerlei Orten was sich hin und wieder, absonderlich in Europa begeben, und dannen mit unterschiedlichen gedruckten und schriftlichen Zeitungen denckwürdigst eingekommen, anno 1676, Kopenhaven Bei Daniel Pauli, Staats- und Universitätsbibliothek Bremen
Die Druckerzunft sorgte dafür, dass die wenige Tage dauernden Hochzeitsfeierlichkeiten in ein dauerhaftes Medium eines text- und bildgestützten Gedächtnisses überführt wurden. Die Festberichte und die kunstvollen Kupferstiche wurden den um Prestige und Rang konkurrierenden Höfen vermittelt. So war sichergestellt, dass jede Generation ihre Memoria an die nächste weitergab.
Die in italienisch verfasste Publikation „Passavia in feste…“ des fürstbischöflichen Hofnotars Giovanni B. Gentilotti, die jedoch keine Illustrationen besitzt, war Fürstbischof Sebastian Graf von Pötting (1673-1698) gewidmet, der auch die Trauung vornahm.
Giovanni B. Gentilotti „Passavia in feste…”, 1676
Edith Schmidtmaier-Kathke hat 1994 erstmals die deutschsprachige Festbeschreibung „Die Glückliche Vermählung…“ mit 39 Textseiten und zehn eindrucksvollen Kupferstichen mit den Vorbereitungen und dem Ablauf des Festgeschehens der Öffentlichkeit präsentiert. Sie stammt von dem Universitätskupferstecher Johann Martin Lerch( +1693), der im Jahr 1675 von Kaiser Leopold das Privileg bekommen hatte, von allen „denkwürdigen Aktionen und Novitäten“ am Kaiserhof Kupferstiche anfertigen zu dürfen. Dieser in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München aufbewahrte Festbericht wurde in der Passauer „Hof- und Offizialatsbuchdruckerei“ von Georg Höller (1613-1694) gedruckt, die sich zwischen Steinweg und Donau befand.
Johann Martin Lerch: „Die Glückliche Vermählung…“, 1676
Le Ninfe Ritrose, 1676, Öesterreichische Nationalbibliothek
Nach der kirchlichen Trauung folgten dreitägige „Beylagers-Festivitäten“. Ein exklusives Zeichen kaiserlicher Magnifizenz war die Aufführung der Kantate mit dem Ballett „Le Ninfe Ritrose“ (Die schüchterne Nymphe) für das frischvermählte Brautpaar am 17. Dezember, aufgeführt vom fürstbischöflichen Hoftheater und der von Leopold besonders geförderten kaiserlichen Hofkapelle, die den Mittelpunkt der österreichischen Musikgeschichte des Barockzeitalters darstellte und aus Wien angereist war.
Die Musik stammt vom kaiserlichen Hofintendanten Anton Draghi (1634-1700) sowie vom gefeierten Ballettkomponisten am Wiener Hof, des von Kaiser Leopold 1673 geadelten Anton Andreas Schmelzer (1623-1680). Mit dieser prachtvollen musikalischen Repräsentationsform hielt das barocke Kunstwerk der Oper seinen Einzug in Passau. Der Kaiser selbst hatte eine Arie hinzukomponiert. Er spielte mehrere Instrumente und komponierte über 150 Arien auf Italienisch, einige deutschsprachige Oratorien und Musikkomödien, aber auch viele geistliche Werke.
Das Brautpaar besuchte am 17. Dezember auch das Passauer Jesuitenkolleg, das zugleich Gymnasium, Hochschule und Seminar war. In der Bildungsarbeit der Jesuiten spielte das Theater eine wichtige Rolle. So spielten Schüler und Studenten das Schauspiel „Gearchus et Pandora..“ in deutscher und lateinischer Sprache, um dem kaiserlichen Paar eine glückliche und kinderreiche Ehe zu wünschen.
Gearchus & Pandora sive felix connubium: Nuptialibus ludis Caesareum, gedruckt bei Georg Höller, Passau, Bayerische Staatsbibliothek
Alessandro Poglietti „Rossignolo“ (Die Nachtigal), Cembalosuite, 1677
Nach Jan Erasmus Quellinus
Von dem Wiener Hoforganisten Alessandro Poglietti, den Kaiser Leopold I. zum Pfalzgrafen, der Papst zum “Ritter vom goldenen Sporn” ernannt hat, stammt die Cembalosuite „Rossignolo“ (Die Nachtigal), die er dem frischvermählten Kaiserpaar widmete. Zwei Titelblätter mit Rätselkanons und barocker Symbolik zieren das prächtige Dedikationsexemplar.
Der Nachtigallenschlag durchzieht in unterschiedlichen Abwandlungen wie Trillern oder kurzen synkopierten Schlägen die ganze Suite. So enthält die der Kaiserin Eleonore gewidmete “Aria Allemagna mit einigen Variationen” nicht nur eine Rundreise durch die habsburgischen Kronlande (mit einem “Böhmisch Dudlsackh”, einem “Hollandisch Flagolett”, “Ungarisch Geigen” und einem “Pollnisch Sablschertz”), sondern auch einen “Alter Weiber Conduct”, einen Trauermarsch. Auf der Flucht aus der von den Türken belagerten Stadt Wien wurde Poglietti im Juli 1683 von Tartaren erschlagen, seine Familie wurde in die Sklaverei verschleppt.
Johann Martin Lerch: Eleonora Magdalena Theresia, Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, (1655-1720, Herzog Anton Ulrich Museum Braunschweig
Eleonora Magdalena Theresia, Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, (1655-1720, Österreichische Nationalbibliothek
Die Residenzstadt Passau als höfischer Repräsentationsraum
Mit dem zeremoniellen Einzug des Kaisers am Montag den 7. Dezember wurde die Residenzstadt Passau zu einem höfischen Repräsentationsraum. Nach dem Besuch der Wallfahrtskirche Mariahilf zog der Kaiser in die reichbeflaggte, glänzend beleuchtete und mit vielen Transparenten geschmückte Stadt hinunter, wo er, wie es für einen Kaiser geziemt, mit 24 Salutschüssen vom linken Innufer und vom großen Geschütz auf der Festung Oberhaus begrüßt wurde.
Am Inntor an der Innbrücke, das als Passageort das Innere vom Äußeren der Stadt trennte, warteten 200 Mann der kaiserlichen Leibwache. Als Teil des städtischen Festungsgürtels markierte das Stadttor die zeremonielle Empfangsstation für den Kaiser. Dort wurde ihm als höchsten Repräsentanten des Reiches auf einem roten Samtkissen die Schlüssel der fürstbischöflichen Residenz und zur Stadt ausgehändigt, die er aber sofort wieder zurückgab.
Um die Position der Braut zeichenhaft herauszustellen, war der Brautzug vom Kloster St. Nikola ausgehend, das ja noch nicht zum Stadtgebiet gehörte, ein wichtiges Element höfischer Hochzeitskultur. Bei diesem zeremoniellen Einzug in die festlich geschmückte Stadt fließen mehrere Traditionsstränge zusammen, der Einzug Christi in Jerusalem und die Prozession eines neugewählten Papstes.
Der wohlgeordnete Brautzug folgte einer festgelegten Route über die Plätze, Straßen und Tore der Residenzstadt, wobei das jubelnde städtische Publikum als Zuschauer in die Performance der Handlungen eingebunden war. Der Brautzug passierte drei handwerklich und künstlerisch meisterlich gefertigten Ehrenpforten, die monumentales Denkmal, zweidimensionales Bild und dreidimensionale Skulptur waren. Die ephemeren Architekturen aus billigen und schnell zu verarbeitenden Materialien wie Holz, Leinwand und Farbe täuschten echte und hochwertige Materialien vor. Mit ihren allegorischen Ausschmückungen und Wappenkartuschen mit dem österreichischen Bindenschild und dem Wappen von Pfalz-Neuburg verbildlichten sie die politischen Ansprüche der Habsburger Dynastie und die mit dieser Hochzeit verbundenen Hoffnung auf Herrschaftsicherung durch einen Erben: Kaiser Leopold Phoebus-Apollo-ähnlich in einem von zwei Adlern gezogenen Triumphwagen und seine kriegerischen Lorbeeren, die Glorifizierung der beiden ruhmvollen Dynastien der Habsburger und der Pfalz-Neuburger, Lohn des Gottvertrauens und das Glück der ehelichen Liebe.
Die erste der von der Bürgerschaft errichteten Ehrenpforte stand unmittelbar am Eingang zur Innbrücke von der Innstadt her, die zweite auf dem Kram- oder Hofplatz (heute Residenzplatz) vor der Zufahrt zur alten bischöflichen Residenz (heute Landgericht) zwischen der Hofstiege und dem Chorhaupt des Domes. Die eindrucksvollste „im korinthischen Stile“ erbaute stand vor dem Burgtor, dem Durchgang an der westlichen Stadtmauer (heute Ludwigsplatz).
Die Ordnung des Brautzuges gibt der Kupferstich von Johann Martin Lerch wieder, der auch eine Darstellung der Stadt Passau enthält. Vielbestaunter Höhepunkt des Zuges war die sechsspännige von Schimmeln gezogene Brautkarosse (Nr. 20), die als ranghoher Zeremonienwagen mit aufwendigen Dekorformen und Insignien geziert war. Die Braut Eleonora saß erhöht „in weissem Silberstuck bekleydet/mit unschätzbaren Kleinodien und Diamanten aufs zierlichst und köstlichstes allenthalben umbhänget“. Auch ihre Mutter Gräfin Elisabeth war „in ebenfalls prächtigster Kleydung“ anzusehen.
Den Brautwagen begleiteten Edelknaben mit Windlichtern und kaiserliche Leibtrabanten mit vergoldeten Gewehren, dahinter hoch zu Roß Obersthofmeister Fürst von Dietrichstein und Oberststallmeister Graf Preuner in ihren opulent farbigen Galauniformen. Mit ihren lautstarken Instrumenten lenkten „Zehen Kayser. Hartschirern-Trompeter mit ihrem Paucker“ und „die kayserliche Hartschiern Quardi“ der kaiserlichen Leibgarde die Blicke der jubelnden Zuschauer auf sich und den vorausfahrenden Brautwagen. Fünf Karossen mit Hofdamen bildeten den Abschluss des Brautzuges.
Feuerwerk auf Schloss Neuburg – Verherrlichung und Huldigung der kaiserlichen Braut Eleonora beim feierlichen Einzug
Die weithin hör- und sichtbaren Feuerwerke waren in der Zeit des Barock ein unentbehrlicher, charakteristischer Bestandteil höfischer Feierlichkeiten. Die Feuerwerkskunst hatte sich zu einem Medium entwickelt, den sozialen Rang sowie politische Ziele und dynstischen Hoffnungen mit ungeheurem Aufwand publikumswirksam zum Ausdruck zu bringen.
Im Unterschied zu heute hatten die pyrotechnischen Schauspiele szenischen Charakter und folgten mit großer technischer Raffinesse einer detaillierten Dramaturgie, die in Partituren schriftlich niedergelegt wurde. Mit den in die Höhe geschossenen Raketen und leuchtenden Böllerkugeln wurden Geschichten erzählt.
Das Hochsteigen von Raketen, leuchtenden Böllerkugeln und Schwärmern und das Platzen von Mörserkugeln waren für die Menschen jener Zeit sensationelle Ereignisse. Der Luftraum wurde zum Schauplatz von Wundern, ein Sinnbild für den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit.
Der durchläuchtigsten kaiserlichen Braut Eleonore froher Einzug in Neuburg am Inn am 11. Dezember 1676. Stich des aus Oberleiningen in Württemberg stammenden, in Wien tätigen Johann Martin Lerch nach einem Bild von Clemens Beutler aus Ebelsberg in Österreich
Eine wichtige Rolle bei den Hochzeitsfeierlichkeiten spielte Schloss Neuburg am Inn, der Herrschaftssitz der österreichischen Grafschaft Neuburg, die dem Hochkammerpräsidenten Georg Ludwig Graf von Sinzendorf gehörte. Sinzendorf hatte von Kaiser Leopold die berühmte Wiener Mariensäule geschenkt bekommen und sie bei der Burg Wernstein auf der anderen Innseite aufgestellt.
Dazu hatte er einen Kalvarienberg errichtet. So war die Neuburg mehr als nur ein prächtig herausgeputztes Barockschloss, es war ein Theatrum sacrum, ein religiöser Kultort. Die Kreuzwegstationen, die alles dominierende Mariensäule machten den Neuburger Kalvarienberg zu einer topografischen Vergegenwärtigung von Golgotha zum Andenken an das Leiden und Sterben Christi.
Die von Georg Ludwig Graf von Sinzendorf aus Anlass der Kaiserhochzeit 1676 zwischen Eingangsportal der Vorburg und Brücke der Neuburg errichtete Ehrenpforte mit Emblemen. Kupferstich von Johann Martin Lerch nach einer Zeichnung des Passauer Malers Johann Georg Säntz, 1677
Ehrenpforte nach dem Torturm und vor der Brücke
So wurde auch die Braut Eleonora ihrem Rang gemäß beim Einzug in die Neuburg mit einer Ehrenpforte und mit einem einem großen Feuerwerk gehuldigt, das auf einer kleinen Anhöhe über der Burg Wernstein abgebrannt wurde. Auch der Pulverdampf der Salutschüsse ist auf dem Kupferstich von Lerch deutlich zu erkennen. Bei dem Feuerwerk, das die Neuburg umspielte, gab das fließende Wasser des Inn den besonderen Reiz, der von der Spiegelung der flüchtigen, leuchtenden Pracht im Wasser ausging und das Auge nicht zur Ruhe kommen ließ. Als besonders reizvoll empfand man es zudem, auf dem Wasser das ihm gegensätzliche Element des Feuers aufleuchten zu sehen. So sind auf dem Inn Kähne verankert, die mit Raketen und Leuchtkugeln bestückt waren. Schwimmende Brandröhren und Schwärmerbündel sowie schwimmende Kugeln warfen fontäneartig Feuer aus. Hochaufsteigende Girandolen zeigten das Ende des optisch-akustischen Spiels an, dessen Beschreibung sich leider nicht erhalten hat.
Der durchläuchtigsten kaiserlichen Braut Eleonore froher Einzug in Neuburg am Inn am 11. Dezember 1676. Stich des aus Oberleiningen in Württemberg stammenden, in Wien tätigen Johann Martin Lerch nach einem Bild von Clemens Beutler aus Ebelsberg in Österreich. Kolorierte Gedenkscheibe, von Kirchenmaler Josef Weilhammer, Ganghofen 1983
Das Hochzeitsmahl
Um neun Uhr abends wurde „im langen Saale der bischöflichen Residenz“ das von den Kammerherren angerichtete höfische Hochzeitsmahl eröffnet, das als Gesamterlebnis alle Sinne angesprochen hat. Die Wände des Saales mit Kassettendecke waren mit gemusterten Textilien bespannt, erlesene flämische Wandteppiche zauberten mit Darstellungen von Wäldern, Feldern und blühenden Gärten den Frühling in den Raum. Wandleuchter in der Form von Händen, die lange Kerzen halten, illuminierten stimmungsvoll das Geschehen. Angetan mit farbenfrohen Gewändern und Hellebarden verfolgten Kaiserliche und Pfalz-Neuburgische Kavaliere als Zuschauer aufmerksam das Tafelzeremoniell. Der Geruch der erlesenen Speisen und der Gewürze und das Schauspiel beim kunstgerechten Transchieren der Braten durch den Vorschneider erregten die Sinne.
Die Wiener Hofkapelle sorgte von einer erhöhten Bühne aus nicht nur für eine musikalische Untermalung, sondern sie begleitete auch als hörbare Zeichen den zeremoniellen Verlauf des Hochzeitsessens. Als das kaiserliche Brautpaar das Glas zum „ersten Gesundheitstrunk“ erhob, wurde mit Trompeten und Pauken das Zeichen gegeben, so dass die auf dem Platz stehenden Soldaten mit einer Salve antworteten und ein großes und kleines Geschütz in der Stadt und auf dem Oberhaus folgten. Durch diese akustischen Signale konnte auch die Passauer Bürgerschaft jenseits des Speisesaales den Verlauf des Hochzeitsmahles mitverfolgen.
Schon durch das Emporgehobensein durch die um drei Stufen erhöhte langgestreckte Hochzeitstafel zeigte sich die Rangordnung. Als ranghöchste Personen hatte an der Stirnseite auf Sesseln mit Arm- und Seitenlehnen aus rotem Samt allein das kaiserliche Brautpaar unter zwei Baldachinen Platz genommen. Mit einem gewissen Abstand saßen zu beiden Seiten auf Sesseln ohne Armlehnen die Brauteltern, die beiden Brüder der Braut und der Fürstbischof. Neben der Tafel kann man auf dem Kupferstich zwei Kredenztische erkennen, einen zum Anrichten der Speisen und einen zum Vorbereiten des „kaiserlichen Mundtrunks“.
Das Händewaschen vor dem Essen mit Kannen und Becken gehörte zur höfischen Tafel und hatte rituellen Charakter. Weil man mit drei Fingern aß, kam der Reinigung eine besondere Bedeutung zu. Nach der Reichung des Wassers und dem Händewaschen erfolgte das Tischgebet.
Den ranghöchsten Hofbeamten oblag der Tafeldienst. So übte der Obersthofmeister der Kaiserin, Ferdinand Fürst von Dietrichstein (1636–1698), Ritter vom Goldenen Vlies, der für alle zeremoniellen Fragen zuständig war, das höchst ehrenvolle Amt des Vorschneiders für das Brautpaar aus. Vorschneider für die anderen Gäste waren Graf Berkha und Graf von Herberstein.
Höfische Vorschneider mussten die hohe Tranchierkunst beherrschen. Als ein Akt des Schauspiels wurde das Vorschneiden zelebriert. Elegant, fachgerecht und gekonnt zerteilte der Vorschneider mit seinem Tranchierbesteck den Braten in mundgerechte Stücke und legte sie den Tafelgästen vor. Man erkennt auf dem Stich nur eine zweizinkige Gabel und tiefe Silberteller, denn das individuelle Tafelgedeck mit Messer, Gabel, Löffel, wie wir es heute kennen, kam erst später in Mode. Bei der Mahlzeit selbst das Messer zu benutzen, galt als unehrenhaft.
Die Tafel war nach den Regeln des Service à la française mit verschiedenen Schüsseln gedeckt. Bei dieser Speisenfolge standen bei jedem der Gänge mehrere sehr unterschiedliche Gerichte gleichzeitig auf dem Tisch, die man mit der zweizinkigen Gabel auf seinen Teller legte.
Gläser, Becher und Karaffen fehlen auf der Tafel. Sie wurden an Kredenzen gefüllt und den Hochzeitsgästen gereicht, die die Gläser sofort leerten und dann zurückgaben. Nach dem Essen wurde das Gebet gesprochen und das Wasser zum Händewaschen gereicht.
Epilog
Jakob Heybel, Deckengemälde im Kaisersaal in Schloss Alteglofsheim, 1676/1685: Kaiser Leopold I. und seine Gemahlin Eleonore Magdalena im Kreis von Fürstinnen und Fürsten (Foto: Marion Romberg)
Nach den Festivitäten in Passau reiste das jungvermählte Paar am 18. Dezember über Linz in Richtung Wien. Am 26. Juli 1678 gebar Eleonore ihren ältesten Sohn Joseph, den späteren Kaiser Joseph I. (1705-1711), womit die männliche Nachfolge in der Habsburger Dynastie gesichert war. Nach Josephs frühen Tod im Jahr 1711 wurde der 1685 geborene dritte Sohn Karl Erbe der Habsburger Länder und als Karl VI. römisch-deutscher Kaiser (1711-1740). Da ihm keine Söhne geboren wurden, sollte rechtlich gesichert durch die Pragmatische Sanktion seine Tochter Maria Theresia Erbin werden.
Die 1705 zur Witwe gewordene Kaiserin Eleonore, die 26 Jahre mit Kaiser Leopold I. verheiratet war, konnte als Großmutter noch vor ihrem Tod im Jahr 1720 ihre 1717 geborene Enkelin Maria Theresia in den Armen halten, die als Erzherzogin von Österreich in ihrem Kampf um die Anerkennung als erste weibliche Erbin im Hause Habsburg und als Kaiserin an der Seite ihres Mannes Franz Stephan (1745-1765) zum Mythos geworden ist. So gesehen spielt die Passauer Kaiserhochzeit eine zentrale Rolle für das Fortbestehen der Dynastie der Habsburger, die über Jahrhunderte die Geschicke Europas bestimmt hat.
Die Medaille zu drei Dukaten, die kurz nach der Hochzeit geschaffen wurde, zeigt auf ihren zwei Seiten die beiden Eheleute. Leopold trägt einen römischen Harnisch mit Toga, Eleonore ein antikisierendes Gewand.
Gedruckte Quellen:
Giovanni Bernadino GENTILOTTI: Passavia In Feste Nelle Solennissime Nozze Delle S.C.R.M. Di Leopoldo Primo Imperator de‘ Romani, &c. E Di Eleonora Maddalena Teresa Principessa Palatina di Neoburgo, &c. Augustissimi Sposi, Passau 1677.
Antonio DRAGHI, Le Ninfe Ritrose, 1676, Instroduttione d´ vn Balletto, aufgeführt 1676, gedruckt 1686
Alessandro POGLIETTI, „Rossignolo“ (Die Nachtigal) 1677
Johann Martin LERCH: Die Glückliche Vermählung der beyden Durchleüchtigsten Häusser Oesterreich und Newburg. Oder Gründliche und warhaffte Beschreibung der hochansehlichen Beylagers-Festivitäten deß … Herrn Leopoldi Röm. Käysers … Mit Eleonora Magdalena Theresia Hochgebohrnen Hertzoglichen Princessin zu Newburg Sampt außführlichen Bericht, was bey Dero Reyse von Wienn und Neuburg auff Passau und dann zuruck biß nacher Lintz sich merckwürdiges begeben, Linz 1677.
GEARCHUS und PANDORA Das ist Glückselige Vermaehlung bey Hochzeitlcihem Freuden-Fest Beyder Kaeyserlichen Majestaeten LEOPOLDI Und ELEONORAE MAGDALENAE THERESIAE Einer Geborhrnen Hertzogin und Pfalzgräfin von Newburg In dem Ertz-Herzoglichen Collgegio der Societet JESU zu Paßaw vorgestellet den 17. Tag im Christmonath ANNO nach Christi Geburt 1676
Karl Ludwig Seyffert: Passauisches Tagebuch (deutsch) (1787). Titel >Merkwürdigkeiten auf die Geschichte Passau (!) Bezug habend nach den Tagen der.In Jahr 1676: als Kaiser Leopold sich mit der Pfalz neüburgischen Prinzeßin Eleonora Magdalena Theresia ehelich verlobet, verrichtete, hier zu Paßau Fürst Bischof Sebastian Graf von Pötting zwischen diesen höchsten Braut-Personen das Trauungs Ceremoniel, worbey dieser Fürst an gebührender Bewirthung und Ehrenbezeigungen beeder Maiestäten nichts ermangeln ließe, unter andern Feierlichkeiten sahe man auch hier 3: kostbar errichte Triumphbögen.
Literatur:
Heinz, DUCHHARDT: Die dynastische Heirat, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz 2010-12-03. URL: http://www.ieg-ego.eu/duchhardth-2010-de URN: urn:nbn:de:0159-20100921192 [JJJJ-MM-TT].
Edith SCHMIDMAIER-KATHKE, „Die Glückliche Vermählung …“. In: Ostbairische Grenzmarken 36 (1994), S. 147-157.
Josef OSWALD, Kaiser Leopold I. und seine Passauer Hochzeit im Jahre 1676. In: Ostbairische Grenzmarken 19 (1977), S. 22-37 (mit weiterer Literatur).
Franz Jürgen GÖTZ: Die Geschichte des Buchdrucks in der geistlichen Residenzstadt Passau 1641bis 1803, In: Ostbairische Grenzmarken 36 (1994), S. 107-146.
B. Michael ANDRESSEN, Barocke Tafelfreuden an Europas Höfen, Stuttgart, Zürich 1996.
Sandra KRUMP, In scenam datus est cum plausu – Das Theater der Jesuiten in Passau (1612-1773), Berlin 2000.
Jörg KASTNER, Schloß Neuburg und die Kaiserhochzeit von 1676, In: Schönere Heimat 80 (1991), Hft. 8, 25-30.
Wilfried HARTLEB, Die Neuburg. Adelssitz und Künstlerschloss am Inn. Illustrierte Geschichte eines Baudenkmals, Kultur im Landkreis Passau Band 50, Salzweg 2016.
Christian HECHT, Die Wandgemälde Ferdinand Wagners in den Passauer Rathaussälen. In Ostbairische Grenzmakren 49 (1997), S. 119-135.
Claudia Curtius SEUTTER von LÖTZEN, Das Tafelzeremoniell an deutschen Höfen im 17. Und 18. Jahrhundert- Quellen und Rechtsgrundlagen, Diss, Jena 2008.
Barbara STOLLBERG-RILLINGER, Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie, München 2017/4.
Eberhard FÄHLER, Feuerwerke des Barock. Studien zum öffentlichen Fest und seiner literarischen Deutung vom 16. Bis 18. Jahrhundert. Stuttgart 1974.
Mark HENGERER, Die Zeremonialprotokolle und weitere Quellen zum Zeremoniell des Kaiserhofes im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, In: Josef PAUSER (HG), Quellenkunde der Habsburgmonarchie (16.-18. Jahrhundert) Ein exemplarisches Handbuch, Wien 2004, S. 76-93.
Peter-Michael HAHN/ Ulrich SCHÜTTE, Thesen zur Rekonstruktion höfischer Zeichensysteme in der Frühen Neuzeit, In: Mitteilungen der Residenzen-Kommission 13-2, S. 19- 47. Berlin 2003.
Ruth FRÖTSCHEL, Der Handkuss in den Zeremonialprotokollen des Wiener Hofes (1652-1787), Diplomarbeit, Wien 2009.