Eugen Felle und die Vogelschaubilder vom Unteren Inn

Eugen Felle (1869-1934) und die Vogelschaubilder vom Unteren Inn

Von der Flusslandschaft am Unteren Inn gibt es sog. Vogelschaubilder aus der Zeit um 1900. Sie stammen von dem 1869 in Isny im Allgäu geborenen Postkartenmaler und -verleger Eugen Felle (1869–1934). Diese Vogelschaubilder sind Meisterwerke grafischer und künstlerischer Darstellungskunst und gehören in die Pionierzeit des bayerischen Tourismus zu den populärsten Bildmedien.

Eugen Felle (1869–1934)

Was sind Vogelschaubilder?

Als perspektivisch-plastisch wirkende Bilder sind Vogelschaubilder sehr beliebt, da sie als Ausblick von einem erhöhten Punkt aus über die Landschaft hin die dritte Dimension anschau-licher zeigen als herkömmliche Karten. Sie stellen ähnlich wie Panoramen und 3-D-Karten die Landschaft aus großer Höhe perspektivisch auf eine schräge Bildebene wieder. Der Zweck der Vogelschaubilder besteht darin, den Betrachtern eine topografische Gebietsorientierung an die Hand zu geben. Sie erfüllen damit nicht das Kartenmerkmal der Maßstäblichkeit, zeichnen sich dafür aber in der plastischen Darstellung des Reliefs durch besonders hohe Anschau-lichkeit aus. Während Vogelschaubilder künstlerisch frei komponiert sind, sind Vogelschau-karten exakt geometrisch konstruiert. Man kann nur erahnen, welche Arbeit dahintersteckt, um ein gegebenes Gelände in einer künstlerisch hochstehenden, geometrisch korrekten und den touristischen Belangen genügenden Abbildung wiederzugeben. Eugen Felle platzierte in seine Vogelschaubilder vom Inn wie in einem Bühnenbild signalhaft die markanten touristischen Sehenswürdigkeiten der Region, wobei der Inn die Mittelbühne bildet. Dadurch bekamen sie ein attraktives Erscheinungsbild und leisteten einen bedeutenden Beitrag zur touristischen Entdeckerfreude. Als touristische Bildmedien bilden Felles Vogelschaubilder ein geschlossenes Netz der Erlebnissteuerung für den Touristen. Sie haben damit in der Anfangszeit des modernen Tourismus Ausflugsziele popularisiert und so zur touristischen „Eroberung“ der bayerischen Landschaft beigetragen. Als Werbung für Fremdenverkehrsgebiete vermittelten sie den Menschen auf bildmedialem Weg Landschafts-erlebnisse und wurden so zu Symbolbildern der touristischen Sehnsucht nach Landschafts-genuss.

Leben

Der 1869 in Isny im Allgäu geborene Eugen Felle hat sich 1886 mit 17 Jahren an der Münchner Akademie der Bildenden Künste in die Klasse für religiöse Skulptur bei Professor Syrius Eberle eingetragen.

Eugen Felle hat an der Münchener Kunstakademie religiöse Bildhauerei studiert.

Matrikelbuch der Akademie der Bildenden Kunst, München, Bd.: [3], 1920

Felle Eugen, aus Isny, Würthemberg, dessen Vater Metzger, Alter 17, Kunstfach Bildhauereischüler bei (Prof. Syrius) Eberle

Syrius Eberle (1844-1903), Professor für religiöse Skulptur an der Akademie der Bildenden
Kunst in München, Lehrer von Eugen Felle

Eugen Felle hat sich mit 17 Jahren im Oktober 1886 an der Münchner Akademie der Bildenden Künste in die Klasse für religiöse Skulptur bei Prof. Syrius Eberle (1844-1903) eingeschrieben.

Nach dem Studium eröffnete er in seiner Heimatstadt Isny bereits 1892 das „Atelier Felle“. 1898 erweiterte er sein Geschäft und nannte es „Atelier für künstlerische Zeichnungen und Entwürfe, Spezialität: Städte und Landschaften aus der Vogelschau, Alpenpanoramen, Entwürfe in Feder und Aquarell“.

Mit seinen künstlerisch anspruchsvollen, detailliert ausgeführten Ansichtskarten machte er sich bald einen Namen. Zunächst waren Lithografien fast immer einfarbig, ab etwa 1895 wurden Ansichtskarten überwiegend als mehrfarbige Chromolithografien gedruckt, später im Tiefdruckverfahren.

So auch Felles Vogelschaubilder. Mit seinen Produkten war er am Puls der Zeit, so verlegte er neben Vogelschaubildern auch gedruckte Bildpostkarten, die nach seinen Original-zeichnungen gestaltet waren. Seit 1885 waren nämlich Bildpostkarten offiziell zugelassene Postmittel, ein Medium, das sich für Felle zu einem guten Geschäft entwickelte.

Eugen Felle fertigte seine Zeichnungen vor Ort an. Die sorgsam bearbeiteten Originale gingen dann als Druckvorlage an die Druckereien in Isny, Kempten, München und Dresden. 1910 beschäftigte Felles Atelier bis zu sechs Zeichner, um die Aufträge bewältigen zu können. Nach dem 1. Weltkrieg setzte Felle das Ansichtskarten-geschäft fort und entwickelte es weiter.

Felles Vogelschaubilder aus der Pionierzeit des Fremdenverkehrs

Der zunehmende Fremdenverkehr, der sich moderner anschaulicher Werbemittel bedienen wollte, bot eine stabile Auftragslage: Gastwirte, Hotelbesitzer, Kurhäuser warben mit Eugen Felles Produkten für ihre Einrichtungen. Dabei waren Naturschönheiten, Flusslandschaften, Gebirgspanoramen, Ausflugsziele die Motive, mit denen für den Sommeraufenthalt geworben wurde. Die Karten erschienen in verschiedenen Verlagen oder wurden von Einzelhändlern vertrieben. Heute gehören Felle-Ansichtskarten zu den meistgesuchten Sammelobjekten. Signiert sind diese in der Regel mit „Atelier E. Felle, Isny“, „Felle/Isny“ oder „E. Felle“. Der Künstler starb 1934.

Bedeutung für die Kulturgeschichte und den Fremdenverkehr

Für die Kulturgeschichte und für den Fremdenverkehr sind Felles Vogelschaubilder von großem Wert. Zeigen sie doch bedeutsame Kulturdenkmäler am Unteren Inn. In einer Zeit, als der Inn seit 1779 durch den Bayerischen Erbfolgekrieg (Friede von Teschen) noch die Grenze zwischen Österreich und Bayern bildete, hat Felle Ausflugsziele von beiden Ländern in die Vogelschaukarten aufgenommen. Es sind Bauwerke, die Zeugen einer gemeinsamen Geschichte sind: auf österreichischer Seite die gotische Wallfahrtskirche Mariae Himmelfahrt in Kirchdorf am Inn, Obernberg mit dem schönen Marktplatz, das Augustinerchorherrenstift Reichersberg, das ehemalige Chorherrenstift Suben mit der bedeutsamen Rokokokirche und die Barockstadt Schärding, auf bayerischer Seite Neuhaus und das Schloss mit der neubarocken Dreifaltigkeitskirche (Damenstift der englischen Fräulein mit Schule), das ehemalige Benediktinerkloster Vornbach (seit 1803 Schloss) und das hoch über dem Inn gelegene Schloss Neuburg.