Wie das große Hochwasser von 1899 den Bau der Pfarrkirche von Neuhaus am Inn verhinderte

Wie das große Hochwasser von 1899 den Bau der Pfarrkirche von Neuhaus am Inn verhinderte

Dr. Wilfried Hartleb, Kreisheimatpfleger

In Neuhaus am Inn gehörte bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Pfarrei Sulzbach, die bis zur Säkularisation von den Geistlichen des Benediktinerklosters Vornbach seelsorgerisch betreut wurde. Auch als Sulzbach im Jahr 1806 selbständige Pfarrei wurde, blieb für die Neu-hauser die Pfarrkirche in Sulzbach der Ort zum Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes. Lediglich in der Kapelle im Schloss Neuhaus, das in den Jahren 1750 bis 1752 von dem berühmten Kirchenbaumeister Johann Michael Fischer (1692 -1766) in eine barocke Vierflügelanlage verwandelt, 1859 von den Englischen Fräulein gekauft und zu einem Erziehungsinstitut umgebaut worden war, konnten vom Schlossbenefiziaten Gottesdienste gehalten werden.

Bischof Dr. Michael von Rampf (1889-1901)

Unter dem Passauer Bischof Dr. Michael von Rampf (1889-1901) kam es zum Ausbau der Pfarr-organisation, die mit Kirchenneubauten verbunden war. Bis zu seinem Tode im Jahr 1901 gründete Bischof Rampf 93 Pfarreien und 10 Exposituren. Auf der einen Seite fand eine Modernisierung der Gesellschaft statt, andererseits wurde in der Architektur auf die über-lieferten Stile und Kunstformen früherer Zeiten zurückgegriffen, weshalb das 19. Jahrhundert als Zeit des „Historismus“ bezeichnet wird. So wurden auch die neuen Kirchen in der zeit-typischen Stilbreite von Neugotik, Neuromanik und Neubarock geplant und gebaut.
Die 19. Jahrhundert wuchsen die Städte und wurden zu Zentren der Hochkultur. Der ländliche Raum wurde abgehängt. Aber es begann eine Rückbesinnung auf die künstlerische Kraft einer Region als Quelle der Erneuerung. So entwickelte sich ein Heimatstil, der sich in charakter-istischen Bauernhäusern und auch in den Landkirchen ausdrückte: Die neuen Dorfkirchen sollten zentralörtliche Funktionen wahrnehmen sowie heimat- und identifikationsbildend sein.

Der erste Plan für den Bau einer Pfarrkirche

So sollte auch die Gemeinde Neuhaus eine Pfarrkirche erhalten. Den Auftrag dazu bekam der hochberühmte Hochschulprofessor für mittelalterliche Baukunst an der Technischen Hoch-schule München Heinrich Freiherr von Schmidt, der mehrere Planentwürfe zum Bau einer Pfarrkirche in Neuhaus ausgearbeitet hat, die im Architekturmuseum München der TU München aufbewahrt werden.
Schmidt war ab 1883 Professor für mittelalterliche Baukunst an der Fakultät für Architektur der Technischen Hochschule München. In den Jahren 1889 bis 1892 wurde nach seinen Plänen die Pfarrkirche St. Vitus in Tittling und der neue Rathausturm in Passau gebaut. Bedeutsam ist Schmidt auch wegen der beiden in den Jahren 1893 bis 1896 vollendeten Domtürme, die seitdem 68 Meter emporragen. Die Stadt Passau würdigte sein Wirken mit der Verleihung ihrer Ehrenbürgerwürde am 1. Oktober 1892.

Architekt Heinrich Freiherr von Schmidt (1850-1928)

Für die Standortwahl stellte Schmidt raumplanerische aber auch ästhetische Überlegungen an. Für Schmidts Entwürfe gab es vier Standortvarianten. die sich an der erwarteten Ausdehnung aller Orte nach den Hauptverkehrsadern wie der Staatsstraße und der Innbrücke orientierten. Der Kirchenbauplatz sollte der geplante Mittelpunkt von Neuhaus werden und dessen bau-liche Entwicklung koordinieren.
Er wollte, dass die Kirche dominierend stehen und den in zwei Hälften erbauten Ort in ein Ganzes zusammenschließen sollte. Für Schmidt sollte die Lage des Kirchenbauplatzes so ge-wählt sein, dass er möglichst in das Zentrum der Gemeinde kommt. Der Bauplatz für die neue Kirche soll plateaumäßig erhöht und durch Stützmauern und Freitreppen gesichert werden, um die angestrebte Mittelpunktsfunktion der Pfarrkirche optisch hervorzuheben. Dies sollte der neuen Pfarrkirche eine beherrschende Stellung verleihen.
Die von Schmidt vorläufig geschätzten Kostensummen beliefen sich sich auf 144 000 bzw. 80 000 Reichsmark. Die größere Variante berücksichtigte das zusätzliche Raumangebot für die Klosterangehörigen und die Schülerinnen. Die kleinere Lösung war ausschließlich für den künftigen Seelsorgesprengel projektiert. Bei dem Neuhauser Pfarrkirchenbau orientierte sich Schmidt bei seinen Kostenvoranschlägen an die nach seinen Plänen in den Jahren 18890-1892 erbauten, neugotischen dreischiffigen Pfarrkirche in Tittling im Bayerischen Wald. Statt wie in Tittling in gefugten Granitzyklopenmauerwerk sollte in Neuhaus Putz verwendet werden.
Die Gemeinde Neuhaus favorisierte Schmidts kleinere Lösung, die am 12. September 1899 die Genehmigung erteilt wurde. Doch stellte das Passauer Bezirksamt als allerhöchste Genehmigungsbehörde fest, dass der Architekt aus Zeitmangel und Unkenntnis der örtlichen Preisverhältnisse die detaillierte Ausarbeitung der Kostenvoranschläge abgelehnt habe.

Doch schon einen Tag später nach dem Gemeindebeschluss zum Bau der Pfarrkirche nach den Plänen von Heinrich von Schmidt wurde Neuhaus am 13. September 1899 mehrere Tage vom großen Hochwasser heimgesucht und total überschwemmt. Daraufhin wurde der ur-sprüngliche Kirchenbauplan von Schmidt verworfen, weil die Gemeinde Neuhaus infolge des Hochwassers derart verarmte, das sie unmöglich die Kosten für den Kirchenbau aufbringen konnte. Auch war der vorgesehene hochgelegene Bauplatz derart überspült worden, dass er sich als ungeeignet erwies.

Pläne von Heinrich Freiherr von Schmidt (1850-1928) für den Bau einer Pfarrkirche im gotischen Stil im Architekturmuseum der TU München

Johann Baptist Schott – Architekt und Denkmalpfleger-

Damit kam der Architekt Johann Baptist Schott (1853-1913) zum Zuge, einer der führenden Architekten in den Bistümer Passau und Regensburg. der auch die monumentale St. Anna Basilika in Altötting erbaut hat.
Als Denkmalpfleger fühlte sich Schott in die Architektur des vorhandenen barocken Schlosses und des barock nachempfundenen Nebengebäudes ein. Er hatte bei seinen Planungen das ge-samte Schlossensemble im Blick, das er erhalten und weiterentwickeln wollte.
Schott verlagerte den Bauplatz in den Hofraum des Schlosses auf die vom Hochwasser ge-schützte Schlossinsel. So glich er den Baustil der Kirche der vorhandenen Architektur des barocken Schlosses an. Und so baute Schott die Neuhauser Dreifaltigkeitskirche als neu-barocke multifunktionale Pfarr- Kloster- und Institutskirche in das barocke Schloss hinein.

Johann Baptist Schott (1853-1913)