Grongörgen – eine spätgotische Wallfahrtskirche ganz in Farbe gehüllt-2

Friedhofskirche in Vornbach (Chor der ehemaligen Pfarrkirche) restauriert durch Zunhamer

Doppelwappen an der Südwand neben dem Sakristreivorraum

-rechts: auf grauem Grund ein roter Greifenkopf, aus grünem Dreiberg wachsend

-links: das quadierte Wappen der Trenbach mit Greifenkopf und Wecken. Ob sich das Wappen auf den Passauer Fürstbischof Urban von Trenbach (1561-1598), auf den Passauer Kanonikus Wolfart Ramseiden (+1540) beziehen, oder ob es sich um ein Ehewappen handelt, ist nicht geklärt.

Apostelkreuze farbig

Im Chor sehen wir die Apostelkreuze. Die von einem Kreuz umschlossenen Weihekreuze erinnern daran, dass Jesus seine Kirche auf die zwölf Apostel aufgebaut hat und dass die Apostel die tragenden Säulen der Kirche sind.

In der Offenbarungsgeschichte von Johannes (Offb.21,14) heißt es: „Die Mauer der Stadt (des himmlischen Jerusalem) hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes.“

Bei der Weihe einer Kirche werden nach dem Altar auch die Wände der Kirche an zwölf dafür vorgesehen Stellen in Kreuzesform mit Chrisam gesalbt.

Die gesalbten Stellen werden in vielen Kirchen mit Kreuzen markiert, über denen die so genannten Apostelleuchter angebracht sind.

Das Radkreuz wird auch als Sonnenkreuz bezeichnet. Es ist ein vorchristliches Licht- und Sonnensymbol.

Vor der Reformation wurde die Form des Weihekreuzes auch als päpstliches Hoheitszeichen verwendet. Deshalb wird es auch als päpstliches Zeichen bezeichnet.

In Grongörgen gibt es aber 13 Apostelkreuze. Das 13. Apostelkreuz steht für Paulus, der ja Jesus nie persönlich begegnet ist, der erst später zu den Aposteln dazugezählt wurde und seit seinem Damaskuserlebnis der Umkehr sich „Apostel des Evangeliums“ nannte. Apostel hat die Botschaft Jesu in die damalige griechische und römische Denk- und Lebenswelt übersetzt.

Die Entstehungsgeschichte Grongörgens

Die Entstehung Grongörgens muss man im Zusammenhang sehen mit den zahl-reichen Kirchenbauten um diese Zeit. Baufreude erfüllte das Land und ließ die spätgotische Kirche zum bis heue vorherrschenden Typ der Pfarrkirche auf dem Land werden. Denn die Pfarrseelsorge wurde damals intensiviert. Man wollte die theologische Bildung der Gläubigen verbessern durch bessere Hinführung zur Bibel mittels umfassender Predigt.

Die Epoche war auch von dem Gefühl der Angst heimgesucht. Nach den Pestseuchen löste die Angst vor dem plötzlichen Tod vielschichtige Veränderungen aus.

-Schutz des Lebens in Ehe und Familie durch kirchliches Recht

-Schutz des Lebensunterhaltes unter dem Schutz der Heiligen und im Rahmen der religiös verfassten Zünfte und Bruderschaften.

-die Caritas sollte die Reichen bewegen, den Armen das Leben zu erleichtern und dadurch Schätze im Jenseits zu erwerben und sich des Gebetsbeistands, hauptsächlich während des zu erwartenden Fegefeuers, zu versichern. Die Dauer des Fegefeuers abzukürzen und den Weg in den Himmel hinein zu bahnen, war der Zweck der zahllosen frommen Übungen und Stiftungen.

In Grongörgen wurde aber nicht als Pfarrkirche erbaut, sondern als Wallfahrtskirche. Denn seit dem 14. Jahrhundert bestimmte nicht mehr die Pilgerschaft zu den weit entfernten Heiligen Stätten das Bild vom wandernden Gottesvolk, sondern die Wallfahrt zu einem hl. Ort des Landes.

In der Region entstanden allein 15 Marienwallfahrtsstätten und zahlreiche Heiligen- Wallfahrten, die auch in Konkurrenz ums Publikum standen.

Die älteste Wallfahrt führte zum hl. Leonhard in Aigen. Dann entstanden Marienwallfahrten wie Kößlarn und zu hl. Mutter Anna in Kreuzberg bei Freyung.

Man versuchte eben, das Evangelium und die ganze Lehre der Kirche in der Heimat anzusiedeln und hier zu verwurzeln. Der unmittelbare Bezug zu Gott, das Vertrauen auf den himmlischen Schutz zeigte sich auch in der Heiligenverehrung. Damals wurden die Heiligenfeste immer mehr.

Dieser religiöse Hochsinn brach im 16. Jahrhundert jäh ab, und es machte sich erschreckende religiöse Gleichgültigkeit breit. In dem Visitationsbericht des bayerischen Herzogs von 1558 kann man dies nachlesen. Da wurden keine Kirchen mehr gebaut. Die Arbeiten am Regensburger Dom wurden eingestellt. Am Turm von Schildthurn wurde der letzte Stein der Spätgotik gesetzt.

Grongörgen ist die einzige dem hl. Papst und Kirchenvater Gregor dem Großen geweihte Wallfahrtskirche (Patrozinium 3. September). Als die Wallfahrt zum Heiligen Gregor nachließ, trat an ihre Stelle seit dem 18. Jahrhundert die Verehrung des Viehpatrons Leonhard. Die Umritte zu seinem Namensfest am letzten Oktobersonntag gehören neben Aigen am Inn und Kellberg zu den bedeutendsten ihrer Art in Niederbayern.

Die Entstehung von Grongörgen ist eng mit dem Prämonstatenserkloster St. Salvator verbunden. Nach den Urkunden bestand im Jahr 1303 ein kleiner Doppelkonvent von Schwestern und Brüdern, die nach der Augustinerregel im Schutz des Passauer Bischofs Werner lebten.

1441 wurde die Propstei und der Konvent St. Salvator vom Generalabt der Prämonstatenser in den Rang einer Abtei erhoben.

Wenige Jahre später wurde daraus ein Kloster der Prämonstatenser.

1340 und 1341 nahm Kaiser Ludwig der Bayer das Kloster im Steinkart in seinen besonderen Schutz.

Abt Petrus II. Zistler (1431-1453) hat 1437 die Pfarrei Uttlau mit den Filialen Haarbach, Wolfakirchen, Bergham und Reisbach übernommen.

Hier in Grongörgen stand eine Kapelle und den Ort nannte man „Steinhaarbach“.

Die Wallfahrt zu Grongörgen ist älter als die Kirche, denn hier stand eine Kapelle. Ob hier ursprünglich schon der hl. Gregor oder die hl. Korona oder der hl. Georg verehrt wurden, weiß man nicht.  Schon eine Papsturkunde von 1470 verwechselt Gregorius mit Georgius. Umso verständlicher ist, dass sich das Volk den Namen des ihm fremden Mönchsheiligen in verschiedenen Variationen dem bekannteren Namen Georg annäherte.

Bild vom Altar Grongörgen im Bayerischen Nationalmuseum Stifterbild

Im bayerischen Nationalmuseum befindet sich ein mehrfach wandelbarer Altar, der aus Grongörgen stammt. Zwei der Holztafeln bemalte Künstler mit den Heiligen Dorothea und Agnes, Magdalena und Katharina. Die beiden Bildfelder zeigen einen jugendlichen Ritter in blank glänzendem Harnisch sowie den Konvent von St. Salvator (13 köpfig). Der Ritter ist ein herzoglicher Finanzbeamter aus dem nahen Griesbach im Rottal und die Mönche stammen vom Prämonstatenserkloster St. Salvator. Sie sind die Stifter dieses Altares.

Gregor der Große ist Kirchenvater der röm. Kirche, geb. um 540, gestorben am 12. März 604, Sohn einer Senatorenfamilie, 572 Stadtpräfekt in Rom, gründete nach dem Tode des Vaters im elterlichen Palast ein Kloster und wurde dort Abt.

579-585 päpstlicher Gesandter beim oströmischen Kaiser in Konstantinopel. Er wurde 590 zum Papst geweiht.

Wir haben im Jahr 2010 im Museum Kloster Asbach eine Ausstellung über die Benediktiner- und Zisterzienerklöster gemacht. Da haben wir thematisiert, dass der Mönchspapst Gregor der Große in seinen Dialogen über das Leben des hl. Benedikt schreibt. Sein Anliegen war aufzuzeigen, dass Italien mit Benedikt einen großen Heiligen besitzt, nicht nur Ägypten seinen hl. Antonius den Großen hat und Gallien seinen hl. Martin von Tours.

Gregor gehört zu den vier patres ecclesiae, zu den bedeutendsten Theologen der frühchristlichen Zeit. Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor. In der Bildenden Kunst sind sie zusammen dargestellt. Seit dem 13. Jahrhundert gehören die Kirchenväter zum Figurenprogramm in gotischen Kathedralen. Auch in einem Kirchenfenster in Grongörgen kommen alle vier Kirchenväter vor.

Glasfenster mit den Kirchenvätern

Gregor der Große über dem Eingang zur Sakristei

Papst Gregor wird mehrmals in dieser Wallfahrtskirche dargestellt. Er wird im pontifikalen Gewand abgebildet, also der Amtstracht des Papstes.

Über dem Eingang zur Sakristei sehen wir von Blattranken gerahmtes Fresko dieses Heiligen. Es zeigt den Kirchenpatron mit der Tiara auf dem Haupt, den Kreuzstab in der rechten Hand, was ihn als Papst kenntlich macht. Das Buch in der linken Hand weist ihn als Kirchenlehrer aus.

Er hat ein Pluviale an, auch Rauchmantel oder Chormantel genannt, der vorne offen getragen wird und nur über der Brust mit einer Metallschließe zusammengehalten wird. Als Untergewand sieht man das fein fließende Leinen der Albe mit Ärmeln.

Das Fresko ist umrahmt von zwiefarbigen Blattranken auf rotem Grund nach Art des laufenden Hundes (Wellenband) Der laufende Hund ist eine Verzierung in Form eines Mäanders, ein Ornament, das den Namen hat durch die energetische Kreisbewegung, die ein Hund beim Laufen macht.

In der griechischen Antike steht der Mäander für Ewigkeit, weil sich dieses Muster immer reproduziert. Zyklus von Wiederholungen durch Reproduktion.

Christus am Kreuz mit Maria und Johannes

Zwiefarbige Blattranken umziehen auch den Chorbogen und das Fresko im Scheitel des Chorbogens: Der Erlösungstod Christi als das zentrale Ereignis der Heilsgeschichte mit Maria und dem Lieblingsjünger Johannes unter dem Kreuz (nach Johannes 19,25-27). Drei Figuren sind abgebildet. Jesus in der Mitte am Kreuz, über ihn die Inschrift INRI (Jesus Nazarenus Rex Iudaeorum, Jesus von Nazareth, König der Juden. (Joh. 1919)

Unter dem Kreuz stehen Maria mit gefalteten Händen und Johannes der Evangelist mit dem Buch.

Maria und Johannes erscheinen als erste Glaubende, als Vorbilder der um das Kreuz versammelten Gemeinde.

Auf diese drastische Darstellung des gepeinigten, am Kreuz hängenden Schmerzenmannes möchte ich näher eingehen, weil diese Darstellung ja auch die Frömmigkeit der damaligen Zeit widerspiegelt, eine gefühlsbetonte Beziehung zur Passion Christi, die auf Franz von Assisi zurückgeht.

Wir sehen an dieser Kreuzigungsdarstellung einen zu einem Bild gewordenen Text, eine Auslegung des Evangeliums. (Es gibt ja auch noch die volkreiche Kreuzigung, dann kommt Magdalena dazu, die am Boden mit aufgelösten Haaren kniet.)

Und dieses Bild zielt auf das Mitleiden der Wallfahrer mit dem Gekreuzigten.

Erst seit der Gotik gibt es solche Kreuzesdarstellungen, die aus der Compassiomystik des Mittelalters zugrunde gelegt ist.

Der Kopf des toten Jesus ist nach rechts gewandt. Sein Leib ist schmächtig, seine Glieder sind lang gestreckt. Christus ist tot, seine Augenlider sind geschlossen. Gewalt und Tod am Kreuz stehen im Gegensatz zu dem gelöst wirkenden Ausdruck des Gesichtes. Bis die Seitenwunde ist der Körper unversehrt.

Bis auf den Lendenschurz ist er nackt, Erniedrigung und Entehrung des Hingerichteten durch Entblößung. Man sieht die Seitenwunde auf der rechten Seite, wovon uns nur das Johannesevanglium (19,34) erzählt, dass ein Lanzenstich dem toten Jesus von einem Soldaten zugefügt wurde. Aus dieser Seitenwunde floss Blut und Wasser heraus und wird als Quelle des Heils gedeutet. Wasser und Blut stehen als Bilder für die Hauptsakramente der Kirche, Taufe und Eucharistie. Und die rechte Seite ist die Seite des Guten und der guten, des Glücks und des Heils, obwohl sich das Herz bei jedem Menschen auf der linken Seite befindet.

Wenn man genau hinschaut, sieht man Blutstropfen aus der Seitenwunde fließen.

Blick der Wallfahrer auf das Fresko

Der große Religionsphilosoph Romano Guardini schrieb einmal: „Liturgie ist ein Schauspiel.“

Während wir heute beim Gottesdienst uns selbst durch lautes Singen und Beten einbringen können, standen die Gläubigen im Mittelalter dem Geschehen am Altar als Zuschauer gegenüber. Der Priester stand mit dem Rücken zum Publikum. Die Gläubigen sahen den Priester nur aus der Ferne und konnten seine geflüsterten lateinischen Worte nicht verstehen.

Sie waren auf Zeichen, Gesten und Bilder angewiesen. So haben sie den  Priester ja oftmals gesehen, wie er die Arme ausstreckt. Thomas von Aquin sieht darin eine Parallelität mit dem Passionsgeschehen: Wenn der Priester nach der Weihe (der Hostie) die Arme ausbreitet, bezeichnet dies die Ausbreitung der Arme Christi am Kreuze.

Dieses große Fresko veranschaulichte die Bedeutung und Sinn der Messe als Erinnerung und Vergegenwärtigung des erlösenden Kreuzesopfers Christi.

Dieser Opfergedanke bestimmte die Meßfeier bis in unser Jahrhundert. Wir betonen ja heute mehr den Mahlcharakter der Messe als Lob- und Dankopfer für die Versöhnungstat Gottes.

In diesem Fresco zeigt sich die neue Sicht auf den Gekreuzigten.

Christus wurde bis ins 11. Jahrhundert hoheitsvoll abgebildet, Christus steht in priesterlichen Gewändern am Kreuz. Da zeigt sich an die Hoheit des Königs orientierte, byzantinisch beeinflusste Frömmígkeit Er trägt nicht die Dornenkrone, sondern wie ein Himmelskaiser eine goldene Krone. Seine Hände sind wie zum Segen ausgebreitet. Diese Kreuzigungsbilder wollten nicht Mitleid erzeugen.

Bernhard von Clairvaux entwickelte eine eigene Kreuzestheologie: An Stelle der tritt eine Herz- und Schmerzensfrömmigkeit. Jetzt kommt das Mitleid in den Blick, das Berührtwerden im Herzen durch die Not des anderen.

Das ist die „Compassio“, das Hineindenken in das Leiden Jesu am Kreuz. Und das ist in diesem Fresko ausgedrückt.

Da geht es um Mitleiden mit Maria, der Mutter Jesu, und dabei wird dann auch das Mitleid als Zuwendung zu anderen Menschen entdeckt.

Dies wird den Wallfahrern hier eindrucksvoll vor Augen geführt.

Das ist der eine Aspekt, das Mitleiden, das Hineinversetzen in das Leiden.

Die Gregorsmesse

Jetzt versuche ich noch eine Beziehung zwischen Papst Gregor, dem diese Kirche geweiht ist, und diesem Fresco herzustellen. Es ist die Legende von der Gregorsmesse und ich vermute, dass diese populäre Legende, die die Forschung zwischen 1375 und 1390 ansetzt, sich explosionsartig verbreitete, zu diesem Gregorpatrozinium geführt hat. Denn mit dieser Legende ist Gregor der Große in der Zeit der Gotik wieder modern geworden.

In dieses Legende geht es um Gottesschau und sie besagt:

Bei einer Messe in der Kirche Sancta Croce in Rom hat sich Papst Gregor ein Wunderzeichen erbeten, um einen zweifelnden Diakon von der Transsubstantion zu überzeugen, also die wirkliche Verwandlung von Wein und Brot in Blut und Leib Christi.

Während der Wandlung soll Papst Gregor Christus als Schmerzensmann auf dem Altar erschienen sein. Diese Vision nennt man Gregorsmesse und sie wird oftmals bildlich dargestellt: der Messe feiernde Gregor, dem der Schmerzens-mann erschien.

Papst Gregor hat ja viele Schriften hinterlassen, die sich auf das Wesen der Messe und den Sinn der Liturgie beziehen. Als Papst mit Lehrautorität war er also besonders geeignet als Vorkämpfer gegen Glaubenszweifel.

Dies ist ja ein Dogma des 2. Laterankonzils von 1215, dass Christus real in den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein anwesend ist.

Aber es gab ja im 15. Jahrhundert die Zweifler wie John Wiclif oder Jan Hus und seine Anhänger.

Dieses Fresko soll dazu beitragen, etwas mit den Sinnen nicht Fassbares sichtbar zu machen und so zum Glauben zu helfen.

Während der Priester am Altar das unblutige Messopfer vollzog, hatten die Gläubigen mit diesem Fresko das blutige Kreuzesopfer Christi vor Augen.

Christus am Kreuz erinnert uns an das Verständnis der hl. Messe als Vergegenwärtigung des Kreuzesopfer Christi und an den Satz bei der Wandlung: „Blut Christi für uns vergossen zur Vergebung der Sünden.“

Gregor ist auch derjenige, der die Vorstellung von einem Fegefeuer prägte, dem „Purgatorium“, dem Reinigungsort für die Seele. Das ist die theologische Lehre von der Läuterung der Seele nach dem Tode. Wer in der Gnade Gottes stirbt, aber noch nicht vollkommen geläutert ist um in die Freude des Himmels einzugehen, der muss noch zeitlichen Sündenstrafen abbüßen.

Daraus entstand das Ablasswesen, dass durch Messstipendien, also Votivmessen die Zeit der Verstorbenen im Fegefeuer verkürzt werden kann.

Im Jahr 1476 wurde das kirchliche Ablasswesen durch eine Päpstliche Bulle auf die Seelen im Fegefeuer erweitert. Durch Gebete und gute Werke glaubte man, damit verknüpfte Ablässe auch Verstorbenen im Fegefeuer zuwenden zu können. Als dann immer mehr Geldspenden eine Rolle spielten, führte dies vor dem Hintergrund aggressiver Werbung für dieses Modell zur bekannten reformatorischen Ablasskritik.

Aus der Sicht der Wallfahrer bedeutet das Vorbild des Papstes Gregor, dem man einen Ablass zuschrieb: möglichst viele Messen zu hören für das Seelenheil und die Befreiung aus dem Fegefeuer. Und jede Messe ist eine Memoria crucis, eine Erinnerungsfeier an den Tod Jesu am Kreuz.

Darin wird der Gregor auch unterstützt von den anderen Kirchenvätern, die wir ja im einem der Glasfenster sehen können.

Wir wissen ja nicht, welches Andachtsbild die Wallfahrer hier in Grongörgen bekommen haben. Es könnte Einblattdruck mit einem Bildmotiv der Gregorsmesse sein. Das Sprechen der Ablasstexte waren verbunden mit dem mehrmaligen Beten des Vaterunser und des Ave Maria mit gebeugten Knien.

Am Hochaltar von 1718 sehen wir eine spätgotische Figur des Kirchenpatrons, flankiert von zwei barocken Stangenputten. Im geschweiften Aufsatz ist das Bild der Himmelskönigin auf der Mondsichel. Als krönender Abschluss zwischen Segmentgiebeln der Erzengel Michael mit Waage und Flammenschwert.

 

Glasmalerei in Grongörgen

In den Fenstern der Nordseite und im nördlichen Chorfenster haben sich Glasgemälde aus der Erbauungszeit der Kirche erhalten. In den Fenstern spiegelt sich die adelige Vorstellungswelt, die sozial führende Schicht des 16. Jahrhundert.

Die 13 Scheiben stammen vermutlich aus einer Landshuter Werkstatt aus der Zeit um 1470/80. Sie sind Stifterbilder, die der Kirche von vermögenden Personen als Weihegaben gestiftet wurden.

Glasmalereien gehören zu den faszinierendsten Werken mittelalterlicher Kunst. Die Gotik gilt als erste große Blütezeit der Glasmalerei. Keine andere Malkunst hat eine so hohe Farbleuchtkraft und so große Helligkeitsunterschiede wie ein durchsichtiges Glasbild. Die Farbenpracht erzeugt eine mystische bis feierliche Stimmung.

Keine andere Malart kann eine so hohe Farbleuchtkraft und so große Helligkeitsunterschiede zeigen wie ein durchsichtiges Glasbild.

Licht fassten die Menschen des Mittelalters als eine Erscheinungsform Gottes auf, so dass ihnen die leuchtenden Bilder der farbigen Scheiben als Abbilder der Worte des Herrn erschienen. Gott ist das Licht der Welt. Erst das Licht gibt dem Kirchengebäude die Schönheit und Würde. Und es sind die farbigen Glasfenster, die das göttliche Licht ins Innere lassen.

Die Theologen schrieben den gläsernen Bildern die Kraft zu, die Menschen zu erleuchten und sie vom Bösen abzuhalten.

Biblische Gestalten und Heilige werden lebendig, vom durchscheinenden Licht in Szene gesetzt. Heilige werden zu leuchtenden Vorbildern des Glaubens.

Die Wirkung der Glasmalerei wird bestimmt durch ihre lichtdurchlässige Trägersubstanz, das in der Masse gefärbte Glas, während die eigentliche Malfarbe, das Schwarzlot, opak, ist.

Schwarzlot ist ein Gemisch aus zermahlendem Glas (Glasfluss), Kupfer oder Eisenoxid. Opakglas ist ein undurchsichtiges Glas, Glastrübung, das ein Durchblicken unmöglich macht.

Der Glasmaler begann wie jeder Künstler sein Werk mit einem Entwurf, den er nach Angaben des Auftraggebers ausführte und diesem anschließend zur Prüfung vorlegte. Dann bereiteten die Glasmaler Holztafeln vor, auf die sie den Entwurf in der Größe der späteren Scheibe übertrugen. Darin zeichneten sie die Linien des Bleinetzes ein und legten die Farben der Gläser fest, die nach diesen Angaben zugeschnitten und anschließend bemalt wurden.

Zum Aufreiben der Farben werden eine Glaspalette, eine Spachtel und ein Läufer verwendet.

Farblose oder einfarbige Gläser werden mit Schmelzfarben bemalt, die beim Brennen die gewünschte Farbgebung entwickeln. Glasmalereifarben werden bei 550 bis 640 Grad im Ofen eingebrannt.

Wir sehen in diesen Glasfenstern viele gelbbraune Töne an den Kronen, Heiligenscheinen, Spruchbändern und Kleidungsteilen.

Im 14. Jahrhundert begann man, transparentes Silbergelb zu verwenden, eine Mischung aus kohlesaurem Silber und Ockererde, das Farbtöne vom hellen Zitronengelb bis zu dunklem Braun ergibt. Es ist die einzige Glasfarbe, bei der das Silber beim Brennen in das Glas eindringt und es gelb färbt im Gegensatz zu den anderen Schmelzfarben, die sich nur mit der Oberfläche verbinden. Die bräunliche Erde bleibt nach dem Brand als braune Schicht an der Oberfläche des Glases zurück und wird abgewaschen oder mit verdünnter Flusssäure abgeätzt.

Ergänzt wurde die Farbpalette im 15. Jahrhundert durch Eisenrot für Fleischteile und Ornamente.

Glasfenster

Sechs Gemälde im dreigeteilten Fenster der Landhaus-Nordseite: obere Reihe von links:

1. Scheibe

Die vier lateinischen Kirchenväter

Die vier lateinischen Kirchenväter Papst Gregor, Augustinus, Ambrosius, Hieronymus. Kirchenväter sind bedeutende Theologen aus der frühchristlichen Zeit, deren Werke vom Papst oder von einem Konzil als für die Kirche allgemein verbindliche Lehre anerkannt wurden.

Augustinus (354-430 in Hippo) wurde 1295 heiliggesprochen. Er bestimmte durch seine Schriften ganze Perioden der Kirchengeschichte. Seine wichtigsten Schriften sind der „Gottesstaat“ (de civitate die) und „Dreieinigkeit“ (De trinitate) und seine Bekenntnisse (confessiones). Die von Augustinus eingeführte Praxis eines gemeinsamen Lebens der Priester an seiner Bischoftskirche unter einer Regel wurde später Vorbild regulierter Kleriker-Kongregationen (Augustiner, Prämonstatenser- St. Salvator). Augustinus wird als Bischof dargestellt. Attribute: ein oft pfeildurchbohrtes flammendes Herz-Symbol göttlicher Liebe.

Ambrosius (340 in Trier, 397 in Mailand) Bischof von Mailand, Verfechter der kirchlichen Freiheit gegenüber dem Staat, Gegner der Arianer (Häretiker). Schöpfer einiger Meßhymnen und Mitbegründer des Kirchengesanges. Dargestellt als Bischof. Attribute sind ein Bienenkorb und ein Kind in der Wiege (Symbol der Beredsamkeit), eine Geißel, die ihm zur Vertreibung von Feinden diente. Taube wie bei allen Kirchenvätern als Zeichen des hl. Geistes und der Inspiration. Er hat den Kaiser Theodosius gebannt wegen eines Massakers in Thessalonike.

Hieronymus (340-420), Einsiedler, strenger Asket, Gelehrter, gründete in Bethlehem ein Mönchskloster und eine Schule. Hieronymus wird die Vulgata, die lat. Bibelübersetzung, zugeschrieben.  Seit dem 15. Jahrhundert wird er in der Kleidung eines Kardinals dargestellt, obwohl er nie einer war.

Am Schreibpult sitzend oder als büßender Einsiedler knieend (Dürer)

Attribut Löwe, Kruzifix und Totenschädel.

2. Scheibe

Wappen der Kirmreiter zu Kirmreit: auf weißem Grund ein schräger Ast mit drei überhängenden Eicheln;

Helmzier: ein Schiff mit wachsendem Baum auf blauem Grund.

Dieses Wappen findet sich auch als Teil eines Ehewappens auf dem Grabstein des herzoglichen Beamten beim Pfleggericht Griesbach mit Namen Ulrich Forster zu Finkenstein (gest.1472)

3. Scheibe

Unbekanntes Stifterwappen mit Jakobus

Unbekanntes Stifterwappen: auf schwarzem Grund ein Fachbogen; Wollbogen in der Geigenbogenform

Jakobus der jüngere war einer der zwölf Apostel (Namenstag 3. Mai).  Er wurde bei seiner Gefangennahme auf die Zinnen des Tempels geführt, wo er seinen Glauben widerrufen sollte. Auf seine Weigerung wurde er hinabgestoßen, vom Volk gesteinigt und mit der Walkerstange erschlagen, wie ihn die Tuchmacher benutzten. Sein Attribut ist der Fachbogen und er ist der Schutzheilige der Hutmacher.

Helmzier: ein wachsender Mann mit Schlegel in der rechten Hand. Fachbogen und Kammlade Schlagholz als Handwerksgeräte der Tuch- und Hutmacher sind Hinweis auf Zunftwappen.

Der Fachbogen der Hut und Tuchmacher ist ein Bogen mit einer starken Darmsaite zum Auflockern und Reinigen der Wolle. Fachen bedeutet die kurze Wolle mit dem Fachbogen zerschlagen und reinigen (kurze Wolle schlagen, fachen, flocken)

4. Scheibe

Die beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus.

Der Apostel Petrus ist als Apostel dargestellt und nicht als Papst. Bereits im 4. Jahrhundert war in den bildlichen Darstellungen Petrus ein Typ entwickelt: untersetzte Gestalt, Rundkopf mit kurzem, gekräuseltem Bart, Glatze mit Lockenkranz im späten Mittelalter mit Stirnlocke. Er trägt die übliche Aposteltracht in langer, gegürteter Tunika und rotem Mantel. Er hat keine Kopfbedeckung.

Petrus: Attribut: Schlüssel des Himmelreiches und das Buch

Paulus, der Apostel der Heiden, ist mit dem Schwert als Hinweis auf seine Enthauptung dargestellt.

Auch mit Aposteltracht mit langer, blauer gegürteter Tunika und rotem Mantel, ohne Kopfbedeckung.

5. Scheibe Jakobus und Johannes

Jakobus und Johannes sind Brüder und gehören zu den erstberufenen Jüngern Jesu.

Der Apostel Jakobus der Ältere seit dem 14. Jahrhundert Schutzpatron der Pilger und Wallfahrer, dargestellt mit dem Jakobsstab.

Johannes, der Lieblingsjünger Jesus, mit einem Becher in der Hand. Er wird als einziger aus dem Kreis der Apostel bartlos dargestellt. Im Mittelalter gab es im Mittelalter den Brauch des Johannesminnetrinkens. Mit diesem Akt hat man den Apostel geehrt, indem man an seinem Festtag (27. Dezember) Wein getrunken hat. Weihe des Johannesweins am 27. Dezember.

6. Scheibe Barbara mit Turm und St. Maria Magdalena

Barbara mit Turm und St. Maria Magdalena mit Salbenfaß

Barbara gehört zu den vierzehn Nothelfern und ist Patronin vieler Berufe (Soldaten, Bergbau) und Städte.

Maria Magdalena, die als Sünderin mit ihren Tränen die Füße Jesus netzte, sie mit ihrem Haar abtrocknet und salbte, wird immer mit wallendem, offenem Haar dargestellt.

Die Gewänder umspielen ihre festen, gerundeten Körper in locker fallenden Falten. Durch den differenzierten Faltenwurf heben sich die beiden Figuren reliefartig vom blauen Grund ab.